Briefe an Ludwig Tieck 3. Various
fast mehr auf den Namen des Verlegers, als auf die Titel des Verfassers. Dann, geehrtester Herr! würde ich zu so vielen Bitten noch ein neues Gesuch hinzufügen: erlauben Sie mir, Ihnen, dem gefeierten und von mir geliebtesten Dichter, dem Einzigen unter den Mitlebenden, dessen Namen noch an jene für ewig hingeschwundene glänzendere Zeit unserer Literatur erinnert – Ihnen, dem Manne, der sich auch meiner freundlich annehmen wird, als ein öffentliches, wenn auch vielleicht nur allzuvergängliches Denkmal unvergänglicher Achtung und Liebe jenes Bändchen Gedichte zu widmen. – Doch freilich sind das Träume, deren Verwirklichung sehr fraglich, denen sich hinzugeben, sehr gefährlich ist. —
Indem ich jetzt diesen Brief wieder durchlese, tritt es mir recht lebhaft vor die Seele, wie sehr Sie erstaunen mögen über dies zudringliche, vielleicht langweilige Geschwätz; ja, Sie mögen unwillig werden, wenn ich Ihnen eine recht – recht baldige Beantwortung meines Briefes mit gehorsamster Bitte recht dringend an’s Herz lege; aber sehen Sie – darum bitte ich: – in allen diesen Außergewöhnlichkeiten, sogar in diesen Verstößen gegen Sitte und Bescheidenheit nur Merkmale der unbegrenzten Hochachtung, Verehrung und Liebe, mit welcher ich Ihrer gütigen Theilnahme mich empfehle.
II
Auf einem kleinen Ausfluge in’s sächsische und böhmische Gebirge auch Ihr liebliches Dresden berührend, war mein erster Gang in Ihre Behausung; denn obwohl Sie, verehrtester Herr! mich auf mein freilich sehr andringliches und seltsames Ansuchen noch mit keiner Antwort erfreut hatten, hoffte ich dennoch, Ihr freundliches Wohlwollen werde mir die Gunst längst ersehnter persönlicher Nähe nicht versagen. Leider will der Zufall, daß ich Sie hier nicht finde, und meine Zeit gestattet mir keinen längeren Aufenthalt: sehr schnell und sehr ungern muß ich diesem kleinen Paradies mein Lebenwohl! sagen. Dennoch kann ich nicht umhin, mich mindestens schriftlich neuerdings Ihrer Theilnahme, Ihrer freundlichen Geneigtheit zu empfehlen: wohl mögen Sie den Kopf schütteln, und ich erröthe ja auch selbst über dies ungeschickte und Ihnen wol gar verhaßte Ansuchen; aber gar zu lieblich hatte ich’s mir geträumt, die alten Zeiten neu zu machen, und wie jene wackern mittelalterlichen Sänger von dem Meister und wo möglich vor dem Meister selbst zu lernen. Jene Zeiten sind dahin, und wie so unsäglich vieles Schöne auch dies mit ihnen; aber ich weiß nicht, welche Stimme mir zuflüstert, daß sie für mich noch wiederkehren, daß Sie, Geehrtester! meinem herzlichen Gesuche um Rath, Theilnahme und Belehrung sich nicht entziehen werden. Und so hoffe ich denn bald, recht bald (denn Sie mögen denken, wie froh und zaghaft ich seit Monaten harre!) einige Zeilen von Ihnen zu empfangen. In dieser freundlichen Hoffnung und mit der wiederholten Bitte, meinem Anliegen nicht ganz abhold zu sein, empfehle ich mich Ihrer gütigen Theilnahme
III
Nicht ohne einige Besorgniß, durch die lange Benutzung der beifolgenden Bücher die außerordentliche Güte, mit welcher Sie mir dieselben verstattet, gemißbraucht zu haben, sende ich endlich diese Bücher, nämlich:
Oehlenschlägers Holberg, 4 Bde.
Holbergs Schr. v. Rahbek, 6 Bde.
Gherardi’s Theâtre Italien, 6 Bde.
mit meinem ebenso aufrichtigen, als ergebenen Danke sowohl für das unschätzbare Vertrauen, welches Sie mir theilnehmend bewiesen, als für die mannigfache Belehrung und Förderung, die mir aus diesen Büchern erwachsen ist, zurück.
Erlauben Sie mir, Hochgeehrtester Herr Hofrath, diesem Danke zugleich die aufrichtigsten und innigsten Wünsche für Ihr uns Allen so werthes Wohlergehen, sowie die Versicherung der dankbarsten Ergebenheit beizufügen, mit welcher ich mich empfehle als
Quandt, Johann Gottlieb von
Geb. den 9. April 1787 zu Leipzig.
Als Kunstkenner und kunsthistorischer Schriftsteller hochgeachtet. – Streifereien im Gebiete der Kunst, 3 Th. (1819.) – Entwurf zu einer Geschichte der Kupferstechkunst (1826.) – Vorträge über Aesthetik für bildende Künstler (1844.) – Leitfaden zur Geschichte der Kunst (1852.) – u. a. m.
I
Hätte nicht schon die innigste Verehrung und Freundschaft mich zu Ihnen hingezogen, so würde die Pflicht der Dankbarkeit es von mir unerläßlich gefordert haben, nach meiner Rückkehr von Teplitz Sie zu besuchen. Auch befand ich mich bereits an Ihrer Thür, erfuhr aber, daß Sie ausgegangen waren. Bis ich von Leipzig zurückkomme, kann ich es nicht verzögern Ihnen zu sagen, welche große, fast an Beschämung grenzende Freude, Sie mir durch Zueignung des dritten Bandes Ihrer Werke verursacht haben.
Kann wohl etwas wünschenswerther seyn, als daß wir nicht, wie ein Schiff auf dem Meere, hinter welchem die Wellen zusammenschlagen und die Furche des Kiels verwischen, spurlos vorübergehn? – Durch dieses öffentliche Zeugniß Ihres Wohlwollens haben Sie die Mitwelt mir befreundet und mein Andenken für die Nachwelt aufbewahrt und mich ohne Mühe und Verdienst, zum berühmten Manne gemacht; also für mich gethan, was ich nicht zu erreichen vermocht hätte.
Dies und noch vieles habe ich Ihnen zu sagen und zu danken. So auch die Abschrift des Prologs zum Faust und die Aufführung des Fausts selbst. Doch hievon mündlich ein Mehreres und für jetzt nur so viel; daß der Prolog als ein Wort zur rechten Zeit und am rechten Orte, nicht nur auf die große und schwerfällige Masse des Volks die rechte Wirkung belehrend hervorbrachte, sondern auch dem mit Göthe vertrauten und begeisterten Verehrer ward das Innigste und Tiefste dieses gewaltigen Dichters, mit seiner kräftigen und sonnigen äußern Erscheinung, in einer umfassenden Anschauung, vor die Seele geführt. Als ich die Rede vernahm, war mir zumuthe, wie es einem großen plastischen Künstler seyn muß, denn in mir gestaltete sich Göthes Bild zu einer colosalen Statue.
Bey einigen Mängeln im Einzelnen, war die Aufführung doch sehr gelungen, denn die Hand, welche alle Figuren lenkte und führte, hielt das Ganze kräftig zusammen und hielt es empor. Sowohl die Folgsamkeit mehrerer Talente als auch der Zuschauer, muß Sie sehr erfreut und für große Anstrengungen belohnt haben. Nur der Teufel3 schien Ihnen nicht gefolgt zu haben und trug seinen Pferdefuß zu sehr zur Schau und obwohl dieser Geist mich bisweilen störte, so ergriff mich doch das Ganze allmächtig und eine solche Wirkung von der Bühne habe ich fast noch nie erfahren.
Immer hat sonst der Faust beym Lesen eine tiefe Schwermuth zurückgelassen; so war es aber nicht, nachdem ich die Darstellung gesehn hatte.
Der Mensch ringt und quält sich nur so lange, als ihm noch eine Hoffnung bleibt und fügt sich klaglos, ernst und fest der Nothwendigkeit. Nun wurde mir es bey der Darstellung recht klar, daß Gretchen in Fausts Armen unabänderlich zermalmt, daß sie in diesem Riesenkampfe eines Geistes, wie Faust ringt, untergehen muß und darum trat auch die Fassung über ihr Schicksal ein. Auch ist es, als wenn durch die ungeheuren Leiden, Liebe, Reue, Wahnsinn, in der letzten Scene alle Schuld abgebüßt und durch den letzten Schmerzensschrey: Heinrich! Heinrich! die Seele alle Qualen ausstieße, und sich von ihnen und dem Leben befreyt und gerettet losrisse, wodurch eine Versöhnung eintritt, die allen Schmerz hinter sich liegen und keinen übrig läßt.
Der Faust selbst aber führt eine solche Kraft in und mit sich, daß diese auf den Zuschauer überströmt und ihn aufrecht erhält.
Ueber alles dieses bedarf ich von Ihnen Aufklärung und Belehrung und freue mich Sie recht bald zu sprechen. Empfehlen Sie mich unterdeß der Frau Gräfin und Ihrer verehrungswürdigen Familie, der ich mit größter Hochachtung und Dankbarkeit verbleibe
Mein guter Wagner, der eben bey mir war und Ihrer mit wahrer Verehrung gedenkt, läßt sich Ihnen freundschaftlich empfehlen.
II
3
Sollte dieser, „den Pferdefuß allzusehr zur Schau tragende“ Teufel nicht derselbe Künstler gewesen seyn, dem wir auf umstehenden Blättern als Expektanten des K. Richard III. begegneten?