Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Rudolf Virchow

Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre - Rudolf Virchow


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ist ganz und gar abhängig von dieser Art der Leitung. Die Bandscheiben sind Gebilde von beträchtlichem Umfange und grosser Dichtigkeit; und da hier alle Ernährung auf das letzte feine System von Zellen zurückzuführen ist, so haben wir es noch viel mehr, als beim Knorpel, mit einer Art der Saftzufuhr zu thun, welche nicht mehr direkt von den Gefässen bestimmt werden kann.

      Für das Verständniss der Abbildung (Fig. 43) füge ich noch hinzu, dass die letzten Elemente der Bandscheiben als sehr kleine Zellkörper erscheinen, die in lange, feine Fäden ausgehen, welche sich verästeln. Durchschnitte dieser Fäden stellen sich als kleine Punkte mit einem hellen Centrum dar. Alle Fäden lassen sich mit grosser Bestimmtheit bis an gemeinschaftliche Zellkörper verfolgen, ganz wie im Knochen. Es sind feinste Röhren, die in innigem Zusammenhang unter einander stehen, nur dass sie sich an gewissen Punkten zu grösseren Haufen sammeln, durch welche die Hauptleitung erfolgt, und dass die Zwischensubstanz in keinem Falle Kalk aufnimmt, sondern stets ihre Bindegewebsnatur beibehält.

      Sechstes Capitel.

      Weiteres über Ernährung und Saftleitung

      Sehnen, Hornhaut, Nabelstrang.

      Weiches Bindegewebe (Zellgewebe). Elastisches Gewebe. Strukturlose Häute: Tunicae propriae, Cuticula. Elastische Membranen: Sarkolemm.

      Lederhaut (Derma). Papillarkörper: vasculäre Bezirke. Unterhaut (subcutanes, subseröses, submucöses Gewebe). Tunica dartos.

      Das feinere Kanalsystem des Bindegewebes: Körperchen, Lacunen. Bedeutung der Zellen für die Specialvertheilung der Ernährungssäfte innerhalb der Gewebe. Vegetativer Charakter der Ernährung. Elective Eigenschaften der Zellen.

      Die Bandscheiben, wie wir sie in der am meisten ausgesprochenen Form im Kniegelenke an den sogenannten Semilunar-Knorpeln, die eben keine Knorpel sind, kennen gelernt haben, besitzen eigentlich die Eigenschaften platter Sehnen. Die einzelnen Structurverhältnisse, die wir in ihnen gefunden haben, wiederholen sich im Querschnitte der Sehnen. Betrachten wir daher zunächst diese oft so vernachlässigten Gebilde. Ich wähle dazu eine Reihe von Objecten aus der Achilles-Sehne sowohl des Erwachsenen, als des Kindes, welche verschiedene Entwickelungs-Stadien zeigen. Es ist dies überdem eine Sehne, die manche Bedeutung für operative Zwecke hat, die also schon aus praktischen Gründen wohl einen kleinen Aufenthalt entschuldigt.

      An der Oberfläche einer Sehne sieht man bekanntlich mit blossem Auge eine Reihe von parallelen weisslichen Streifen ziemlich dicht der Länge nach verlaufen, welche das atlasglänzende Aussehen bedingen. Bei mikroskopischer Betrachtung erscheinen die Streifen natürlich mehr getrennt: die Sehne sieht deutlich fasciculirt aus. Noch viel deutlicher ist dies auf einem Querschnitte, wo man schon mit blossem Auge eine Reihe von kleineren und grösseren Abtheilungen (Bündeln, Fascikeln) wahrnimmt. Vergrössert man das Object, so zeigt sich eine innere Einrichtung, welche fast ganz derjenigen entspricht, welche bei den Semilunar-Knorpeln geschildert ist. Am äusseren Umfange der Sehne liegt ringsumher eine faserige Masse, eine Art von lockerer Scheide, in der die Gefässe enthalten sind, welche die Sehne ernähren. Die grösseren Gefässe bilden in der Scheide ein Geflecht, welches die Sehne äusserlich umspinnt. Aus diesem Geflechte treten an einzelnen Stellen mit Fortsetzungen der Scheide Gefässe in das Innere, indem sie sich in den Zwischenlagen oder Scheiden der Fascikel (Fig. 44 a, b) verästeln. In das Innere der Fascikel selbst geht dagegen ebensowenig etwas von Gefässen hinein, als in das Innere der Bandscheiben; hier finden wir vielmehr wieder das mehrfach besprochene Zellennetz, oder anders ausgedrückt, das eigenthümliche saftführende Kanalsystem, dessen Bedeutung wir beim Knochen kennen gelernt haben.

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      Fig. 44. Querschnitt aus der Achilles-Sehne eines Erwachsenen. Von der Sehnenscheide aus sieht man bei a, b und c Scheidewände nach innen laufen, welche maschenförmig zusammenhängen und die primären und secundären Fascikel abgrenzen. Die grösseren (a und b) pflegen Gefässe zu führen die kleineren (c) nicht mehr. Innerhalb der secundären Fascikel sieht man das feine Maschennetz der Sehnenkörperchen (Netzzellen) oder das intermediäre Saftkanalsystem. – Vergröss. 80.

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      Fig. 45. Querschnitt aus dem Innern der Achilles-Sehne eines Neugebornen. a die Zwischenmasse, welche die secundären Fascikel scheidet (entsprechend Fig. 44, c), ganz und gar aus dichtgedrängten Spindelzellen bestehend. Mit diesen in direkter Anastomose sieht man seitlich bei b, b netz- und spindelförmige Zellen in das Innere der Fascikel verlaufen. Die Zellen sind deutlich kernhaltig. Vergröss. 300.

      Man kann demnach die Sehne zunächst in eine Reihe von grösseren (primären) Bündeln zerlegen, diese aber wieder in eine gewisse Summe von kleineren (secundären) Fascikeln theilen. Sowohl jene, als diese sind durch Züge einer faserigen, Gefässe und Faserzellen enthaltenden Bindesubstanz getrennt, so dass der Querschnitt der Sehne ein maschiges Aussehen darbietet. Von diesem interstitiellen oder interfasciculären Gewebe, das sich von der eigenthümlichen Sehnensubstanz nur durch seine Lockerheit, sowie durch die dichtere Anhäufung zelliger Elemente und durch die Anwesenheit der Gefässe unterscheidet, beginnt ein zusammenhängendes Netz sternförmiger Elemente (Sehnenkörperchen), welche in das Innere der Fascikel hineingehen, unter sich anastomosiren und die Verbindung zwischen den äusseren gefässhaltigen und den inneren gefässlosen Theilen der Fascikel herstellen. Dies Verhältniss ist in einer kindlichen Sehne sehr viel deutlicher, als in einer erwachsenen. Je älter nehmlich die Theile werden, um so länger und feiner werden im Allgemeinen die Ausläufer der Zellen, so dass man an vielen Schnitten die eigentlichen Zellenkörper gar nicht trifft, sondern nur feine, in Fäden zu verfolgende Punkte oder punktförmige Oeffnungen erblickt. Die einzelnen Zellkörper rücken also mit fortschreitendem Wachsthum weiter auseinander und es wird immer schwieriger, die Zellen in ihrer ganzen Ausdehnung mit ihren Fortsätzen auf einmal zu übersehen. Auch muss man sich erst über das Verhältniss von Längs- und Querschnitt in's Klare setzen, um die vorkommenden Bilder richtig zu verstehen. Wo nehmlich auf einem Längsschnitte spindelförmige Elemente liegen, da treffen wir auf einem Querschnitte sternförmige, und umgekehrt entspricht dem Zellennetze des Querschnittes die regelmässige Abwechselung von reihenweise gestellten spindelförmigen Elementen des Längsschnittes ganz nach dem Schema, wie wir es für das Bindegewebe überhaupt aufgestellt haben. Die Elemente sind also auch hier nur scheinbar einfach spindelförmig, wenn man einen reinen Längsschnitt betrachtet: ist dieser etwas schräg gefallen, so sieht man die seitlichen Ausläufer, durch welche die Zellen einer Reihe mit denen der anderen communiciren.

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      Fig. 46. Längsschnitt aus dem Innern der Achilles-Sehne eines Neugebornen. a, a, a Scheiden (interstitielles Gewebe). b, b Fascikel. In beiden sieht man spindelförmige Kernzellen, zum Theil anastomosirend mit leicht längsstreifiger Grundsubstanz, die Zellen in den Scheiden dichter, in den Fascikeln spärlicher, bei c der Durchschnitt eines interstitiellen Blut-Gefässes. Vergr. 250.

      Bis jetzt hat man das fortgehende Wachsthum der Sehnen nach der Geburt noch nicht zum Gegenstande einer regelmässigen Untersuchung gemacht, und es ist nicht bekannt, ob dabei noch eine weitere Vermehrung der Zellen stattfindet; so viel ist jedoch sicher, dass die Zellen später sehr lang und die Abstände zwischen den einzelnen Kernstellen ausserordentlich gross werden. Das Structurverhältniss an sich erleidet dadurch jedoch keine Veränderung; die ursprünglichen Zellen erhalten sich, ohne in ihrer Form und ihren Lagerungs-Verhältnissen wesentliche Veränderungen zu erfahren, auch in dem grossen Röhrensystem, welches in der ausgewachsenen Sehne das ganze Gewebe durchzieht. Daraus erklärt sich die Möglichkeit, dass, obwohl die Sehne in ihren innersten Theilen keine Gefässe enthält und, wie man bei jeder Tenotomie sehen kann, nur wenig Blut in den äusseren Gefässen der Sehnenscheide und den inneren Gefässen der Interstitien der grösseren Bündel empfängt, doch eine gleichmässige Ernährung der Theile stattfinden kann. Diese lässt sich in der That nur so denken, dass auf besonderen, von den Gefässen unterscheidbaren Wegen Säfte durch die ganze Substanz


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