Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band. Julius von Voss

Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band - Julius von Voss


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läßt ihn eine Stellung eingehn, wo Gebirge, Flüsse oder Moräste ihm nachtheilig werden. Ein anderes auf der See.

      Admiral Bruyes hätte von einem plötzlich eintretenden Südwinde ein unzuberechnendes Heil erfahren, er hätte den englischen Angriff gelähmt, und ihn dagegen in Stand gesetzt, mit vollkräftiger Bewegung vorwärts zu dringen. So mußte er sich gefährlich leidend verhalten, und der kühne Nelson konnte jedes beliebige Manöver vollziehn.

      Wer will die despotische Gewalt der Zufälle ableugnen? Welche Gesetze befolgt der Wind? Wie viel hing hier an einer Drehung des Wimpels? Ja, langte nur ein Courier richtig an, so fanden die Britten diese Flotte nicht mehr im Meere. Sie lag in der Sicherheit des Hafens, und Landbatterien wehrten jede Annäherung zu diesem ab.

      Die Engländer umsegelten die französische Flotte, und die Schlacht, die mörderische, begann.

      Von allen Decken her spien die Feuerkrater ihre vernichtenden Bälle. Nichts blieben die Neufranken schuldig. Die Gestade Egyptens, die Mauern von Alexandrien und Abukir dröhnten wie vom Erdbeben bewegt, die nur leiswogende See empörte sich, wie im wilden Orkan, Gebirge von Dampf verhüllten die Atmosphäre.

      Kecke Verwegenheit lenkte die Steuer, auf Nähen, wo fast kein Schuß fehlen konnte, rückten die Gallionen an einander heran. Der Konstabler keuchte bei der immer fortgesetzten Mordarbeit, nur die rothe Glut der Stücke konnte sie auf Minuten einstellen. Der Matros hing im Tauwerk, von Kugeln umsaust, und mußte auf der leichten Chaluppe ins Meer, von außen seinem Schiffe Hülfe zu leisten. Der Flintenschütz feuerte über den Bord, und harrte wuthschäumend des Befehls zum Entern. Ermuthigend, der Signale gewärtig, aufmerksam, jedem schlimmen Ereigniß kräftig zu begegnen, standen die Offiziere an ihren Posten, Hüte und Kleider durchlöchert, nicht achtend leichter Wunden, im Sterben noch gebietend, mit starrer eiserner Kälte die Britten, in heißer Glut enthusiastischer Tapferkeit, die Söhne Frankreichs.

      Hier krachte ein getroffner Mast aufs hohe Verdeck nieder, und zerschellte das menschliche Gebein, dort drangen Kugeln durch die Bohlenmauern der Meerfesten, und das nachstürzende Wasser überschwemmte ihren Raum. Kein Schrecken lähmte den Seekrieger. Taue wurden gekappt, die Trümmer hinüber geschleudert, neue Seegel an den übrigen Masten emporgezogen, und das Fahrzeug wieder mächtig regiert. Pfropfen verbanden, Wunden gleich, den gefährlichen Leck, rüstig befreite die strömende Pumpe den überfüllten Bauch von den drohenden Fluten.

      Hier schlug eine Kartätschenlage in das Linnen und gleich Vögeln im Strauchwerk, die des Jägers verstreutes Schrot traf, sturzten die Arbeiter aus Mastkörben, und von Strickleitern. Dort eine neue Lage, und Verwundete und Todte deckten den obern Boden. Kein Entsetzen hemmte der vorgezählten Ordnung Lauf. Auf den Wink flogen andere Söhne des Neptun wieder zur Höhe, Aerzte harrten mit eiliger Hülfe der Verwundeten; was kein Leben mehr hatte, wanderte ins feuchte Grab.

      Hier warf eine Chaluppe, von einem mächtigen Steuer oder fallenden Baum berührt, um, und sendete ihre Lenker in den Meeresgrund, dort fiel ein wichtiger Befehlshaber, ein jähling Opfer der Schlacht. Keine Verwirrung im regen Gang des erhabnen Verderbens. Andere Boote senkten sich in die Wellen, der Hintermann sprang an des Entseelten Platz, und weiter kämpften die ungeheuren Kräfte.

      Alles nur geringe Vorboten riesenhaft gräßlicherer Szenen. Bald eilten hie und da Fregatten und Hundertstücker, Brust an Brust zusammen, und ketteten durch Hacken und Taue die Borde aneinander. Mit Furienungestüm sprang die wilde, sich durch Schlachtruf begeisternde Mannschaft hinüber auf die feindlichen Bretter, und die enge fluchtgehemmte Metzelei wüthete ein. Es galt jede Waffe, doch gebrach in kurzer Zeit selbst dem Flintenkolben und dem Säbel Spielraum. Geballte Fäuste boxten mörderisch auf den Gegner, nervigte Arme umrankten ihn, strebten ihn ins Meer zu schleudern, ihn in des Schiffraums Balken hinab zu stürzen. In Kajüten und Magazinen dauerte das Gewürge, bis den Offizieren der Obermacht gelang, einer kleinen übrigen Zahl, noch Leben von den ergrimmten Würgern zu erflehen.

      Linienschiffe hatte der Kugeln zu dichter Haufe durchwühlt. Zu Ende ging die Hülfe der Kunst, die Geistesgegenwart fand keine Rettungsmittel mehr. Durch Hundert Risse drängten sich die Wogen, gleich Wasserfällen stürzten sie in die Tiefe hinab. Umsonst der Versuch, noch zu stopfen. Die erschöpfendste Anstrengung der Pumpen verrieth ihre Ohnmacht, da in schauderhafter Langsamkeit das Gebäude sich hinabsenkte. Immer höher kam der Seerand, immer schmäler ward der Bord, eine Kanonenreihe nach der andern verbarg sich dem Auge. – Was vermag noch der Mensch? Die Chaluppen sind ausgesetzt, weggedrängt, verloren! Wären sie auch da, wie mögten sie die Hunderte auffassen, die die Hände jammernd ausstrecken? Die andern Schiffe sind in Arbeit. Rauch deckt den Zwischenraum. Auch zu spät, wenn sie schon Hülfewinkend nahten, denn der Schwere Gesetz eilt zur Vollziehung! Schon bis zum Rand ist die See gestiegen! Der Befehl hört auf, bereitet euch zum Tode, hallt des Gebieters letztes Wort. Stiere bleiche verzerrte Gesichter wenden den gräßlich trockenen Blick gen Himmel, sie verlängern ihre Gestalt, wie sie schon die Nasse fühlen; noch ein Gedanke an die Lieben daheim, eine Frage an den Tod – die Arche ist verschwunden, ihre meisten Bewohner, hie und da noch ein Kampf der Schwimmkundigen, von denen es nur Einzelnen gelingt, ein ander Fahrzeug zu erreichen.

      Dort hat die Flamme die betheerten Planken, die trockenen Stangen, das dürre Werg ergriffen. Sie trotzt dem Verein zur Tilgung, bricht aus dieser, aus jener Kammer, und lodert durch die Region der Seegel empor. Schon fallen Erstickte nieder, der rauchende Gestank hemmt den Athem. Noch hoffen die gern Lebenden, Todesangst verdoppelt die Kraft. Es gelingt an einem, an dem andern Ende, die brennenden Balken loszubrechen, fortzuwälzen, zu löschen die höllische Glut. Nur nicht zum Pulvervorrath! heißt aller Gedanke. Aber zu den Kanonen dringt die Flamme an vielen Orten heran, auch dort liegt die Schwarzische Mischung Pulver, die Stücke lösen sich von selbst, ihre Kisten fahren gleich entzündeten Minen auseinander, verletzen, zerbrechen, stecken in Brand. Die Verheerung spottet endlich jeder Ermannung. Vorn, hinten, auf der Seite, überall Flammentod, die Kleider brennen schon, lieber untergegangen in dem feuchten Element, die meisten stürzen sich verzweifelt hinab, während in Pracht des Orkus, den bretternen Pallast Gluten auflösen.

      Nach halb sieben Uhr hatte die Schlacht begonnen, schon währte sie anderthalb Stunden, aber trotz der so vortheilhaften Stellung der Engländer, und der nachtheiligen ihrer Feinde, war noch nichts entschieden. Doch um acht Uhr wurde der französische Admiral verwundet, und die Signale erfolgten unregelmäßiger. Noch eine Stunde des erbitterten Kampfes, und die Waage neigte sich wenig. Aber um neun Uhr ward Bruyes durch eine Kanonenkugel zerrissen, und die Unordnung im Commando begann, während dessen Nelson unverletzt blieb, und das große Werk fortregieren konnte. Hätte die Parze ihm das Loos geworfen, würde vielleicht der Ausgang ganz verändert gewesen sein. Um halb zehn Uhr genossen die Engländer den Triumph, das Admiralschiff der Franzosen in Brand gerathen, und eine Viertelstunde darauf es in die Luft fliegen zu sehn.

      Dies feurige Schauspiel, das Lärmen und Prasseln in der Höhe, das Herabfallen vieler umhergeschleuderten Gegenstände, machten, daß des Streites Hitze eine Viertelstunde lang nachließ; dann erneute sich aber das rasende Getümmel bis zur Morgenröthe hin, und von dem Augenblicke an, wo Bruyes gefallen war, lächelte die Siegesgöttin der brittannischen Flagge. Neun ihrer Schiffe waren entmastet, mehrere hart beschädigt, aber die meisten französischen genommen, oder zerstört.

      Beider Nationen Tapferkeit war sich gleich gewesen, Nelson hatte mehr Erfahrungsgeschicklichkeit gezeigt, wie Bruyes, aber überall hatte jenen das zufällige Glück auch wie einen erwählten Liebling umarmt. Ihm gebührt der Nachwelt Ruhm, doch dürfen jene Umstände nicht dabei verschwiegen werden, eben so wenig wie die so hartnäckige kräftige muthige Gegenwehr der Franzosen, fast zwölf Stunden lang.

      Wer kann sich wohl der ernsthaftesten Bemerkungen bei dieser Schlacht enthalten?

      Sie war viel mörderischer wie die von Actium, wo Cleopatra gleich davon segelte, und Antonius bald der Geliebten folgte. Jene entschied die Herrschaft der Welt unter Individuen sehr schnell, aber eine Geschichtsübersicht nach hundert Jahren wird vielleicht erst entscheiden können, ob die Schlacht bei Abukir nicht noch wichtigeren Ausschlag im Allgemeinen gab.

      Nimmt man an, des Feldherrn Eilboten hätten den Seeherrn glücklich erreicht, und Bruyes die Flotte in den Hafen von Alexandrien geborgen, so gewann die egyptische Expedition ein anderes Ansehn. Die Franzosen blieben wenigstens stärker


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