Klein Zaches, genannt Zinnober / Крошка Цахес, по прозванию Циннобер. Книга для чтения на немецком языке. Эрнст Гофман

Klein Zaches, genannt Zinnober / Крошка Цахес, по прозванию Циннобер. Книга для чтения на немецком языке - Эрнст Гофман


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Narren halten und ihn auf ihre Weise handhaben und kurieren wollen, wie jener Hofschranz den würdigen Prinzen Hamlet, der dem Männlein dann, als er versicherte, sich nicht auf das Flötenblasen zu verstehen, eine tüchtige Lehre gab. Damit will ich dich, lieber Fabian, nun zwar verschonen, übrigens dich aber recht herzlich bitten, dass du dir zu deiner edlen Fechterei mit Rapier und Hieber einen andern Kumpan suchen und mich ruhig meinen Weg fortwandeln lassen mögest.» «Nein, nein,» rief Fabian lachend, «so entkommst du mir nicht, mein teurer Freund! – Willst du mit mir nicht auf den Fechtboden, so gehe ich mit dir heraus in das Wäldchen. Es ist die Pflicht des treuen Freundes, dich in deinem Trübsinn aufzuheitern. Komm nur, lieber Balthasar, komm nur, wenn du es denn nicht anders haben willst.» Damit fasste er den Freund unter den Arm und schritt rüstig mit ihm von dannen. Balthasar biss in stillem Ingrimm die Zähne zusammen und beharrte in finsterm Schweigen, während Fabian in einem Zuge Lustiges und Lustiges erzählte. Es lief viel Albernes mit unter, welches immer zu geschehen pflegt beim lustigen Erzählen in einem Zuge.

      Als sie nun endlich in die kühlen Schatten des duftenden Waldes traten, als die Büsche wie in sehnsüchtigen Seufzern flüsterten, als die wunderbaren Melodien der rauschenden Bäche, die Lieder des Waldgeflügels fernhin tönten und den Widerhall weckten, der ihnen aus den Bergen antwortete, da stand Balthasar plötzlich still und rief, indem er die Arme weit ausbreitete, als woll’ er Baum und Gebüsch liebend umfangen: «O, nun ist mir wieder wohl! – unbeschreiblich wohl!» – Fabian schaute den Freund etwas verblüft an, wie einer, der nicht klug werden kann aus des andern Rede, der gar nicht weiß, was er damit anfangen soll. Da fasste Balthasar seine Hand und rief voll Entzücken: «Nicht wahr, Bruder, nun geht dir auch das Herz auf, nun begreifst du auch das selige Geheimnis der Waldeinsamkeit?» – «Ich verstehe dich nicht ganz, lieber Bruder,» erwiderte Fabian, «aber wenn du meinst, dass dir ein Spaziergang hier im Walde wohl tut, so bin ich völlig deiner Meinung. Gehe ich nicht auch gern spazieren, zumal in guter Gesellschaft, in der man ein vernünftiges lehrreiches Gespräch führen kann? – Z.B. ist es wohl eine wahre Lust, mit unserm Professor Mosch Terpin über Land zu gehen. Der kennt jedes Pflänzchen, jedes Gräschen und weiß, wie es heißt mit Namen und in welche Klasse es gehört, und versteht sich auf Wind und Wetter» – «Halt ein,» rief Balthasar, «ich bitte dich, halt ein! – Du berührst etwas, das mich toll machen könnte, gäb’ es sonst keinen Trost dafür. Die Art, wie der Professor über die Natur spricht, zerreißt mein Inneres. Oder vielmehr, mich fasst dabei ein unheimliches Grauen, als säh’ ich den Wahnsinnigen, der in geckenhafter Narrheit König und Herrscher ein selbst gedrehtes Strohpüppchen liebkost, wähnend, die königliche Braut zu umhalsen! Seine sogenannten Experimente kommen mir vor wie eine abscheuliche Verhöhnung des göttlichen Wesens, dessen Atem uns in der Natur anweht und in unserm innersten Gemüt die tiefsten heiligsten Ahnungen aufregt. Oft gerat’ ich in Versuchung, ihm seine Gläser, seine Phiolen, seinen ganzen Kram zu zerschmeißen, dächt’ ich nicht daran, dass der Affe ja nicht ablässt mit dem Feuer zu spielen, bis er sich die Pfoten verbrennt. – Sieh, Fabian, diese Gefühle ängstigen mich, pressen mir das Herz zusammen in Mosch Terpins Vorlesungen, und wohl mag ich euch dann tiefsinniger und menschenscheuer vorkommen als jemals. Mir ist dann zumute, als wollten die Häuser über meinem Kopf zusammenstürzen, eine unbeschreibliche Angst treibt mich heraus aus der Stadt. Aber hier, hier erfüllt bald mein Gemüt eine süße Ruhe. Auf den blumigen Rasen gelagert, schaue ich herauf in das weite Blaue des Himmels, und über mir, über den jubelnden Wald hinweg ziehen die goldnen Wolken wie herrliche Träume aus einer fernen Welt voll seliger Freuden! – O mein Fabian, dann erhebt sich aus meiner eignen Brust ein wunderbarer Geist, und ich vernehm’ es, wie er in geheimnisvollen Worten spricht mit den Büschen – mit den Bäumen, mit den Wogen des Waldbachs, und nicht vermag ich die Wonne zu nennen, die dann in süßem wehmütigen Bangen mein ganzes Wesen durchströmt!» – «Ei,» rief Fabian, «ei, das ist nun wieder das alte ewige Lied von Wehmut und Wonne und sprechenden Bäumen und Waldbächen. Alle deine Verse strotzen von diesen artigen Dingen, die ganz passabel ins Ohr fallen und mit Nutzen verbraucht werden, sobald man nichts weiter dahinter sucht. – Aber sage mir, mein vortreflichster Melancholikus, wenn dich Mosch Terpins Vorlesungen in der Tat so entsetzlich kränken und ärgern, sage mir nur, warum in aller Welt du in jede hineinläufst, warum du keine einzige versäumst und dann freilich jedesmal stumm und starr mit geschlossen Augen dasitzest wie ein Träumender?» – «Frage mich,» erwiderte Balthasar, indem er die Augen niederschlug, «frage mich darum nicht, lieber Freund! – Eine unbekannte Gewalt zieht mich jeden Morgen hinein in Mosch Terpins Haus. Ich fühle im Voraus meine Qualen, und doch kann ich nicht widerstehen, ein dunkles Verhängnis reißt mich fort!» – «Haha» – lachte Fabian hell auf, «hahaha – wie fein – wie poetisch, wie mystisch! Die unbekannte Gewalt, die dich hineinzieht in Mosch Terpins Haus, liegt in den dunkelblauen Augen der schönen Candida[37]! – Dass du bis über die Ohren verliebt bist in des Professors niedliches Töchterlein, das wissen wir alle längst, und darum halten wir dir deine Fantasterei, dein närrisches Wesen zugute. Mit Verliebten ist es nun nicht anders. Du befindest dich im ersten Stadium der Liebeskrankheit und musst in späten Jünglingsjahren dich zu all den seltsamen Possen bequemen, die wir, ich und viele andere, dem Himmel sei es gedankt! ohne ein großes zuschauendes Publikum auf der Schule durchmachten. Aber glaube mir, mein süßes Herz —»

      Fabian hatte indessen seinen Freund Balthasar wieder beim Arme gefasst und war mit ihm rasch weitergeschritten. Eben jetzt traten sie heraus aus dem Dickicht auf den breiten Weg, der mitten durch den Wald führte. Da gewahrte Fabian, wie aus der Ferne ein Pferd ohne Reiter, in eine Staubwolke gehüllt, herantrabte. – «Hei, hei!» rief er, sich in seiner Rede unterbrechend, «hei, hei, da ist eine verfluchte Schindmähre durchgegangen und hat ihren Reiter abgesetzt – die müssen wir fangen und nachher den Reiter suchen im Walde.» Damit stellte er sich mitten in den Weg.

      Näher und näher kam das Pferd, da war es, als wenn von beiden Seiten ein Paar Reitstiefel in der Luft auf und nieder baumelten und auf dem Sattel etwas Schwarzes sich rege und bewege. Dicht vor Fabian erschallte ein langes gellendes Prrr – Prrr – und in demselben Augenblick flogen ihm auch ein Paar Reitstiefel um den Kopf, und ein kleines seltsames, schwarzes Ding kugelte hin, ihm zwischen die Beine. Mauerstill stand das große Pferd und beschnüffelte mit lang vorgestrecktem Halse sein winziges Herrlein, das sich im Sande wälzte und endlich mühsam auf die Beine richtete. Dem kleinen Knirps steckte der Kopf tief zwischen den hohen Schultern, er war mit seinem Auswuchs auf Brust und Rücken, mit seinem kurzen Leibe und seinen hohen Spinnenbeinchen anzusehen wie ein auf eine Gabel gespießter Apfel, dem man ein Fratzengesicht eingeschnitten. Als nun Fabian dies seltsame kleine Ungetüm vor sich stehen sah, brach er in ein lautes Gelächter aus. Aber der Kleine drückte sich das Barettlein, das er vom Boden aufgeraft, trotzig in die Augen und fragte, indem er Fabian mit wilden Blicken durchbohrte, in rauhem, tief heiserem Ton: «Ist dies der rechte Weg nach Kerepes?» – «Ja, mein Herr!» antwortete Balthasar mild und ernst und reichte dem Kleinen die Stiefel hin, die er zusammengesucht hatte. Alles Mühen des Kleinen, die Stiefel anzuziehen, blieb vergebens, er stülpte einmal übers andere um und wälzte sich stöhnend im Sande. Balthasar stellte beide Stiefel aufrecht zusammen, hob den Kleinen sanft in die Höhe und steckte, ihn ebenso niederlassend, beide Füßchen in die zu schwere und weite Futterale. Mit stolzem Wesen, die eine Hand in die Seite gestemmt, die andere ans Barett gelegt, rief der Kleine: «Gratias, mein Herr!» und schritt nach dem Pferde hin, dessen Zügel er fasste. Alle Versuche, den Steigbügel zu erreichen oder hinaufzuklimmen auf das große Tier, blieben indessen vergebens. Balthasar, immer ernst und mild, trat hinzu und hob den Kleinen in den Steigbügel. Er mochte sich wohl einen zu starken Schwung gegeben haben, denn in demselben Augenblick, als er oben saß, lag er auf der andern Seite auch wieder unten. «Nicht so hitzig, allerliebster Mosje[38]!» rief Fabian, indem er aufs Neue in ein schallendes Gelächter ausbrach. «Der Teufel ist Ihr allerliebster Mosje,» schrie der Kleine ganz erbost, indem er sich den Sand von den Kleidern klopfte, «ich bin Studiosus, und wenn Sie desgleichen sind, so ist es Tusch[39], dass Sie mir wie ein Hasenfuß ins Gesicht lachen, und Sie müssen sich morgen in Kerepes mit mir schlagen!» «Donner,» rief Fabian immerfort lachend, «Donner, das ist mal ein tüchtiger Bursche, ein Allerweltskerl, was Courage betrift und echten Komment». Und damit hob er den Kleinen,


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<p>37</p>

Candida (от франц. candide) – добросердечная, добродушная

<p>38</p>

Mosje – искаженное французское обращение к мужчине (monsieur – господин)

<p>39</p>

so ist es Tusch зд. да это вызов, оскорбление (студенческий жаргон)