Minna von Barnhelm. Gotthold Ephraim Lessing

Minna von Barnhelm - Gotthold Ephraim Lessing


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und daß Sie nur eines Armes mächtig sind. Sie können sich ja nicht allein ankleiden. Ich bin Ihnen unentbehrlich; und bin— ohne mich selbst zu rühmen, Herr Major—und bin ein Bedienter, der— wenn das Schlimmste zum Schlimmen kömmt—für seinen Herrn betteln und stehlen kann.

      Tellheim

      Just, wir bleiben nicht beisammen.

      Just

      Schon gut!

      9. Szene

      (Ein Bedienter. v. Tellheim. Just.)

      Bediente

      Bst! Kamerad!

      Just

      Was gibt's?

      Bediente

      Kann Er mir nicht den Offizier nachweisen, der gestern noch in diesem Zimmer (auf eines an der Seite zeigend, von welcher er herkömmt) gewohnt hat?

      Just

      Das dürfte ich leicht können. Was bringt Er ihm?

      Bediente

      Was wir immer bringen, wenn wir nichts bringen: ein Kompliment. Meine Herrschaft hört, daß er durch sie verdrängt worden. Meine Herrschaft weiß zu leben, und ich soll ihn deshalb um Verzeihung bitten.

      Just

      Nun, so bitte Er ihn um Verzeihung; da steht er.

      Bediente

      Was ist er? Wie nennt man ihn?

      Tellheim Mein Freund, ich habe Euern Auftrag schon gehört. Es ist eine überflüssige Höflichkeit von Eurer Herrschaft, die ich erkenne, wie ich soll. Macht ihr meinen Empfehl.—Wie heißt Eure Herrschaft?—

      Bediente

      Wie sie heißt? Sie läßt sich gnädiges Fräulein heißen.

      Tellheim

      Und ihr Familienname?

      Bediente Den habe ich noch nicht gehört, und darnach zu fragen, ist meine Sache nicht. Ich richte mich so ein, daß ich meistenteils alle sechs Wochen eine neue Herrschaft habe. Der Henker behalte alle ihre Namen!—

      Just

      Bravo, Kamerad!

      Bediente Zu dieser bin ich erst vor wenig Tagen in Dresden gekommen. Sie sucht, glaube ich, hier ihren Bräutigam.—

      Tellheim Genug, mein Freund. Den Namen Eurer Herrschaft wollte ich wissen, aber nicht ihre Geheimnisse. Geht nur!

      Bediente

      Kamerad, das wäre kein Herr für mich!

      10. Szene

      (v. Tellheim. Just.)

      Tellheim Mache, Just, mache, daß wir aus diesem Hause kommen! Die Höflichkeit der fremden Dame ist mir empfindlicher als die Grobheit des Wirts. Hier, nimm diesen Ring, die einzige Kostbarkeit, die mir übrig ist, von der ich nie geglaubt hätte, einen solchen Gebrauch zu machen!– Versetze ihn! Laß dir achtzig Friedrichsdor darauf geben; die Rechnung des Wirts kann keine dreißig betragen. Bezahle ihn und räume meine Sachen—Ja, wohin?—Wohin du willst. Der wohlfeilste Gasthof der beste. Du sollst mich hier nebenan auf dem Kaffeehause treffen. Ich gehe, mache deine Sache gut.—

      Just

      Sorgen Sie nicht, Herr Major!—

      Tellheim (kömmt wieder zurück). Vor allen Dingen, daß meine Pistolen, die hinter dem Bette gehangen, nicht vergessen werden.

      Just

      Ich will nichts vergessen.

      Tellheim (kömmt nochmals zurück). Noch eins: nimm mir auch deinen Pudel mit; hörst du, Just!—

      11. Szene

      (Just)

      Just Der Pudel wird nicht zurückbleiben. Dafür laß ich den Pudel sorgen.– Hm! Auch den kostbaren Ring hat der Herr noch gehabt? Und trug ihn in der Tasche, anstatt am Finger?—Guter Wirt, wir sind so kahl noch nicht, als wir scheinen. Bei ihm, bei ihm selbst will ich dich versetzen, schönes Ringelchen! Ich weiß, er ärgert sich, daß du in seinem Hause nicht ganz sollst verzehrt werden!—Ah—

      12. Szene

      (Paul Werner. Just.)

      Just

      Sieh da, Werner! guten Tag, Werner! willkommen in der Stadt!

      Werner

      Das verwünschte Dorf! Ich kann's unmöglich wieder gewohne werden.

      Lustig, Kinder, lustig; ich bringe frisches Geld! Wo ist der Major?

      Just

      Er muß dir begegnet sein; er ging eben die Treppe herab.

      Werner Ich komme die Hintertreppe herauf. Nun, wie geht's ihm? Ich wäre schon vorige Woche bei euch gewesen, aber—

      Just

      Nun? was hat dich abgehalten?—

      Werner

      –Just—hast du von dem Prinzen Heraklius gehört?

      Just

      Heraklius? Ich wüßte nicht.

      Werner

      Kennst du den großen Helden im Morgenlande nicht?

      Just

      Die Weisen aus dem Morgenlande kenn ich wohl, die ums Neujahr mit dem Sterne herumlaufen.—

      Werner Mensch, ich glaube, du liesest ebensowenig die Zeitungen als die Bibel?—Du kennst den Prinzen Heraklius nicht? den braven Mann nicht, der Persien weggenommen und nächster Tage die Ottomanische Pforte einsprengen wird? Gott sei Dank, daß doch noch irgendwo in der Welt Krieg ist! Ich habe lange genug gehofft, es sollte hier wieder losgehen. Aber da sitzen sie und heilen sich die Haut. Nein, Soldat war ich, Soldat muß ich wieder sein! Kurz—(indem er sich schüchtern umsieht, ob ihn jemand behorcht) im Vertrauen, Just, ich wandere nach Persien, um unter Sr. Königlichen Hoheit, dem Prinzen Heraklius, ein paar Feldzüge wider den Türken zu machen.

      Just

      Du?

      Werner Ich, wie du mich hier siehst! Unsere Vorfahren zogen fleißig wider den Türken, und das sollten wir noch tun, wenn wir ehrliche Kerls und gute Christen wären. Freilich begreife ich wohl, daß ein Feldzug wider den Türken nicht halb so lustig sein kann, als einer wider den Franzosen; aber dafür muß er auch desto verdienstlicher sein, in diesem und in jenem Leben. Die Türken haben dir alle Säbels, mit Diamanten besetzt—

      Just

      Um mir von so einem Säbel den Kopf spalten zu lassen, reise ich nicht eine Meile. Du wirst doch nicht toll sein und dein schönes Schulzengerichte verlasen?—

      Werner

      Oh, das nehme ich mit!—Merkst du was?—Das Gütchen ist verkauft—

      Just

      Verkauft?

      Werner St!—hier sind hundert Dukaten, die ich gestern auf den Kauf bekommen; die bring ich dem Major—

      Just

      Und was soll der damit?

      Werner Was er damit soll? Verzehren soll er sie, verspielen, vertrinken, ver—, wie er will. Der Mann muß Geld haben, und es ist schlecht genug, daß man ihm das Seinige so sauer macht! Aber ich wüßte schon, was ich täte, wenn ich an seiner Stelle wäre! Ich dächte: hol euch hier alle der Henker, und ginge mit Paul Wernern, nach Persien!—Blitz!—Der Prinz Heraklius muß ja wohl von dem Major Tellheim gehört haben, wenn er auch schon seinen gewesenen Wachtmeister, Paul Wernern, nicht kennt. Unsere Affäre bei den Katzenhäusern—

      Just

      Soll ich dir die erzählen?—

      Werner Du mir?—Ich merke wohl, daß eine schöne Disposition über deinen Verstand geht. Ich will meine Perlen nicht vor die Säue werfen.—Da nimm die hundert Dukaten; gib sie dem Major. Sage ihm, er soll mir auch die aufheben. Ich muß jetzt auf den Markt; ich habe zwei Winspel Roggen hereingeschickt;


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