Bestimmt . Морган Райс
fleischigen Hand aufgehalten, die ihr unsanft den Weg versperrte. »Fahrkarte«, sagte jemand unfreundlich.
Ein großer, muskelbepackter Mann starrte finster auf sie hinunter. Er war ein ungehobelter, unrasierter Klotz und roch unangenehm.
In Caitlin stieg Verärgerung auf. Sie war ohnehin schon gereizt, weil sie nichts gegessen hatte, und nahm es dem Mann übel, dass er sie aufhalten wollte.
»Ich habe keine«, antwortete sie knapp. »Können Sie mich nicht einfach durchlassen?«
Der Mann schüttelte entschieden den Kopf und wandte sich ab. »Keine Fahrkarte, keine Bootsfahrt«, erwiderte er.
Als ihre Verärgerung wuchs, zwang sie sich, an Aiden zu denken. Was hätte er ihr jetzt geraten? Atme tief durch und entspann dich. Benutze deinen Kopf, nicht deinen Körper. Er hätte sie daran erinnert, dass sie stärker war als dieser Mensch. Er hätte ihr gesagt, sie solle sich konzentrieren und ihre inneren Talenten nutzen.
Also schloss sie die Augen und konzentrierte sich auf ihre Atmung. Dann sammelte sie sich und richtete ihre Gedanken auf diesen Mann.
Du wirst uns auf das Boot lassen. Du wirst auf diese Fahrkarte verzichten.
Als sie die Augen wieder aufschlug, erwartete sie, dass er vor ihr stehen und ihr die Überfahrt kostenlos anbieten würde. Doch zu ihrer Enttäuschung tat er es nicht. Stattdessen ignorierte er sie einfach und löste die letzten Taue.
Es funktionierte nicht. Entweder hatte sie ihre Fähigkeit verloren, die Gedanken von anderen zu kontrollieren, oder sie war noch nicht wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte. Oder vielleicht war sie einfach zu erschöpft und ruhte zu wenig in sich selbst.
Plötzlich fiel ihr etwas ein: ihre Taschen. Schnell durchsuchte sie sie und fragte sich, ob sie vielleicht etwas aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert mitgebracht hatte. Erleichtert zog sie einen Zwanzigdollarschein hervor.
»Hier«, sagte sie und reichte ihm den Schein.
Er nahm ihn, befühlte ihn und hielt ihn hoch, um ihn genauer zu untersuchen.
»Was ist das denn?«, fragte er dann. »Das kenne ich nicht.«
»Das ist ein Zwanzigdollarschein«, erklärte Caitlin und begriff gleichzeitig, wie dämlich sie war. Natürlich, woher sollte er den Schein kennen? Er stammte aus Amerika, außerdem würde es diese Währung erst in zweihundert Jahren geben.
Voller Angst wurde ihr klar, dass das Geld nutzlos war.
»Abfall«, sagte sie und schob den Schein wieder in die Tasche.
Dann sah sie erschrocken, dass das Boot jeden Moment ablegen würde. Schnell griff sie wieder in die Tasche und brachte ein bisschen Kleingeld zum Vorschein. Sie nahm eine Vierteldollarmünze und gab sie ihm.
Diesmal wirkte der Mann schon interessierter, nahm die Münze und hielt sie ans Licht. Doch trotzdem war er immer noch nicht überzeugt und gab ihr das Geld zurück.
»Komm zurück, wenn du richtiges Geld hast«, knurrte er. Dann warf er einen Blick auf Rose und fügte hinzu: »Und ohne Hund.«
Caitlin dachte an Caleb. Vielleicht war er da drüben in Venedig, ganz knapp außer Reichweite – nur eine kurze Bootsfahrt entfernt. Sie war so wütend, dass dieser Kerl sie nicht zu ihm ließ. Schließlich hatte sie ja Geld, es war nur nicht seine Währung. Außerdem sah das Schiff nur bedingt seetüchtig aus, und es befanden sich bereits Hunderte von Passagieren darauf. Kam es da wirklich auf eine einzige Fahrkarte an? Es war einfach nicht fair.
Als er Caitlin die Münze zurückgab, packte er sie ganz plötzlich mit seiner großen, schweißnassen Hand am Handgelenk. Er warf ihr einen anzüglichen Blick zu und grinste verschlagen. Dabei konnte sie sehen, dass ihm mehrere Zähne fehlten, und sie roch seinen schlechten Atem.
»Wenn du kein Geld hast, kannst du auch auf eine andere Weise bezahlen«, schlug er vor, während sein unangenehmes Grinsen noch breiter wurde.
Als er die andere Hand ausstreckte und ihre Wange berührte, reagierte Caitlin reflexartig und schlug ihm kräftig auf die Finger, bevor sie ihr Handgelenk aus seinem Griff befreite. Überrascht stellte sie fest, wie stark sie wieder geworden war.
Der Mann war offensichtlich verblüfft, dass eine zierliche, junge Frau so viel Kraft hatte. Sein Grinsen verschwand schlagartig, und sein Gesichtsausdruck wurde finster. Dann spuckte er ihr vor die Füße. Angewidert sah Caitlin, dass etwas davon auf ihren Schuhen gelandet war.
»Du kannst froh sein, dass ich kein Kleinholz aus dir mache«, knurrte er, bevor er sich abrupt umdrehte und das letzte Tau löste.
Wut überkam Caitlin, und das Blut schoss ihr ins Gesicht. Waren Männer überall gleich? Zu jeder Zeit, in jeder Epoche? War das ein Vorgeschmack darauf, was sie hinsichtlich der Behandlung von Frauen hier erwartete? Als sie daran dachte, was sich Frauen alles gefallen lassen mussten, wurde sie noch wütender. Auf einmal hatte sie das dringende Bedürfnis, stellvertretend für alle Frauen einzutreten.
Der Kerl beugte sich immer noch vor und war mit dem Tau beschäftigt, als sie schnell mit dem Fuß ausholte und ihm kräftig in den Hintern trat. Im hohen Bogen flog er mit dem Kopf zuerst ins Meer, das sich rund fünf Meter unterhalb befand. Das Wasser spritzte auf, als er mit einem lauten Platschen aufschlug.
Dann lief Caitlin schnell mit Rose die Gangway hinauf und bahnte sich einen Weg durch die Menge.
Sie hoffte, dass niemand den Vorfall beobachtet hatte, weil alles so schnell geschehen war. Offensichtlich war das der Fall, denn die Besatzung zog die Gangway ein, und das Schiff setzte seine Segel.
Caitlin blickte über die Reling ins Wasser und konnte den Mann erkennen, dessen Kopf immer wieder auftauchte. Er ballte die Faust und schrie: »Stoppt das Schiff! Stoppt das Schiff!«
Doch seine Schreie wurden vom Jubel der aufgeregten Passagiere übertönt, die sich freuten, als das Schiff endlich ablegte.
Schließlich bemerkte ein Besatzmitglied den Mann im Wasser, rannte an die Reling und folgte mit dem Blick dem ausgestreckten Zeigefinger, der in Caitlins Richtung deutete.
Caitlin wartete nicht ab, was passieren würde, sondern tauchte in der Menge unter. Geduldig schob sie sich immer weiter und hoffte, dass man Rose und sie nicht entdecken würde.
Das Boot nahm zunehmend Fahrt auf. Nach einer Weile atmete Caitlin tief durch, als ihr klar wurde, dass niemand sie zu suchen schien.
Allmählich wurde sie ruhiger und bahnte sich wieder einen Weg zurück an die Reling.
In der Ferne konnte sie brutalen Kerl erkennen, der sich gerade aus dem Wasser hievte – aber jetzt war er nur noch ein kleiner Punkt am Horizont. Caitlin lächelte zufrieden – das geschah ihm recht.
Als sie sich umdrehte, entdeckte sie, dass Venedig näherrückte.
Ihr Lächeln wurde noch strahlender, während sie an der Reling lehnte und die kühle Meeresbrise ihr Haar zurückwehte. Die Temperatur an diesem warmen Maitag war perfekt, und die Salzluft war erfrischend. Rose sprang neben ihr in die Höhe und stützte sich mit den Vorderpfoten auf die Reling. Sie schien den Ausblick und die frische Luft ebenfalls zu genießen.
Caitlin hatte Schiffe immer schon geliebt. Leider hatte sie noch nie ein echtes, historisches Segelschiff gesehen – und schon gar nicht war sie auf einem gesegelt. Lächelnd korrigierte sie sich selbst in Gedanken: Das hier war kein historisches Schiff. Im Jahr 1790 war es hochmodern. Beinahe hätte sie bei dem Gedanken laut aufgelacht.
Die großen Holzmasten ragten in den Himmel. Fasziniert sah sie zu, wie die Matrosen sich in einer Reihe aufstellten und an den dicken Tauen zogen. Viele Meter schweren Segeltuchs wurden gehisst – das dicke Material knatterte im Wind. Die Arbeit war schwer, und die Matrosen schwitzten in der Sonne, während sie sich mit aller Kraft abmühten.
So wurde das also gemacht. Caitlin war beeindruckt, wie effizient die Männer Hand in Hand arbeiteten. Es war kaum zu glauben, wie schnell dieses überfüllte Schiff durch das Wasser glitt, und das ohne einen modernen Motorantrieb. Sie fragte sich, was der Kapitän dieses Segelschiffes wohl sagen würde, wenn sie ihm von den Schiffsmotoren des einundzwanzigsten Jahrhunderts