Die Herrschaft Der Königinnen . Морган Райс
rief Koolian.
Die Menschen standen sprachlos da und starrten ehrfürchtig in die Höhe. Volusia blickte zur glänzenden goldenen Statue auf, die doppelt so groß wie die anderen, und ein perfektes Abbild ihrer selbst war. Sie wartete gebannt, wie ihre Untertanen reagieren würden. Es war Jahrhunderte her gewesen, dass jemand zuletzt eine neue Gottheit eingeführt hatte, und sie wettete darauf, dass ihre Liebe zu ihr so stark war wie sie sein sollte. Sie wollte nicht nur, dass sie sie liebte, sie wollte, dass sie sie anbeteten.
Zu ihrer großen Zufriedenheit verneigten sich ihre Untertanen und beteten ihre Statue an.
„Volusia“, sangen sie immer wieder. „Volusia, Volusia.“
Volusia stand mit ausgestreckten Armen da, atmete tief durch, und nahm alle sin sich auf. Es war genug Anbetung, um jeden Menschen zu befriedigen. Jeden Herrscher. Jeden Gott.
Doch ihr reichte es noch nicht.
Volusia ging durch den weiten Eingang ihres Schlosses, vorbei an dreißig Meter hohen, marmornen Säulen. Die Gänge so weit das Auge reichte gespickt mit Wachen, Empire-Kriegern, die in perfekter Haltung goldene Speere trugen. Sie ging langsam, begleitet von Koolian, dem Zauberer, zu ihrer Rechten, und Aksan, ihrem Assassinen, zu ihrer Linken. Neben ihm lief Soku, der Kommandant ihrer Armee.
„Mylady, wenn ich kurz mit Euch sprechen dürfte?“, bat Soku. Er hatte den ganzen Tag schon versucht, mit ihr zu reden, doch sie hatte ihn ignoriert. Seine Ängste interessierten sie nicht, genauso wenige wie sein unerträglicher Realismus. Sie hatte ihre eigene Realität, und sie würde sich ihm zuwenden, wenn es ihr passte.
Volusia ging weiter, bis sie zum Eingang eines weiteren Flurs kamen, der mit einem Vorhang aus Smaragdperlensträngen verschlossen war. Die Wachen beeilten sich, ihn beiseite zu schieben, damit sie hindurchgehen konnte.
Als sie hindurchging, verklang der Gesang, der Jubel und die Feierlichkeiten der heiligen Zeremonien vor dem Schloss. Sie hatte einen langen Tag des Schlachtens, Trinkens und Feierns hinter sich, und Volusia wollte Zeit, um sich zu sammeln. Sie würde sich ausruhen, um dann für eine weitere Runde zurückzukehren.
Volusia betrat den stillen Raum, der nur von wenigen Fackeln erleuchtet wurden. Das, was den Raum am meisten erhellte, war ein Schaft aus grünem Licht, der durch ein Rundfenster hoch oben in der Mitte der dreißig Meter hohen Decke auf ein einziges Objekt herunterschien, das in der Mitte des Raumes stand.
Der Smaragdspeer.
Volusia ging ehrfürchtig darauf zu. Er stand schon seit Jahrhunderten unverändert da, und wies direkt auf das Licht. Mit seinem Schaft aus Smaragden und der aus einem einzigen Smaragd geschliffenen Spitze, blitzte er im Licht und wies direkt zum Himmel hinauf, als ob er die Götter herausfordern wollte. Er war schon immer ein heiliges Objekt für ihr Volk gewesen, sie glaubten, dass er die Stadt am Leben hielt. Sie stand ehrfürchtig davor und beobachtete, wie der Staub im Licht umhertrieb.
„Mylady“, Sokus leise Stimme hallte durch die Stille. „Darf ich sprechen?“
Volusia stand eine lange Zeit mit dem Rücken zu ihm und betrachtete den Speer, bewunderte die Handwerkskunst so wie sie es jeden Tag ihres Lebens getan hatte, bis sie schließlich bereit war, die Worte ihres Ratgebers zu hören.
„Du darfst sprechen.“
„Mylady“, sagte er. „Ihr habt den Herrscher des Empire getötet. Sicherlich hat sich die Nachricht schon verbreitet. Bald werden ganze Armeen auf Volusia zu marschieren. Riesige Armeen, viel zu stark, als dass wir sie abwehren könnten. Wir müssen uns vorbereiten. Was ist Eure Strategie?“
„Strategie?“, echote Volusia gereizt. Sie sah ihn noch immer nicht an.
„Wie wollt Ihr einen Frieden aushandeln?“, wollte er wissen. „Wie werdet Ihr Euch ergeben?“
Sie drehte sich um und sah ihn mit kalten Augen an.
„Es wird keinen Frieden geben“, sagte sie, „Bis ich ihre Kapitulation akzeptiert habe und sie mir den Treueeid geschworen haben.“
Er sah sie an. In seinem Gesicht stand nackte Angst.
„Aber Mylady, sie haben hundert Mal so viele Männer wie wir“, sagte er. „Wir können uns nicht gegen sie durchsetzen.“
Sie wandte sich wieder dem Speer zu, und er trat verzweifelt näher.
„Meine Kaiserin“, insistierte er. „Ich habt einen bemerkenswerten Sieg errungen, als Ihr Euch den Thron Eurer Mutter genommen habt. Sie war beim Volk lange nicht so beliebt wie Ihr es seid. Sie beten Euch an. Niemand wird es wagen, offen mit Euch zu sprechen. Darum muss ich es tun. Ihr umgebt Euch mit Menschen, die Euch genau das sagen, was Ihr hören wollt; Menschen, die Euch fürchten. Doch ich muss Euch die Wahrheit sagen, Euch die Realität zeigen. Das Empire wird uns einkesseln. Wir werden vernichtet werden. Von uns und unserer glorreichen Stadt wird nichts mehr übrig sein. Ihr müsst etwas tun. Ihr müsst einen Waffenstillstand aushandeln. Zahlt, welchen Preis auch immer sie verlangen, bevor sie uns alle töten.“
Volusia studierte lächelnd den Speer.
„Weißt du, was sie über meine Mutter gesagt haben?“, fragte sie.
Soku starrte sie ausdruckslos an und schüttelte den Kopf.
„Sie haben gesagt, dass sie die Auserwählte war. Sie haben gesagt, dass sie nie besiegt werden würde. Sie haben gesagt, dass sie niemals sterben würde. Weißt du auch warum? Weil in den vergangenen sechs Jahrhunderten niemand diesen Speer hier geführt hat. Und dann kam sie, und führte ihn mit einer Hand. Sie nutzte ihn, um ihren Vater zu töten, und sich seinen Thron zu nehmen.“
Volusia wandte sich ihm mit glühenden Augen zu.
„Sie sagten, dass dieser Speer nur einmal benutzt werden kann. Von der Auserwählten. Sie sagten, dass meine Mutter ewig leben würde, dass der Thorn von Volusia auf ewig ihr gehören würde. Und weißt du, was passiert ist? Ich selbst habe den Speer benutzt, um meine Mutter damit zu töten.“
Sie holte tief Luft.
„Was sagt dir das, Kommandant?“
Er sah sie verwirrt an und schüttelte den Kopf.
„Wir können entweder im Schatten der Legenden anderer leben“, sagte sie, „oder wir können unsere eigenen erschaffen.“
Sie sah ihn böse an und lehnte sich vor, um in sein Ohr sprechen zu können.
„Wenn ich das Empire zerstört habe“, sagte sie, „wenn jeder in diesem Universum vor mir auf die Knie geht, wenn es nicht einen Menschen mehr gibt, der beim Klang meines Namens schreit und weint, dann wirst du wissen, dass ich die einzige wahre Herrscherin bin – und das ich die einzige und wahre Göttin bin. Ich bin die Auserwählte, weil ich mich selbst auserwählt habe!“
KAPITEL ZEHN
Gwendolyn ging durch das Dorf, begleite von ihren Brüdern Kendrick und Godfrey sowie Sandara, Aberthol, Brandt und Atme, Hunderte ihrer Leute folgten ihr, als sie alle herzlich willkommen geheißen wurden. Bokbu, der Häuptling des Dorfes, führte sie, und Gwendolyn ging dankbar neben ihm her, als er ihr das Dorf zeigte. Seine Leute hatten sie aufgenommen, hatten ihnen Zuflucht gewährt, und der Häuptling war dabei kein geringes Risiko eingegangen, indem er gegen den Willen einiger der Dorfbewohner entschieden hatte. Er hatte sie alle gerettet, hatte sie alle von der Schwelle des Todes geholt. Gwendolyn wusste nicht, was sie sonst getan hätten. Sie wären wahrscheinlich auf dem Meer gestorben.
Gwendolyn fühlte auch eine überwältigende Dankbarkeit Sandara gegenüber, die für sie ein gutes Wort bei ihrem Volk eingelegt hatte, und die die Weisheit besessen hatte, sie hierher zu bringen. Gwendolyn sah sich um, beobachtete die Dorfbewohner, die sie umschwärmten und ansahen, als wären sie Kuriositäten, und sie fühlte sich wie ein Tier, das von allen angestarrt wurde. Gwendolyn sah die kleinen gemütlichen Lehmhäuser und die stolzen Menschen, die darin lebten. Es waren stolze Krieger mit gütigen Augen. Offenbar hatten sie noch nie zuvor Menschen wie Gwendolyn und ihre Leute gesehen. Doch auch wenn sie neugierig waren, waren sie vorsichtig, und Gwendolyn konnte es ihnen nicht verdenken. Ein Leben in Sklaverei hatte sie Vorsicht gelehrt.
Gwendolyn