Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen. Rosette
waren prächtig, prunkvoll, antik.
Achtzehntes Jahrhundert, dachte ich, auch wenn ich kein Experte für Antiquariat war. Ich ging etwas schneller, um die Hausdame, die einem Geparden gleich durch die Räume schlich, nicht zu verlieren.
„Das Haus ist riesig groß” murmelte ich während einer Pause ihres langen Monologs.
Sie warf mir einen Blick über die Schulter zu. „Das ist wahr, Miss Bruno. Aber es ist zur Hälfte geschlossen. Es ist übertrieben groß für eine einzige Person, und überaus anstrengend für meine Wenigkeit. Abgesehen von einer Reinigungsfirma, die für den Großputz engagiert wurde, bin nur ich da. Und Kyle natürlich, aber der hat andere Aufgaben. Und jetzt Sie.”
Endlich hielt sie vor einer Türe an und öffnete sie.
Ich schloss zu ihr auf, etwas außer Atem. Ich keuchte und war erschöpft.
Mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen betrat sie das Zimmer vor mir.
„Ich hoffe, es gefällt Ihnen, Miss Bruno. Apropos… liegt der Akzent auf dem O, Brunò, oder Bruno?”
„Bruno. Mein Vater stammt aus Italien” antwortete ich, während meine Augen jeden Winkel des Zimmers musterten.
Mrs. Mc Millian begann aufs Neue mit ihrer Plauderei und erzählte mir verschiedene Anekdoten von ihrer kurzen Zeit in Italien, in Florenz, während ihrer Jugend und den darauffolgenden Missgeschicken als Kunstgeschichtsstudentin und ihrem Kampf mit der lokalen Bürokratie.
Ich hörte ihr nur halb zu, ich war zu aufgeregt, um etwaiges Interesse vortäuschen zu können. Das Zimmer, das sie als einfach bezeichnet hatte, war dreimal so groß wie das Loch, in dem ich in London hauste! Meine anfänglichen Zweifel wurden weggefegt. Ich stellte den Koffer auf die Kommode und betrachtete eingehend das Himmelbett, das genauso antik war wie die restlichen Möbel. Ein Sekretär, ein Schrank, ein Nachttisch, auf dem Holzboden ein Teppich, ein halb geschlossenes Fenster. Ich ging auf es zu und öffnete es weit um den wundervollen Ausblick, der mich umgab, zu genießen. In der Ferne sah man das Dorf, das ich vor kurzem auf meiner Busfahrt gestreift hatte, auf dem Hügel gegenüber gelegen erkannte man ein Stück Fluss, das zu meiner Rechten von einer dichten Vegetation verschlungen wurde, und der Garten unterhalb, wohlgepflegt und mit vielen Pflanzen. „Ich liebe es, mich um den Garten zu kümmern”, setzte die Hausdame unerschrocken ihren Redeschwall fort, während sie sich neben mich stellte. „Ich liebe ganz besonders Rosen. Wie Sie sehen habe ich Ihnen einen Strauß gebracht.”
Ich drehte mich um, und nahm erst jetzt die große Vase auf der Kommode wahr, die mit einem üppigen Strauß Rosen gefüllt war. Ich überbrückte die Distanz zwischen mir und den Blumen und tauchte meine Nase in seine fleischigen Blätter. Der Duft machte mich auf der Stelle benommen und stieg mir zu Kopf, was mir ein leichtes Schwindelgefühl verursachte.
Das erste Mal in meinen zweiundzwanzig Jahren fühlte ich mich zuhause. So als ob ich endlich in einen sicheren und schützenden Hafen eingelaufen wäre.
„Gefallen Ihnen die weißen Rosen? Vielleicht hätten Sie lieber orangefarbene oder rosa Rosen gehabt. Oder gelbe…”
Ich wurde von dieser tückischen Frage wieder auf die Erde zurückgeholt, auch wenn sie ganz unverfänglich und ahnungslos von dieser freundlichen Frau gestellt wurde.
„Mir gefallen alle. Ich habe keine Vorlieben”, murmelte ich und schloss die Augen.
„Ich wette, Ihnen gefallen die roten. Allen Frauen gefallen rote Rosen. Aber mir kamen sie fehl am Platz vor….. ich meine….. Rote Rosen sollten eigentlich nur von einem Verehrer geschenkt werden…. Haben Sie einen festen Freund, Miss Bruno?”
„Nein”. Meine Stimme war kaum mehr als ein Hauch von müdem Klang, gerade so wie jemand, der noch nie eine andere Antwort gegeben hat.
„Wie dumm von mir. Natürlich haben Sie keinen. Wenn Sie einen hätten, wären Sie nicht hier in diesem gottverlassenen Ort, weit weg von Ihrem Liebsten. Ich bezweifle, dass Sie hier jemand finden werden...”
Ich öffnete die Augen wieder. „Ich bin nicht auf der Suche nach einem Verlobten.”
Ihr Gesicht hellte sich auf. „Na, dann werden Sie hier nicht enttäuscht werden. Hier ist es praktisch unmöglich jemanden zu treffen. Sie sind fast alle schon vergeben. Sie verloben sich, kaum dass sie aus den Windeln sind, oder spätestens im Kindergarten… Sie wissen schon wie es in diesen kleinen ländlichen Orten zugeht, Neues und Diverses lässt man nicht an sich herankommen.”
Und ich war divers. Hoffnungslos divers.
„Ich sagte ja schon, das ist kein Problem für mich”, sagte ich mit viel Courage in meinem Tonfall.
„Ihre Haare haben wirklich eine herrliche rote Farbe, Miss Bruno. Beneidenswert würde ich sagen. Einer Schottin würdig, auch wenn Sie keine sind.“
Ich fuhr mit meinen Finger zerstreut durch die Haare und versuchte ein gezwungenes Lächeln aufzusetzen. Ich antwortete nicht, ich war diese Art von Kommentaren schon gewohnt.
Sie fuhr mit ihrem Palaver fort und ich lenkte mich erneut ab, das Gemüt durch schmerzende Erinnerungen überfordert, die sich am langsamsten verflüchtigen, die die widerspenstigen gegen das Verblassen sind, die am schnellsten wieder hochkommen.
Um mich nicht noch einmal von den glühenden Pfeilen der Erinnerung durchstoßen zu lassen, unterbrach ich die Erzählung einer weiteren Anekdote.
„Wie sind meine Arbeitszeiten?”
Die Frau nickte anerkennend, da sie meine Hingabe an die Arbeit erkannt hatte. „Von morgens neun Uhr bis um fünf Uhr nachmittags. Natürlich haben Sie auch eine Mittagspause. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie darüber informieren, dass Herr Mc Laine es vorzieht seine Mahlzeiten in seinem Arbeitsraum in völliger Einsamkeit zu sich zu nehmen. Ich fürchte, er wird nicht gerade eine gute Gesellschaft sein.“ Sie deutete eine traurige Grimasse an, und ihr Tonfall nahm einen entschuldigenden Klang an. „Es ist ein sehr verbitterter Mann. Sie wissen schon.... wegen der Tragödie... Er ist wie ein Löwe im Käfig, und glauben Sie mir ... wenn er brüllt, möchte man am liebsten alles liegen und stehen lassen und weglaufen... So wie es die anderen drei Sekretärinnen vor Ihnen gemacht haben... .“ Ihre Augen schienen mich einer lupenscharfen Kontrolle zu unterziehen. „Sie scheinen mir mit mehr gesundem Menschenverstand und praktischem Sinn ausgestattet ... Ich hoffe, Sie werden es ein bisschen länger aushalten, das wünsche ich mir wirklich sehr... .“
„Trotz meiner schmächtigen und zarten Erscheinung, verfüge ich über unendlich viel Geduld, Mrs. Mc Millian. Ich versichere Ihnen, dass ich mein Bestes geben werde, um der Aufgabe gewachsen zu sein.“, versprach ich mit all dem Optimismus, den ich irgendwie zusammenklauben konnte.
Die Frau antwortete mir mit einem breiten Lächeln, ich hatte sie soeben mit meiner feierlichen Aussage erobert. Ich hoffte, nicht die Bärenhaut verkauft zu haben, bevor ich den Bären erlegt hatte.
Die Frau ging immer noch lächelnd zur Tür. „Mister Mc Laine erwartet Sie in einer Stunde in seinem Arbeitszimmer, Miss Bruno. Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Bieten Sie ihm Paroli, das ist der einzige Weg um sich nicht gleich bei der ersten Gelegenheit wegjagen zu lassen.“
Ich blinzelte versunken in der anfänglichen Aufregung. „Liebt er es seine Mitarbeiter in Verlegenheit zu bringen?“
Sie wurde ernst. „Er ist ein harter, aber gerechter Mann. Sagen wir, er mag keine Hasen und setzt alles daran, sie in einem Happen zu verspeisen. Das Problem ist, dass in seiner Gegenwart viele Löwen zu Angsthasen werden...”
Sie grüßte mich mit einem Lächeln und verließ den Raum, ohne den durch ihre letzten Worte erzeugten Wirbelsturm wahrzunehmen, der sich in meinem Kopf einnistete.
Ich ging zum Fenster zurück. Der Wind hatte sich gelegt, und wurde durch eine ungewöhnlich schwüle Hitze ersetzt, der eher für den größten Teil des Kontinents üblich war, als für dieses Gebiet.
Mit Mühe brachte ich meinen Verstand auf Stand-by, indem ich die schädlichen Gedanken losließ. Er war wieder