La San Felice. Александр Дюма
welche sich unsern Augen in Lichtströmen entzieht, sich ohne Unterbrechung an die tiefe Unendlichkeit knüpft, welche, in den tiefsten der Abgründe hinabtauchend, sich in Nacht verliert.
Dieser Träumer von San Felice sah jenseits dieser doppelten Unendlichkeit Gott nicht wie Ezechiel ihn sah, in Stürmen vorüberbrausend; nicht wie Moses ihn sah, im feurigen Busch, sondern strahlend in der majestätisch heiteren Ruhe der ewigen Liebe, als riesige Jacobsleiter, welche durch die ganze Schöpfung hinauf- und hinabsteigt.
Vielleicht könnte man glauben, diese in gleichen Theilen der ganzen Natur zugewendete Liebe müsse jene andern Gefühle, welche den lateinischen Dichter sagen lassen: »Ich bin ein Mensch und ich erachte nichts, was menschlich ist, mir fremd,« eines Theils ihrer Kraft berauben.
Dies war aber bei dem Chevalier San Felice durchaus nicht der Fall, denn gerade bei ihm konnte man jenen Unterschied zwischen Seele und Herz machen, welche dem Vicekönig der Schöpfung gestattet, bald ruhig zu sein wie Gott, wenn er mit seiner Seele betrachtet, bald freudig oder verzweifelt wie der Mensch, wenn er mit seinem Herzen empfindet.
Von allen Gefühlen aber, welche die Bewohner unseres Planeten über die Thiere erheben, die um ihn herum leben, war die Freundschaft dasjenige, welchem der Chevalier den aufrichtigsten und eifrigsten Cultus widmete, und wir legen hierauf ganz besonders Gewicht, weil es einen gewaltigen und ganz speziellen Einfluß auf sein Leben äußerte.
Der Chevalier San Felice, Zögling des von Carl dem Dritten für junge Edelleute gegründeten Collegs, hatte auf demselben zu seinem Mitschüler einen jungen Mann, dessen Abenteuer, Eleganz und Reichthum gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts in der neapolitanischen Welt großes Aufsehen machten. Dieser junge Mann war der Fürst Giuseppe Caramanico.
Wäre der junge Fürst weiter nichts gewesen als eben Fürst, so hätte der junge San Felice für ihn wahrscheinlich weiter nichts empfunden, als jenes Gefühl von neidischer Eifersucht, welches die Kinder gegen diejenigen ihrer Genossen empfinden, die wegen ihres hohen Ranges von den Lehrern mit mehr Rücksicht behandelt werden als ihre Mitschüler. Giuseppe Caramanico war aber, abgesehen von seinem Fürstentitel, auch ein liebenswürdiger, gemüthlicher und zutraulicher Knabe, ebenso wie er später ein liebenswürdiger, ehrenhafter, rechtschaffener Mann ward.
Dennoch geschah zwischen dem Fürsten Caramanico und dem Chevalier San Felice das, was unvermeidlich bei allen Freundschaften geschieht – es gab einen Orestes und einen Pylades. Der Chevalier San Felice spielte die Rolle, welche in den Augen der Welt die am wenigsten glänzende, vor dem Auge Gottes aber vielleicht die verdienstlichste war – er ward Pylades.
Man kann sich denken, mit welcher Leichtigkeit der künftige Gelehrte mit einem scharfen Verstand und seiner Wißbegierde seine Mitschüler überflügelte und wie sehr im Gegentheile der künftige Minister in Neapel, der künftige Gesandte in London, der künftige Vicekönig in Palermo mit seiner hochadeligen Sorglosigkeit eine Studien vernachlässigte.
Dennoch hielt mit Hilfe des fleißigen Pylades, welcher für Zwei arbeitete, der träge Orestes sich immer in der ersten Reihe. Er erntete ebenso viel Prämien, ebenso viele ehrenvolle Auszeichnungen und ebenso viele Belohnungen als San Felice, und besaß in den Augen seiner Lehrer sogar noch mehr Verdienst als dieser, denn sie kannten das Geheimniß seiner Ueberlegenheit nicht, oder wollten es nicht kennen.
Diese Ueberlegenheit hielt er ebenso aufrecht, wie die seiner geselligen Stellung und ohne daß es schien, als gäbe er sich deswegen auch nur die geringste Mühe.
Orestes selbst aber kannte dieses Geheimniß und wir müssen ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen zu sagen, daß er es so schätzte, wie es geschätzt zu werden verdiente, wie dies auch aus dem weiteren Verlaufe unserer Erzählung hervorgehen wird.
Die jungen Männer verließen das Collegium und jeder folgte der Laufbahn, zu welcher er sich durch die innere Stimme oder durch einen Rang hingezogen fühlte.
Caramanico widmete sich dem Waffenhandwerk, San Felice der Wissenschaft.
Caramanico trat als Capitän in ein Regiment Liparioten, so genannt von der Insel Lipari, von welcher fast sämtliche Soldaten, aus welchen es zusammengesetzt war, herstammten.
Dieses von dem König errichtete Regiment ward auch von diesem commandiert. Er trug den Titel eines Obersten desselben, und in dasselbe als Officier aufgenommen zu werden, war die höchste Gunst, nach welcher ein neapolitanischer Edelmann trachten konnte.
San Felice dagegen ging auf Reisen besuchte Frankreich, Deutschland, England und blieb fünf Jahre fern von Italien.
Als er nach Neapel zurückkam, traf er den Fürsten Caramanico als Premierminister und Geliebten der Königin Caroline wieder.
Die erste Sorge Caramanicos, als er ans Staatsruder gelangte, war gewesen, seinem lieben San Felice eine unabhängige Stellung zu sichern. Er hatte ihn in seiner Abwesenheit mit Dispensation vom Gelübde zum Maltheserritter ernennen lassen, eine Gunst, auf welche übrigens Alle ein Recht hatten, die ihre Probe bestehen konnten. Zugleich hatte er ihm eine Abtei verliehen, welche zweitausend Ducaten jährlich eintrug.
Diese Rente, in Verbindung mit den tausend Ducaten, die ihm sein väterliches Erbtheil abwarf, machte den Chevalier San Felice, dessen Geschmacksrichtungen die eines Gelehrten, das heißt, sehr einfach waren, zu einem verhältnißmäßig eben so reichen Mann, als der erste Millionär von Neapel war.
Die beiden Jünglinge waren zu Männern herangereift und liebten einander immer noch. Der eine jedoch mit der Wissenschaft, der andere mit der Politik beschäftigt, sahen sie einander nur höchst selten.
Gegen das Jahr 1783 begannen einige Gerüchte, welche über den bevorstehenden Sturz des Fürsten von Caramanico in Umlauf kamen, die Stadt zu beschäftigen und San Felice zu beunruhigen.
Man sagte, Caramanico habe, als Premierminister mit Arbeit überladen, und weil er für Neapel, welches er ganz im Gegensatz zu dem König mehr als eine Seemacht denn als eine Landmacht betrachtete, eine respectable Marine zu schaffen wünschte, sich an den Großherzog von Toscana mit der Bitte gewendet, ihm einen Mann, dessen Namen in Folge einer Expedition gegen die Raubtaaten mit großem Lobe genannt ward, zu überlassen, um ihn mit dem Titel eines Admirals an die Spitze der neapolitanischen Marine zu stellen.
Dieser Mann war der Chevalier John oder Jean Acton von irländischer Abstammung, aber in Frankreich geboren.
Kaum aber sah Acton sich durch Caramanico's Gunst bei dem Hofe von Neapel eingeführt und in einer Stellung, welche er selbst in seinen kühnsten Träumen niemals zu hoffen gewagt, so bot er Alles, was in seinen Kräften stand, auf, um seinen Gönner zu verdrängen – sowohl aus der Zuneigung der Königin als von seinem Ministerposten, den er vielleicht mehr dieser Zuneigung als seinem Rang und Verdienst zu verdanken hatte.
Eines Abends sah San Felice den Fürsten von Caramanico wie einen einfachen Privatmann und ohne gestattet zu haben, daß man ihn anmelde, bei sich eintreten.
San Felice war gerade – es war an einem milden Abend des Maimonats – in dem schönen Garten, den wir zu beschreiben gesucht, beschäftigt, Jagd auf Glühwürmer zu machen, an welchen er bei Rückkehr des Morgens die Abstufung des Lichtes studieren wollte.
Als er den Fürsten erblickte, stieß er einen Freudenschrei aus, warf sich ihm in die Arme und drückte ihn an sein Herz.
Der Fürst erwiederte diese Umarmung mit gewohnter Freundlichkeit, welche durch eine gewisse schwermüthige Zerstreutheit einen noch lebhafteren Ausdruck zu erhalten schien.
San Felice wollte sich mit ihm in das Haus hinein begeben, Caramanico aber, der vom Morgen bis zum Abend in seinem Cabinet gesessen, wollte nicht diese Gelegenheit versäumen, die durch den Orangenwald gewürzte Luft zu athmen.
Ein sanfter Wind wehte vom Meere her; der Himmel war rein, der Mond glänzte an demselben und spiegelte sich in dem Golf Caramanico zeigte auf eine am Stamme des Palmbaumes angebrachte Bank und beide nahmen auf derselben Platz.
Caramanico schwieg einen Augenblick, als ob er sich nicht sofort entschließen könnte, das Schweigen dieser ganzen stummen Natur zu stören. Endlich hob er mit einem Seufzer an:
»Mein Freund, ich komme um Dir Lebewohl zu sagen, vielleicht auf immer.«
San