La San Felice. Александр Дюма
fort:
»Ich bin des Kampfes müde. Ich sehe ein, daß ich mit einem Gegner zu thun habe, der stärker ist als ich. Ein noch länger fortgesetzter Kampf würde mich vielleicht meine Ehre, ganz gewiß aber das Leben kosten.«
»Aber die Königin?«, fragte San Felice.
»Die Königin ist ein Weib, mein Freund,« antwortete Caramanico, »und folglich schwach und unbeständig. Sie sieht heute mit den Augen jenes irländischen Intriguanten, welcher, wie ich sehr fürchte, den Staat seinem Ruin entgegenführen wird. Möge der Thron fallen, aber nur ohne mich. Ich will nicht zu seinem Sturze beitragen – ich gehe.«
»Wohin?« fragte San Felice.
»Ich habe den Gesandtschaftsposten in London angenommen; es ist das eine ehrenvolle Verbannung. Ich nehme meine Frau und meine Kinder mit, denn ich will sie nicht den Gefahren aussetzen, welche ihnen hier drohen könnten. Dennoch aber gibt es eine Person, die ich in Neapel zurücklassen muß, und ich rechne auf Dich, daß Du mich bei ihr ersetzen wirst.«
»Bei ihr?« wiederholte der Gelehrte mit einem gewissen Grade von Unruhe.
»Sei unbesorgt, sagte der Fürst, indem er zu lächeln versuchte. »Es ist keine Dame, es ist ein Kind.«
San Felice athmete wieder auf.
»Ja,« fuhr der Fürst fort. »Mitten in meinen vielfachen Beschwerden und Mißlichkeiten tröstete mich eine junge Frau. Engel des Himmels, ist sie wieder in diesen emporgestiegen und hat mir eine lebende Erinnerung zurückgelassen – ein kleines Mädchen, welches so eben das fünfte Lebensjahr zurückgelegt hat.«
»Ich höre, sagte San Felice, »ich höre.«
»Ich kann diese Tochter weder als die meinige anerkennen, noch ihr eine sociale Stellung bereiten, weil sie während meiner Ehe geboren ist. Uebrigens weiß auch die Königin nichts von der Existenz dieses Kindes und darf auch nichts davon erfahren.«
»Wo ist die Kleine?«
»In Portici. Von Zeit zu Zeit laß ich mir sie bringen, zuweilen besuche ich sie. Ich liebe dieses unschuldige Wesen, welches, wie ich sehr fürchte, an einem unheilvollen Tage geboren ist. Ich schwöre Dir, San Felice – denn Du wirst es nicht glauben wollen – daß es mir weniger schwer ankommt, meinen Ministerposten niederzulegen und Neapel und mein Vaterland zu verlassen, als mich von diesem Kinder zu trennen, denn es ist wirklich und in der That das Kind meiner Liebe.«
»Auch ich liebe,« sagte der Chevalier in seiner einfachen, sanften Weise; »auch ich liebe, Caramanico.«
»Um so besser!« hob der Fürst wieder an, »denn ich habe auf Dich gezählt, daß Du meine Stelle bei ihr vertreten sollst. Ich will, daß sie ein unabhängiges Vermögen besitze. Hier ist eine auf deinen Namen ausgestellte Anweisung auf fünfzigtausend Ducaten. Diese Summe wird sich unter deiner Verwaltung in vierzehn bis fünfzehn Jahren schon durch die Anhäufung der Zinsen verdoppeln. Du wirft die Kosten der Erziehung meiner Tochter einstweilen aus deinen Mitteln bestreiten und später einmal, wenn sie mündig wird oder heiratet, Dich von ihrem Vermögen wiederbezahlt machen.
« »Caramanico!«
»Verzeihe, lieber Freund,« sagte der Fürst lächelnd. »Ich verlange einen Dienst von Dir und an mir ist es daher, meine Bedingungen zu stellen.«
San Felice senkte das Haupt.
»Solltest Du mich weniger lieben, als ich glaubte?« murmelte er.
»Nein, mein Freund,« hob Caramanico wieder an, »Du bist nicht blos der Mann, den ich am meisten liebe, sondern auch der, welchen ich am höchsten auf der Welt achte. Der Beweis hiervon ist, daß ich Dir den einzigen Theil meines Herzens lasse, welcher rein und unversehrt geblieben ist.«
»Mein Freund,« sagte der Gelehrte ein wenig zögernd, »ich möchte Dich um eine Gunst bitten, und wenn mein Verlangen Dir nicht unangenehm ist, so würde ich mich glücklich schätzen, wenn Du mir es gewährtest.«
»Worin besteht es?«
»Ich lebe allein, ohne Familie, beinahe ohne Freunde. Ich langweile mich niemals, weil es unmöglich ist, daß der Mensch sich langweile, während das große Buch der Natur aufgeschlagen vor seinen Augen liegt. Ich liebe im Allgemeinen Alles. Ich liebe das Gras, welches sich am Morgen unter der Last der Thautropfen wie unter einer allzuschweren Bürde beugt. Ich liebe diese Glühwürmer, welche ich suchte, als Du eintratest. Ich liebe den Käfer mit dem goldenen Flügel, in welchem sich die Sonne spiegelt, meine Bienen, welche mir eine Stadt bauen, meine Ameisen, welche mir eine Republik gründen, aber ich liebe nicht etwas mehr als das andere und ich werde von nichts zärtlich geliebt. Wenn es mir nun erlaubt wäre, deine Tochter hierher zu mir in mein Haus zu nehmen, so würde ich sie, dies fühle ich, mehr als alles Andere lieben und sie würde, sobald sie einsähe, wie sehr ich sie liebe, mich vielleicht auch ein wenig lieben. Die Luft des Pausilippo ist vortrefflich, die Aussicht, die ich von meinen Fenstern aus habe, ist prachtvoll. Deine Tochter hätte hier einen großen Garten, in welchem sie den Schmetterlingen nachlaufen könnte, Blumen, so viel sie deren zu pflücken wünschte, und Orangen, die sie mit dem Munde erreichen könnte. Sie würde heranwachsen wie diese Palme und zugleich die Anmuth und Kraft derselben besitzen. Sag, willst Du, daß dein Kind bei mir wohne, mein Freund?«
Caramanico betrachtete ihn mit Thränen in den Augen und billigte das, was er sagte, durch eine sanfte Bewegung des Kopfes.
»Und dann,« fuhr San Felice fort, denn er glaubte, sein Freund sei noch nicht hinreichend überzeugt, »und übrigens hat ein Gelehrter ja nichts zu thun. Ich werde mir es daher zum Vergnügen machen, deine Tochter zu unterrichten; ich werde sie Englisch und Französisch lesen und schreiben lehren. Ich weiß Vielerlei und bin weit unterrichteter, als man glaubt. Es macht mir Vergnügen, Wissenschaften zu treiben, aber es ist mir langweilig davon zu sprechen. Alle diese neapolitanischen Bücherwürmer, alle Akademiker von Herculanum, alle Wühler von Pompeji verstehen mich nicht und sagen, ich sei unwissend, weil ich mich nicht hochtrabender Worte bediene, sondern einfach von den Dingen der Natur und Gottes spreche. Es ist dies aber nicht wahr, Caramanico. Ich weiß wenigstens eben so viel und vielleicht noch mehr als diese Leute, darauf gebe ich Dir mein Ehrenwort. Du antwortet mir nicht, mein Freund?«
»Nein, ich höre Dich, San Felice; ich höre Dich und bewundere Dich. Du bist das auserwählte Geschöpf Gottes. Ja, Du wirst meine Tochter zu Dir nehmen. Sie wird Dich lieben lernen. Aber Du wirst ihr alle Tage von mir erzählen und sie lehren, daß nächst Dir ich es bin, dem sie auf Erden die meiste Liebe schuldig ist.«
»O wie gut Du bist!« rief der Chevalier, sich die Thränen trocknend. »Also, nicht wahr, Du sagtest, sie sei in Portici? Wie soll ich das Haus finden? Wie heißt sie? Du hast ihr doch hoffentlich einen hübschen Namen gegeben?«
»Freund,« sagte der Fürst, »hier ist ihr Name und die Adresse der Frau, in deren Obhut und Pflege sie sich befindet, eben so wie der Befehl an diese Frau, Dich in meiner Abwesenheit als den wirklichen Vater des Kindes zu betrachten. Leb wohl, San Felice,« sagte der Fürst, indem er sich erhob; »sei stolz, mein Freund. Du hast mir das einzige Glück, die einzige Freude, den einzigen Trost bereitet, welchen es mir erlaubt ist noch zu hoffen.«
Die beiden Freunde umarmten sich wie Kinder und weinten wie Frauen.
Am nächstfolgenden Tag reiste der Fürst Caramanico nach London ab und die kleine Luisa Molina bezog mit ihrer Wärterin das Haus des Palmbaumes.
Zweites Capitel.
Luisa Molina
Am Morgen des Tages, wo die kleine Luisa Molina die Stadt Portici verlassen sollte, sah man den Chevalier San Felice, welcher diese Mission keinem anderen Menschen anvertrauen wollte als sich selbst, die Runde durch die Spielwaarenläden der Toledostrafe machen und weiße Schafe, alleinlaufende Puppen und bewegliche Gliedermänner einkaufen, so daß Jeder, der die Nutzlosigkeit dieser Gegenstände für den würdigen Gelehrten kannte, glauben konnte, derselbe sei von irgend einem fremden Fürsten beauftragt, für dessen Kinder eine Sammlung von neapolitanischen Spielsachen in ihrer vollständigsten Ausdehnung zu besorgen.
Wer dies aber geglaubt hätte, würde doch nicht das Richtige getroffen haben, denn alle