Oblomow. Иван Гончаров

Oblomow - Иван Гончаров


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sprechen. . . .

      – Der für Dich so viel gethan hat, – entgegnete Tarantjew zornig. – Wartʼ nur, er wird noch mehr für Dich thun, – höre nur auf ihn!

      – Warum sagst Du mir das?

      – Wenn Dich Dein Deutscher ausgeraubt haben wird, dann wirst Du wissen, ob man einen Russen, einen Landsmann, durch irgendeinen Landstreicher ersetzt . .

      – Hörʼ einmal, Michej Andreitsch . . . – begann Oblomow.

      – Ich habe schon genug gehört, ich habe schon genug Kränkungen von Dir erduldet! Gott sieht, wie oft Du mich beleidigt hast . . . Sein Vater hat in Sachsen wohl nicht einmal Brot genug gehabt, und ist dann hergekommen, um hier seine Nase zu rümpfen.

      – Warum läßt Du die Todten nicht in Ruh? Was hat der Vater verschuldet?

      – Sie haben beide Schuld, der Vater und der Sohn, – sagte Tarantjew düster. – Mein Vater hat mir nicht ohne Grund gerathen, diesen Deutschen aus dem Wege zu gehen, und er hat doch genug Menschen in seinem Leben gesehen!

      – Warum gefällt Dir z.B. der Vater nicht? – fragte Ilja Iljitsch.

      – Weil er ohne Mantel und Galoschen in unser Gouvernement gekommen ist und dann dem Sohne auf einmal so viel vermacht hat; was heißt das?

      – Er hat dem Sohne nur vierzig Tausend zurückgelassen. Das hat er zum Theile als Mitgift von seiner Frau erhalten und das andere hat er sich dadurch erworben, daß er die Kinder unterrichtet und das Gut verwaltet hat; er hat einen hohen Gehalt bezogen . . Du siehst, daß der Vater ganz unschuldig ist. Was hat denn jetzt der Sohn verbrochen?

      – Das ist ein lieber Bursch! Er hat aus den vierzig Tausend des Vaters plötzlich ein Capital von dreihundert Tausend gewonnen, hat im Amt den Hofrathstitel erreicht und ist außerdem gelehrt . . . Jetzt reist er noch dazu herum! Er muß überall mit dabei sein! Wird denn ein echter, guter Russe das alles thun? Ein Russe wird sich irgendetwas auswählen und wird dabei langsam, bedächtig und allmählich vorgehen, nicht so wie dieser da! Wenn er noch bei der Accise wäre, dann wäre es ja begreiflich, wovon er reich geworden ist; er hat aber auch das nicht gemacht, es ist alles so gekommen, als hätte es der Wind hereingeblasen! Das ist nicht ganz richtig zugegangen! Ich würde solche Leute dem Gerichte übergeben! Und jetzt treibt er sich Gott weiß wo herum! – fuhr Tarantjew fort. – Warum reist er in fremden Ländern herum?

      – Er will lernen, alles sehen und wissen.

      – Lernen! Hat er denn noch zu wenig gelernt? Was will er denn lernen? Er lügt, glaube ihm nicht; er betrügt Dich vor Deinen Augen, wie Dein Dorfschulze. Was er da glauben machen will? Wird denn ein Hofrath lernen! Du hast in der Schule gelernt, lernst Du aber jetzt? Lernt denn er? (Er zeigte auf Alexejew.) Oder sein Verwandter? Welche anständigen Leute lernen denn? Sitzt er denn dort in einer deutschen Schule und lernt seine Aufgaben? Er lügt! Ich habe gehört, er ist hingefahren, sich eine Maschine anzuschauen und zu bestellen. Das wird wohl ein Schraubenstock für russisches Geld sein! Ich würde ihn ins Gefängnis stecken . . . Er hat auch mit Actien zu thun . . . O, diese Actien sind nichts als Schwindel!

      Oblomow lachte auf.

      – Was grinst Du? Habe ich denn nicht recht? – sagt Tarantjew.

      – Lassen wir das! – unterbrach ihn Ilja Iljitsch. – Gehʼ in Gottes Namen, wohin Du wolltest und ich werde mit Iwan Alexeitsch alle diese Briefe aufschreiben und werde versuchen, meinen Plan rasch aufzuzeichnen. Das geht dann auf einen Schlag . .

      Tarantjew gieng ins Vorzimmer, kam aber plötzlich zurück.

      – Ich habe ganz vergessen! Ich bin heute früh mit der Absicht fortgegangen, Dich um etwas zu bitten, – begann er schon gar nicht mehr grob. – Man hat mich für morgen zu einer Hochzeit eingeladen. Rokotow heiratet. Laß mich Deinen Frack anziehen, Landsmann; der meinige ist ein wenig schäbig . . .

      – Aber das geht ja nicht! – sagte Oblomow, bei dieser neuen Forderung die Brauen furchend, – mein Frack paßt Dir ja nicht . . .

      – Er paßt mir; wieso sollte er mir nicht passen! unterbrach ihn Tarantjew. – Erinnerst Du Dich, ich habe Deinen Rock anprobiert; er war wie für mich genäht! Sachar! Sachar! Komm ʼmal her, altes Rindvieh!

      Sachar brummte wie ein Bär, kam aber nicht.

      – Rufe ihn, Ilja Iljitsch. Schau, wie er ist! – klagte Tarantjew.

      – Sachar! – rief Oblomow.

      – O, daß euch alle . . – ertönte es im Vorzimmer zugleich mit dem Sprung von der Ofenbank.

      – Nun, was wollen Sie? – fragte er, sich an Tarantjew wendend.

      – Gib meinen schwarzen Frack her! – befahl Ilja Iljitsch, – Michej Andreitsch wird schauen, ob er ihm paßt; er muß morgen zu einer Hochzeit gehen . . .

      – Ich gebe den Frack nicht her, – sagte Sachar mit Bestimmtheit.

      – Wie wagst Du es, wenn Dein Herr Dir befiehlt? – schrie Tarantjew. – Warum steckst Du ihn nicht in den Narrenthurm, Ilja Iljitsch?

      – Das fehlte noch, den alten Mann in den Narrenthurm zu stecken! Sachar, gib den Frack her, sei nicht eigensinnig!

      – Ich gebe ihn nicht her! – sagte Sachar kühl, – er soll uns zuerst unsere Weste und unser Hemd zurückgeben, die sind jetzt schon fünf Monate dort auf Besuch. Er hat es ebenso wie jetzt zu einem Namenstag genommen, und wir haben die Sachen nicht wieder gesehen. Ich gebe den Frack nicht her!

      – Nun Adieu! Zum Teufel mit euch! – schloß Tarantjew zornig und wandte sich zur Thür, indem er Sachar mit der Faust drohte. – Vergiß also nicht, Ilja Iljitsch, ich miete für Dich die Wohnung, hörst Du? – fügte er hinzu.

      – Nun gut, gut! – sagte Oblomow ungeduldig, um ihn nur los zu werden.

      – Schreibe unterdessen alles so, wie es sich gehört, – sprach Tarantjew weiter, – und unterlasse es nicht, dem Gouverneur mitzutheilen, daß Du zwölf Kinder hast, »eines kleiner als das andere.« Und um fünf Uhr soll die Suppe auf dem Tisch sein! Warum hast Du keine Piroge bestellt?

      Doch Oblomow schwieg; er hörte ihm schon längst nicht mehr zu und dachte mit geschlossenen Augen an etwas anderes.

      Als Tarantjew fort war, herrschte im Zimmer zehn Minuten lang eine absolute Stille. Oblomow war durch den Brief des Dorfschulzen und die bevorstehende Übersiedlung verstimmt und außerdem durch Tarantjews Schwadronieren ermüdet. Endlich seufzte er auf.

      – Warum schreiben Sie denn nicht? – fragte Alexejew leise, – ich würde Ihnen die Feder beschneiden.

      – Beschneiden Sie sie und gehen Sie dann in Gottes Namen irgendwohin! sagte Oblomow. – Ich werde damit selbst fertig werden und Sie werden es am Nachmittag abschreiben.

      – Aber gewiß, – antwortete Alexejew. – Ich könnte Sie sonst noch wirklich irgendwie stören . . . Und ich werde unterdessen die Botschaft bringen, man möchte auf uns nicht warten, um nach Jekaterinhof zu fahren. Adieu, Ilja Iljitsch!

      Doch Ilja Iljitsch hörte nichts; er hatte die Beine hinauf gezogen, lag jetzt beinahe im Sessel und versank mit trauriger Miene halb in Schlummer und halb in seine Gedanken.

      V

      Oblomow, Edelmann von Geburt, Collegiensecretär von Rang, lebt seit zwölf Jahren beständig in Petersburg.

      Früher, als seine Eltern noch am Leben waren, hatte er weniger Räume, nahm nur zwei Zimmer ein und begnügte sich mit dem einen Diener Sachar, den er sich aus dem Gut mitgebracht hatte. Doch nach dem Tode des Vaters und der Mutter war er der einzige Besitzer von dreihundertfünfzig Seelen, die er in einem der entlegensten Gouvernements, beinahe in Asien, geerbt hatte. Er bekam jetzt statt fünf, sieben bis zehn Tausend Rubel Jahresrente, und sein Leben spielte sich von nun an in einem andern, größeren Rahmen ab. Er mietete sich eine größere Wohnung, fügte zu seinem Dienstbotenetat einen Koch hinzu und hielt sogar eine Zeitlang ein Paar Pferde. Damals war er noch jung und wenn man auch nicht behaupten kann, daß er lebhaft war, war er doch wenigstens lebhafter als jetzt;


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