Der Wohlstand der Nationen. Adam Smith

Der Wohlstand der Nationen - Adam Smith


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Ihr großer Besitz in französischen und englischen Staatspapieren – von den letzteren haben sie etwa vierzig Millionen, wie es heißt – wobei ich jedoch eine starke Übertreibung vermute, die großen Summen, welche sie in Ländern, wo der Zinsfuß höher als in dem ihrigen steht, an Privatpersonen ausleihen, sind Umstände, welche ohne Zweifel Überfluss an Kapital beweisen, indem dieses größer geworden ist, als dass sie es mit erträglichem Gewinn in den Geschäften ihres eigenen Landes anlegen könnten; aber sie beweisen nicht, dass diese Geschäfte abgenommen haben. Wie das Kapital eines Privatmannes, das bei einem Geschäfte gewonnen worden ist, für das Geschäft zu groß werden und das Geschäft sich doch vergrößern kann, so auch das Kapital einer großen Nation.

      In unseren nordamerikanischen und westindischen Kolonien ist nicht nur der Arbeitslohn, sondern auch der Geldzins, und folglich der Kapitalgewinn höher als in England. Sowohl der gesetzliche als der marktgängige Zinsfuß schwankt in den verschiedenen Kolonien zwischen sechs und acht Prozent. Hoher Arbeitslohn und hoher Kapitalgewinn sind indessen vielleicht Dinge, die sich selten zusammenfinden, außer unter den ganz besonderen Umständen in neuen Kolonien. Eine neue Kolonie muss immer eine Zeit lang im Verhältnis zu ihrer Gebietsausdehnung kapitalärmer und im Verhältnis zum Umfang ihrer Kapitalien dünner bevölkert sein als andere Länder. Man hat mehr Land, als Kapital vorhanden ist, es anzubauen. Was man hat, wird deshalb nur auf die Kultur des fruchtbarsten und günstigst gelegenen Landes, des Landes an der Seeküste und an den Ufern schiffbarer Flüsse, verwendet. Auch solches Land wird oft zu einem Preise verkauft, der selbst unter dem Werte seiner wildwachsenden Produkte steht. Das zum Kaufe und zur Verbesserung solchen Landes angewandte Kapital muss einen sehr reichen Gewinn abwerfen und dadurch ermöglichen, sehr hohe Zinsen zu zahlen. Seine rasche Anhäufung bei so gewinnreichen Anlagen macht es dem Pflanzer möglich, die Zahl der arbeitenden Hände rascher zu vermehren, als sie in einer neuen Niederlassung aufzutreiben sind. Deshalb werden die vorhandenen Arbeitskräfte sehr reichlich bezahlt. Wächst die Kolonie, so werden die Kapitalgewinne stufenweise geringer. Wenn die fruchtbarsten und bestgelegenen Ländereien alle in Besitz genommen sind, so lässt sich aus der Kultur der an Boden und Lage minder begünstigten nur ein geringerer Gewinn ziehen, und für das in ihnen angelegte Kapital kann nur geringerer Zins gezahlt werden. In den meisten unserer Kolonien ist deshalb der gesetzliche wie der marktgängige Zinsfuß während des gegenwärtigen Jahrhunderts viel niedriger geworden. Je mehr der Reichtum, die Kultur und die Bevölkerung zunahmen, desto mehr fiel der Zins. Der Arbeitslohn aber sinkt nicht mit dem Kapitalgewinn. Die Nachfrage nach Arbeit wächst mit der Vermehrung des Kapitals, welchen Gewinn dasselbe auch erzielen mag; und obgleich der letztere sinkt, kann das Kapital dennoch nicht nur ohne Unterbrechung, sondern sogar noch schneller zunehmen als vorher. Es ist mit fleißigen Völkern, die in der Erwerbung von Reichtümern fortschreiten, wie mit fleißigen Einzelwesen; ein großes Kapital mit geringen Gewinnen wächst in der Regel schneller als ein kleines Kapital mit großen Gewinnen. Geld, sagt das Sprichwort, macht Geld. Hat man erst etwas gewonnen, so ist es oft leicht, mehr zu gewinnen. Die große Schwierigkeit besteht darin, etwas zu gewinnen. Der Zusammenhang zwischen der Zunahme des Kapitals und der der Gewerbstätigkeit oder der Nachfrage nach nützlicher Arbeit ist zum Teil bereits erklärt worden, soll aber später bei der Besprechung der Kapitalanhäufung noch ausführlicher behandelt werden.

      Die Erwerbung eines neuen Gebietes, oder das Aufkommen neuer Geschäftszweige kann zuweilen den Kapitalgewinn und mit ihm den Geldzins selbst in einem Lande, welches im Erwerb von Reichtümern rasch fortschreitet, in die Höhe treiben. Da das Kapital des Landes dann für die hinzutretende Beschäftigung, die sich durch solchen Erwerb den verschiedensten Personen darbietet, nicht mehr hinreicht, so wird es nur in denjenigen Geschäftszweigen angelegt, die den größten Gewinn bringen. Ein Teil des Kapitals, das früher in anderen Gewerben angelegt war, wird diesen notwendig entzogen, um den neuen und gewinnreicheren zugewendet zu werden. In all jenen alten Gewerben wird mithin der Wettbewerb geringer und der Markt wird mit vielen Sorten von Gütern weniger vollständig versorgt. Ihr Preis steigt notwendig mehr oder weniger, und liefert denen, die damit handeln, einen größeren Gewinn, so dass sie auch zu höheren Zinsen borgen können. Nach Beendigung des letzten Krieges borgten nicht nur Privatleute mit bestem Kredit, sondern auch einige der größten Handelsgesellschaften in London gewöhnlich zu fünf Prozent, während sie früher nicht mehr als vier oder vier und ein halb vom Hundert zu geben pflegten. Es erklärt sich dies hinlänglich aus dem durch unsere Erwerbungen in Nordamerika und Westindien entstandenen großen Zuwachs von Gebiet und Handel, ohne dass man eine Verringerung des Gesellschaftskapitals anzunehmen braucht. Ein so starker Zuwachs neuer Geschäfte, die mit dem alten Kapital betrieben wurden, musste notwendig die in vielen Geschäftszweigen, in denen die Konkurrenz geringer und der Gewinn größer geworden war, angelegte Kapitalmenge vermindern. Ich werde später Gelegenheit haben, die Gründe anzugeben, die mich zu dem Glauben bestimmen, dass der Kapitalvorrat Großbritanniens sogar durch die enormen Ausgaben des letzten Krieges nicht verringert worden ist.

      Wie jedoch die Verringerung des Kapitalvorrats der Gesellschaft, oder der zur Erhaltung der Gewerbtätigkeit bestimmten Fonds den Arbeitslohn ermäßigt, so steigert sie den Kapitalgewinn und dadurch den Geldzins. Infolge der Ermäßigung des Arbeitslohns können die Eigentümer der in der Gesellschaft verbliebenen Kapitalien ihre Waren mit geringeren Kosten als früher auf den Markt bringen, und da zugleich weniger Kapital auf die Versorgung des Marktes verwendet wird als zuvor, so können sie sie teurer verkaufen. Ihre Waren kosten sie weniger, und sie erhalten mehr dafür. Da ihr Gewinn sich auf beiden Seiten vermehrt, kann er auch hohe Zinsen zahlen. Die in Bengalen und den übrigen britischen Niederlassungen in Ostindien so schnell und leicht erworbenen großen Reichtümer können uns davon überzeugen, dass in diesen zugrunde gerichteten Ländern der Arbeitslohn ebenso niedrig ist, wie der Kapitalgewinn hoch. Der Geldzins ist es verhältnismäßig ebenso. In Bengalen leihen die Pächter oft zu vierzig, fünfzig und sechzig Prozent Geld, und für die Rückzahlung wird die Ernte des nächsten Jahres verpfändet. Wie die Gewinne, die einen solchen Zins abwerfen können, fast die ganze Rente des Grundbesitzers aufzehren müssen, so muss auch ein so unmäßiger Wucher den größten Teil jener Gewinne verschlingen. Vor dem Untergange der römischen Republik scheint ein wucherischer Zins derselben Art in den Provinzen unter der verderblichen Verwaltung ihrer Prokonsuln etwas Gewöhnliches gewesen zu sein. Der tugendhafte Brutus verlieh, wie wir aus Ciceros Briefen erfahren, in Cypern Geld zu achtundvierzig Prozent.

      In einem Lande, das den vollen Reichtum erworben hat, den es vermöge der Natur seines Bodens und Klimas und vermöge seiner Lage gegen andere Länder erwerben kann, das also nicht weiter fortschreitet, aber auch keine Rückschritte macht, würde wahrscheinlich sowohl der Arbeitslohn wie der Kapitalgewinn sehr niedrig sein. In einem im Verhältnis zu seinem Gebiet und seinen Kapitalien sehr dicht bevölkerten Lande wird die Konkurrenz um Arbeit notwendiger Weise so groß sein, um den Arbeitslohn auf das Niveau zu drücken, wo er gerade noch hinreicht, die bisherige Anzahl von Arbeitern zu erhalten; und diese Anzahl kann, da das Land schon vollkommen bevölkert ist, sich nicht weiter vermehren. In einem im Verhältnis zu all seinen Geschäften vollkommen mit Kapital versehenen Lande wird gerade so viel Kapital in jedem Gewerbszweige angelegt werden als seine Natur und Ausdehnung zulässt, und es wird der Wettbewerb so groß und folglich der Gewinn so niedrig wie möglich sein.

      Doch ist vielleicht bis jetzt noch kein Land zu diesem Grade der Wohlhabenheit gelangt. China scheint lange auf ein und demselben Punkte stehen geblieben zu sein, und hatte wahrscheinlich schon längst das volle Maß des Reichtums erreicht, das sich mit der Natur seiner Gesetze und Einrichtungen verträgt. Allein dieses Maß dürfte weit geringer sein als es die Natur seines Bodens, seines Klimas und seiner Lage unter anderen Gesetzen und Einrichtungen wohl zuließe. Wenn ein Land den auswärtigen Handel vernachlässigt oder verschmäht, und die Schiffe fremder Nationen nur in einen oder zwei seiner Häfen einlaufen lässt, so kann es nicht ebenso viele Geschäfte machen, als es unter anderen Gesetzen und Einrichtungen machen könnte. In einem Lande ferner, in dem zwar die Reichen oder Eigentümer großer Kapitalien große Sicherheit genießen, die Armen aber oder die Eigentümer kleiner Kapitalien fast gar keine, vielmehr jederzeit unter Vorwänden der Rechtspflege den Plünderungen und Räubereien der niederen Mandarinen ausgesetzt sind, kann die in den verschiedenen Geschäftszweigen angelegte Kapitalmenge niemals so groß sein als die Natur und Ausdehnung der Geschäfte es erlaubt. In jedem Geschäft muss die Unterdrückung des Armen das Monopol des Reichen


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