Abenteuer und Drangsale eines Schauspielers. Александр Дюма

Abenteuer und Drangsale eines Schauspielers - Александр Дюма


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dein Augenblick, wo er, an den Mauern hinschleichend, die Thüre erreichte, öffnete sich diese, und der Vater erschien, den Carabiner auf der Schulter, die Pistolen im Gürtel, den Säbel an der Seite und die Marsellaise trällernd.

      Der junge Mann blieb verdutzt und gleichsam an die Wand geklebt stehen.

      Nachdem er zwei Schritte gemacht, erblickte ihn der Vater, er zog seinen Säbel und schrie:

      »Ha! Schuft, Du bist da!«

      Der Knabe stürzte in den Gang, doch der Vater stürzte ihm nach.

      Auf der ersten Stufe der Treppe holte er ihn ein, und er schlug auf ihn mit dem flachen Säbel.

      Er geleitete ihn so immer schlagend bis zum dritten Stocke.

      Es war nicht möglich, weiter zu gehen: hier endigte die Treppe.

      Der arme Geschlagene sah sich genöthigt, anzuhalten und sich seiner Strafe zu unterziehen.

      Sie war lang und streng

      Am andern Tage, Morgens um acht Uhr, kam Etienne bleich und ganz gerädert von Schlagen bei Herrn Odelli an.

      Herr Odelli brauchte keinen Blick auf ihn zu werfen, um zu begreifen, was vorgefallen.

      »Ah!« sagte er, »es scheint, es ist vorbei!«

      »Ja, mein Herr,« antwortete mit kläglichem Tone der Schüler.

      Es war von nichts mehr die Rede.

      Ein ganzes Jahr lang blieb der junge Mensch noch die Sculptur studirend bei Herrn Odelli; er schwänzte aber immer wieder die Schule den Theatern, den Kunstreitern und den Seiltänzern zu Liebe.

      Was ihm eine so unberechenbare Anzahl Prügel von seinem Vater eintrug, daß er, um welchen Preis es auch sein möchte, in der Hauptstadt Kunst zu treiben beschloß.

      Haben die Menschen ihren Platz in der Zukunft bezeichnet, so ist immer eine Vorsehung da, welche im gegebenen Augenblick einen Menschennamen entlehnt, den Auserwählten bei der Hand nimmt und führt, wohin er gehen will.

      Die Vorsehung des jungen Mannes nahm den Namen Herr Lair an.

      Herr Pierre Aimé Lair war Präfecturrath. Er war einer von den Männern, welche so kostbar für die Provinzstädte zweiten Ranges, weil sie sich an die Spitze des Fortschrittes stellen und allen Verbesserungen die Hand bieten.

      Sagen wir, was in physischer und moralischer Hinsicht Herr Pierre Aimé Lair war, den die Stadt Caen vor zwei Jahren zu verlieren das Unglück gehabt hat.

      In physischer Hinsicht war er ein Mann von mittlerem Wachse, braun, mager, blatternarbig, immer sehr gut rasirt, was den unteren Theil seines Gesichtes kobaltblau machte, seine Tracht war die eines zurückgebliebenen Provinzbewohners, wodurch indessen seiner großen natürlichen Distinction durchaus kein Abbruch geschah: er trug gewöhnlich einen blauen Rock, eine weiße Weste, Nankinbeinkleider im Sommer, eine Tuchhose im Winters er zog selten Stiefel an, und wenn er keine hatte, so trug er, von welcher Farbe auch seine Beinkleider sein mochten, unabänderlich blaue Strümpfe.

      In moralischer Hinsicht war er ein Mann von so vollkommener Freundlichkeit und Höflichkeit, daß er in seinen Manieren etwas vom Prälaten hatte. Diese außerordentliche Einigkeit diente bei ihm als Hülle für eine mächtige Energie.

      Eines Tags, als er bekleidet mit dem königsblauen und hellblau gestickten Fracke eines Präfecturrathes, mit seinen Nankinhosen, seinen blauen Strümpfe, das Kinn frisch rasirt und umrahmt von einer weißen Halsbinde, der Ziehung der Conscription beiwohnte, zog ein armer normannischer junger Mensch die Nummer 1. Der junge Mann hatte keinen Befreiungsgrund und es war also sehr wahrscheinlich, daß er abgehen mußte; seine Mutter, die sich in einem Winkel vom Saale des Rathhauses befand, erhob auch ein gewaltiges Geschrei.

      Dieses Geschrei berührte unangenehm das Trommelfell des bei der Ziehung anwesenden Generals.

      »Laßt die Schreierin abtreten!« rief er mit lauter Stimme.

      Eine solche Brutalität empörte Herrn Lair, und er sagte mit seinem sanftesten, artigsten Tone:

      »Ah! General, ehren Sie den Schmerz einer Mutter.«

      Ein Gemurmel des Beifalls folgte auf die Worte von Herrn Lair mit der eisigen Stille contrastirend, welche auf die des Generals gefolgt war.

      Die von Seiten von Herrn Lair höfiche Lection war streng von Seiten des Publicums geworden.

      Der General, der sich nicht an das Publikum halten konnte, hielt sich an Herrn Lair.

      Er warf seinen Kopf an die Lehne seines Stuhles zurück, um mit seinem hinter ihm sitzenden Adjutanten sprechen zu können, und fragte ihn, laut genug, um von allen denen, welche ihn umgaben, und folglich auch von Herrn Lair selbst gehört zu werden:

      »Sagen Sie doch, mein Lieber, wissen Sie den Namen von diesem Herrn mit seinem blauen Kinn, seinem blauen, blau gestickten Rocke und seinen blauen Strümpfen?«

      Der Adjutant lachte auf eine sehr angenehme Weise über diesen Witz seines Generals.

      Herr Lair veränderte sein Gesicht nicht im Mindesten. Jedermann wandte sich gegen ihn um: er allein schien nicht gehört zu haben.

      Nur, als die Ziehung vorüber war, näherte er sich dem General und sagte zu ihm mit der Höflichkeit, von der er, selbst wenn er gewollt hätte, nicht abzulassen im Stande gewesen wäre:

      »Mein Herr, Sie wünschten, wie es schien, meinen Namen zu wissen, da Sie Ihren Herrn Adjutanten gefragt haben, der Ihnen denselben nicht nennen konnte. Ich will dies thun: ich heiße Pierre Aimé Lair.«

      »Sehr erfreut,« erwiederte der General.

      »Was nun die Revue betrifft, die Sie meine Person und meine Tracht passiren zu lassen mir die Ehre erwiesen, so ist sie vollkommen genau, jedoch Eines ausgenommen.«

      »Was, mein Herr?«

      »Ei! den Degen, den ich an der Seite trage, und dessen Spitze ich Sie fühlen zu lassen hoffe, wo und wann es Ihnen beliebt, General, damit Sie denselben ein andermal nicht vergessen.«

      So leise sie auch gesagt war, die Herausforderung wurde gehört; man legte sich ins Mittel. Es war ein Zu schlechtes Beispiel, einen General und einen Präfecturrath sich schlagen zu sehen. Das Duell fand nicht statt.

      Zehn Jahre später, in einem Alter von fünfzig Jahren, hatte Herr Lair die Idee, eine Reise durch Frankreich zu machen. Er war eines der ausgezeichnetsten Mitglieder der Gesellschaft der Alterthumsfreunde der Normandie, und die Reise, die er unternahm, hatte besonders archäologische Studien zum Zwecke. An einem schönen Morgen ging er zu Fuß ab, er macht seinen Stock mit dem goldenen Knopfe in der Hand sechs, acht bis zehn Meilen am Tage und reiste so ein Jahr oder achtzehn Monate.

      Zum Glück für den Schüler von Herrn Odelli, war er aber im Jahre der Gnade 1826 nicht auf der Reise.

      Er besuchte oft die Zeichenschule, plauderte liebevoll mit den Zöglingen, besonders mit denjenigen welche Hoffnungen gaben, und unter diesem Titel war er mehrere Muse vor dem jungen Etienne stehen geblieben und hatte verschiedene Fragen über seine Hoffnungen und Wünsche an ihn gerichtet.

      Der junge Mensch hatte hingesagt, seine Hoffnungen und seine Wünsche vereinigen sich in einem Trachten: nach Paris gehen.

      Herr Lair vermuthete wohl, eines der Hindernisse der Reise sei der Mangel der für den jungen Reisenden nothwendigen Summe.

      Eines Tages sagte er zu ihm:

      »Vor Ihrem Abgang, mein Kind, wünschte ich einige von Ihren Studien zu kaufen.«

      Am andern Tage war er in der Rue des Carmes; er hatte den Augenblick erwählt, wo der Vater unfehlbar da sein mußte. Er sprach lange von den Anlagen des jungen Menschen, von der Nothwendigkeit, in er sich befinde, seine Studien bald in Paris zu verfolgen, kaufte einen Kopf von Seneka und einen Kopf von Cicero, und bezahlte zwanzig Franken für jeden, ferner einen Fuß und eine Hand von riesigen Formen, jedes Stück von ihm zu zehn Franken geschätzt.

      Der junge Mann hatte sechzig Franken Taschengeld.

      Vor einer Autorität wie die von Herrn Laie, der Paris rieth,


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