Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3. Александр Дюма
erzählen höre! Für ihn auch, er machte eine Gebärde mit der Hand, auf Leben und Tod!«
»Er wollte, daß ich ein Gewerbe lerne,« sagte Pitou.
»Und er hatte recht. So werden die guten Absichten vereitelt. Man hinterlegt tausend Franken, um einen Knaben ein Gewerbe lehren zu lassen, und statt ihn ein Gewerbe zu lehren, bringt man ihn zu einem Pfaffen, der einen Seminaristen aus ihm machen will. Und wie viel bezahlte sie deinem Abbé Fortier?«
»Wer?«
»Deine Tante.«
»Sie bezahlte ihm nichts.«
»Also steckte sie die zweihundert Livres des guten Herrn Gilbert ein?«
»Wahrscheinlich.«
»Höre, soll ich dir einen guten Rat geben, Pitou, so rate ich dir, wenn deine alte bigotte Tante abfährt, überall wohl nachzuschauen, in den Schränken, in den Strohsäcken, in den Gurkenhäfen.«
»Warum?« fragte Pitou.
»Siehst du, weil du in einem wollenen Strumpf einen Schatz finden wirst. Ei! gewiß, denn sie wird keine Börse gefunden haben, die groß genug gewesen wäre, um ihre Ersparnisse darin unterzubringen.«
»Sie glauben?«
»Ich bin fest davon überzeugt. Doch wir werden zu geeigneter Zeit hievon sprechen . . . Hast du das Buch von Doktor Gilbert?«
»Ich habe es hier in meiner Tasche.«
»Mein Vater,« sagte Katharine, »haben Sie wohl überlegt?«
»Es bedarf keiner Ueberlegung, um gute Dinge zu thun, mein Kind,« erwiderte der Pächter; »der Doktor hat mir gesagt, ich soll das Buch lesen lassen, die Grundsätze, die es enthält, verbreiten; das Buch wird gelesen, und die Grundsätze werden verbreitet werden.«
»Und,« fragte Katharine schüchtern, »wir können in die Messe gehen, meine Mutter und ich?«
»Geht in die Messe,« antwortete Billot; »ihr seid Weiber, wir sind Männer, das ist etwas anderes; komm, Pitou.«
Pitou grüßte Frau Billot, und Katharine und folgte dem Pächter, ganz stolz darauf, daß man ihn einen Mann nannte.
VII.
Worin nachgewiesen ist, daß lange Beine, wenn sie auch ein wenig beim Tanzen beschwerlich werden, doch sehr nützlich beim Laufen sind
Es war zahlreiche Versammlung in der Scheune. Billot stand, wie gesagt, in großer Achtung bei seinen Leuten, in Betracht, daß er sie oft schalt, aber sehr gut nährte und sehr gut bezahlte.
Es hatte sich auch jeder beeifert, seiner Einladung Folge zu leisten.
Ueberdies war zu jener Zeit unter dem Volke das seltsame Fieber im Umlauf, das die Nationen erfaßt, wenn sie zur Arbeit zu schreiten im Begriffe sind. Sonderbare, neue, beinahe unbekannte Worte kamen aus dem Munde vieler Leute, die sie nie ausgesprochen hatten. Das waren die Worte Freiheit, Unabhängigkeit, Emanzipation, und seltsamerweise hörte man nicht nur unter dem Volke solche Worte aussprechen; nein, diese Worte waren vom Adel zuerst ausgesprochen worden, und die Stimme, die ihnen antwortete, war nur ein Echo.
Vom Westen war das Licht gekommen, das leuchten sollte, bis es brennen würde. In Amerika hatte sich die Sonne erhoben, die ihren Lauf vollbringend, aus Frankreich einen weiten Brand machen sollte, bei dessen Schein die erschrockenen Nationen das Wort »Republik«, mit blutigen Buchstaben geschrieben, lesen würden.
Diese Versammlungen, in denen man sich mit politischen Angelegenheiten beschäftigte, waren auch minder selten, als man glauben dürfte. Männer, von denen man nicht wußte, woher sie gekommen, Apostel eines unsichtbaren Gottes und beinahe unbekannt, liefen in den Städten und auf dem Lande umher und streuten überall Freiheitsworte aus. Bis dahin blind, fing die Regierung an, die Augen zu öffnen. Diejenigen, welche an der Spitze der großen Maschine standen, die man die öffentliche Sache nennt, fühlten gewisse Räder lahm werden, ohne daß sie begreifen konnten, woher das Hindernis kam. Die Opposition war überall in den Geistern, wenn sie noch nicht in den Armen und in den Händen war, unsichtbar, aber gegenwärtig, untastbar, aber bedrohlich und zuweilen um so bedrohlicher, als sie ungreifbar war und man sie erriet, ohne sie erdrücken zu können.
Zwanzig bis fünfundzwanzig Bauern, alle von Billot abhängig, waren in der Scheune versammelt.
Billot trat, gefolgt von Pitou, ein. Alle Häupter neigten sich, alle Hüte bewegten sich. Man begriff, daß alle diese Menschen bereit waren, sich auf einen Befehl des Herrn töten zu lassen.
Der Pächter erklärte den Bauern, die Broschüre, die Pitou ihnen vorlesen werde, sei das Werk des Doktors Gilbert. Der Doktor Gilbert war sehr bekannt im ganzen Kanton, wo er mehrere Güter hatte, unter denen die Pachtung von Billot das bedeutendste war.
Ein Faß stand für den Leser bereit. Pitou bestieg diese improvisierte Tribüne und begann seine Vorlesung.
Es ist zu bekannt, daß diese Leute aus dem Volk mit um so größerer Aufmerksamkeit zuhören, je weniger sie begreifen. Offenbar entging der allgemeine Sinn der Broschüre den klarsten Geistern der bäuerischen Versammlung und Billot selbst. Doch mitten aus dieser dunkeln Phraseologie zuckten, wie die Blitze an einem dunkeln, mit Elektrizität beladenen Himmel, die leuchtenden Worte: Unabhängigkeit, Freiheit und Gleichheit hervor. Mehr brauchte es nicht; der Beifallssturm brach los; von allen Seiten erscholl der Ruf: Es lebe der Doktor Gilbert! Ungefähr das drittel der Broschüre war gelesen worden; man beschloß, sie an drei Sonntagen zu lesen.
Die Zuhörer wurden eingeladen, sich am darauf folgenden Sonntag zu versammeln, und jeder versprach, zu erscheinen.
Pitou hatte sehr gut gelesen. Nichts ermuntert so sehr, wie der günstige Erfolg. Der Vorleser nahm seinen Teil von dem dem Werke gespendeten Beifall, und Billot, der selbst diesem gegenseitigen Einfluß unterlag, fühlte in seinem Innern eine gewisse Achtung für den Zögling des Abbés Fortier entstehen. In körperlicher Hinsicht schon übermäßig groß, war Pitou moralisch um zehn Ellen gewachsen.
Ein einziges fehlte ihm: Mademoiselle Katharine hatte seinem Triumphe nicht beigewohnt.
Doch entzückt über die Wirkung, welche die Broschüre des Doktors hervorgebracht, beeilte sich der Vater Billot diesen günstigen Erfolg seiner Frau und seiner Tochter mitzuteilen. Frau Billot antwortete nichts, das war ein kurzsichtiges Weib, Katharine aber lächelte traurig.
»Nun! was hast du wieder?« fragte der Pächter.
»Mein Vater! mein Vater!« rief Katharine, »ich befürchte, Sie gefährden sich.«
»Ah! willst du nicht den Unglücksvogel machen? Ich bemerke dir, daß mir die Lerche lieber ist, als die Nachteule.«
»Mein Vater, man hat mir schon gesagt, ich möge Sie warnen, denn Sie werden beobachtet.«
»Und wer hat dir das gesagt?«
»Ein Freund.«
»Ein Freund? Jeder Rat verdient Dank. Du wirst mir den Namen dieses Freundes nennen. Wer ist es, sprich?«
»Ein Mann, der gut unterrichtet sein muß.«
»Wer denn?«
»Herr Isidor von Charny.«
»In was mischt er sich, dieser Stutzer? warum giebt er mir Ratschläge über meine Denkungsart? Gebe ich ihm einen Rat über die Art, wie er sich kleidet? Mir scheint, es wäre doch ebensoviel auf der einen wie auf der andern Seite zu sagen.«
»Mein Vater, ich sage Ihnen das nicht, um Sie zu ärgern. Der Rat ist in guter Absicht gegeben worden.«
»Wohl! ich werde denselben durch einen andern erwidern, und du kannst ihn in meinem Auftrag ausrichten.
»Sprechen Sie!«
»Er und seine Standesgenossen mögen auf sich acht geben; man schüttelt sie ganz sonderbar in der Nationalversammlung, die Herren Adeligen, und mehr als einmal ist von den Günstlingen und Günstlinginnen die Rede gewesen. Das mag sich sein Bruder, Herr Olivier von Charny merken, der dort ist und gar nicht schlecht mit der Österreicherin stehen soll.«
»Mein