Der Arzt auf Java. Александр Дюма
Doctors war er leichenblaß geworden; seine irren Augen sahen nichts mehr; seine Zunge stammelte; es schien, als ob das fürchterliche Delirium, welches den ersten Abschnitt seiner Krankheit bildete, zurückkehren wollte.
»Der Doctor Basilius,« sagte er, »ja, ich erinnere mich! – Der malayische Dolch, der Vertrag, die drei Leichen, die Friesin, die Negerin, das gelbe Weib mit den entsetzlichen Augen, mit den Augen, die in das Herz dringen, wie die Klinge eines Messers. – Ach, es war also wahr; ich habe das Alles nicht geträumt? Ich habe ihn gesehen, ich habe ihn gesehen! Zu mir Esther, zu mir; verlaß mich nicht, nicht eine Minute, hörst Du? Bleibe stets an meine Brust geschmiegt, an mein Herz gedrückt, sonst – sonst kommt der Mensch mit dem dämonischen Lachen und trennt uns!«
Und der Unglückliche ergriff seine Frau und zog sie so fest an seine Brust, wie in jener Nacht des Sturmes und der Todesqual, in welcher er sie zu verlieren gefürchtet hatte, und der Doctor sie ihm zurückgab.
Alle diese Bewegungen waren von unzusammenhängenden Worten begleitet. Esther fürchtete nicht nur das Delirium, sondern den Wahnsinn.
»Mein Freund, mein Freund,« sagte sie, indem sie ihm Gesicht und Hände mit Küssen bedeckte, »im Namen des Himmels, beruhige Dich!«
Statt sich aber zu beruhigen, zitterte er in ihren Armen, und die junge Frau sah voll Schrecken, wie seine Haare sich auf dem Kopfe sträubten, und kalter Schweiß ihm von der Stirn perlte.
»Nein,« sagte er, »nein, es gibt nur ein Mittel, um auszuweichen, und zwar, dies verfluchte Land zu verlassen, das ganz mit Geistern und Phantomen bevölkert ist, welche Dich mir rauben wollen, meine theure Innig geliebte! – Ach, laß uns fort, laß uns fort!«
Und mit einer gewaltigen Anstrengung sprang er aus dem Bette, riß Esther mit sich fort, und stürzte ohnmächtig mitten im Zimmer nieder.
Esther hielt ihn für todt, stieß lautes Geschrei aus und rief alle Aerzte herbei, welche Eusebius gepflegt hatten. Zum Glück kam keiner von ihnen, und nach Verlauf einer Viertelstunde öffnete Eusebius die Augen wieder.
Diese furchtbare Krisis war der Beginn seiner Genesung.
IX.
Abfahrtsversuche
Eusebius erwachte ein wenig ruhiger. Aber der Gedanke an die Abreise beherrschte alle übrigen. Esther war weit entfernt, gegen den Willen ihres Mannes zu kämpfen, sondern sagte, sie sei bereit, ihm an das Ende der Welt zu folgen, sobald er die Kraft hätte, die Reise zu ertragen, und diese Aussicht bewirkte bei Eusebius die wunderbare Genesung, zu deren Herbeiführung die Arzneikunst ohnmächtig gewesen war. Unter der Herrschaft des Gedankens, daß von der Herstellung seiner Gesundheit die schnellere oder minder schnelle Abreise abhängig sei, genas der Kranke in viel kürzerer Zeit, als man gehofft.hatte. Nach Verlauf von wenigen Tagen konnte Eusebius, der seit sechs Wochen zu Bett lag, gestützt auf den Arm seiner Frau, schon einen Gang außerhalb des Zimmers machen. Die Nahrungsmittel die er zu sich nahm, vermehrten dann allmälig seine Kräfte, und nach abermals einigen Tagen konnte er kurze Spazierfahrten wagen. Seitdem Tage der großen Krisis hatte er des Doctor Basilius nicht ein einziges Mal erwähnt, aber ebenso wenig auch einen Augenblick aufgehört, an ihn zu denken.
Eines Tages überraschte ihn Esther, wie er voll Entsetzen den malayischen Crid ansah, mit dem er sich hatte erstechen wollen. Wie kam die Waffe in diese neue Wohnung? Wer hatte sie hierher gebracht? Wer aus den Tisch gelegt, auf welchem der Genesende sie zum ersten Male erblickte? – Niemand vermochte das zu sagen. Eines besonders schien Esther auffallend, daß nämlich Eusebius bei dem Luxus, der ihn umgab, so einfach lebte, wie es nur irgend möglich war; daß er, der zehn Diener ungeachtet, sich, wo es irgend ging, selbst bediente; daß er, trotz des ausgesuchtesten Tisches, fortfuhr, auf seine frühere Weise zu leben, das heißt, nur die gewöhnlichsten Dinge zu essen und nichts als Wasser zu trinken. Dabei fuhr Eusebius fort, von seine Abreise, wie von einer nahe bevorstehenden Sache zusprechen. Da er aber ungeachtet dieser ersichtlichen Störung seines Gehirnes zärtlich und innige Esther blieb, und ihr nur eine solche Zuneigung gezeigt hatte, da Nichts ihn bestimmen konnte, nur wenige Augenblicke von ihr entfernt zu bleiben, gewöhnte die junge Frau sich an das, was sie als eine Monomanie betrachtete, und vergaß ihre Sorgen über dem, was sie als ihr Glück erkennen mußte.
Eines Tages jedoch verließ Eusebius seine Frau, indem er allein ausging, und zwei Stunden abwesend blieb. Als er zurückkehrte, erklärte er Esther, daß ihre Ueberfahrt an Bord des Dreimasters, der Ruyter, bedungen sei, der in 14 Tagen nach Rotterdam absegle.
Esther empfing diese Nachricht ohne Freude, wie ohne Trauer; es gefiel ihr überall gut, wenn sie an Eusebius Seite war. Nur sagte sie sich, daß ihr Mann vor ihrer Abreise nach Europa nothwendig die ziemlich verworrenen Angelegenheiten, welche die Erbschaft ihnen ließ, in Ordnung bringen müßte. Aber der Name des Doctor Basilius, der natürlich bei diesen Erklärungen nicht zu umgehen war, machte eine solche Wirkung auf ihren Mann, daß es der armen Frau schwer wurde, ihn neuerdings auszusprechen. Da indeß die Zeit zur Abfahrt heranrückte, war Esther, ermuthigt durch Herrn Maes, der ihre Meinung vollkommen theilte, fest entschlossen, die Frage nächster Tage zu berühren. Die Mühe wurde ihr erspart. Während der Nacht brach einer der fürchterlichsten Orkane, welche die Insel seit zehn Jahren heimgesucht hatten aus, warf sich über die Rhede Batavias, zertrümmerte die Masken und die Raaen der Fahrzeuge, die auf ihrem Ankerplatze aushielten, und schleuderte die übrigen an die Küste. Der Ruyter gehörte zu diesen letzteren. Er trieb vor seinem Anker her, wurde der Mündung des Antyol gegenüber von den Wogen gefaßt und von dem wüthenden Meere zertrümmert, so daß es unmöglich war, einen einzigen Mann von der Equipage zu retten.
Dieses Ereigniß machte einen tiefen Eindruck auf Eusebius, und stimmte ihn noch trauriger, noch gedankenvoller, wie er schon zuvor gewesen war; es steigerte seine wüthende Ungeduld, Java zu verlassen. Er folgte voll Eifer allen Bewegungen in dem Hafen und erkundigte sich täglich nach der Abfahrt jedes Fahrzeuges, das auf der Rhede vor Anker lag. Bei einer dieser Erkundigungen erfuhr er, daß ein neues Schiff von 800 Tonnen, der Cydnus, vollkommen für die Passage eingerichtet und sehr solid gebaut, unmittelbar nach Holland zurückkehren würde. Er ging zu dem Capitän, um mit ihm wegen der Ueberfahrt zu unterhandeln, dieser aber forderte ihn auf, vor allen Dingen das Schiff zu besichtigen, und sich mit eigenen Augen zu überzeugen, daß er dort alle die ihm versprochenen Vortheile fände. Eusebius willigte ein. Man hatte nichts übertrieben; er miethete zwei Cajüten und einen kleinen Salon im Hinterdeck, eine Wohnung, die für seine und Esthers Bedürfnisse wie geschaffen schien. Er entfernte sich daher sehr zufrieden mit der erhaltenen Auskunft und wollte eben das Boot wieder besteigen, das ihn an Bord gebracht hatte, als er in dem Augenblicke, wo er den Fuß auf die erste Sprosse der Leiter setzte, eine kleine Rauchsäule zu bemerken glaubte, fein wie ein Federkeil, die aus dem Deck heraufstieg.
Er machte den Capitän darauf aufmerksam. Dieser eilte nach dem Vorderdeck und gab der Mannschaft den Befehl, die große Lucke aufzuheben. Allein die Leute hatten kaum die Hände an das Werk gelegt, als eine Feuerzunge aus einem Rauchwirbel emporstieg, der im Nu schwarz und dicht den Besanmast einhüllte. Es war Feuer an Bord des Schiffes. Eusebius verließ es in aller Hast, allein statt nach Weltevrede zurückzukehren, blieb er an dem äußersten Ende des Hafendammes, an eben dem Orte, wo der malayische Capitän ihm Lebewohl gesagt hatte. Unwillkürlich sagte er sich, daß das Unglück, welches den Cydnus traf, ebenso wie das, welches den Ruyter vernichtet hatte, nicht von einer zufälligen Sache herrühre, sondern mit dem auf ihm lastenden Verhängniß in Verbindung stände. Er wollte sehen, ob das Feuer dieses Schiff verzehren würde, wie das Meer jenes verschlungen hatte. Er sah, wie die Matrosen des Cydnus, nach den Befehlen, die der Capitän ernst und ruhig durch sein Sprachrohr ertheilte, unterstützt von denen eines Kriegsschiffes, das in geringer Entfernung ankerte, alle menschlichen Mittel aufboten, um gegen das fürchterliche Element zu kämpfen. Trotz ihrer Kaltblütigkeit, ihres Muthes und ihrer Thätigkeit, und ungeachtet der Ordnung, welche bei allen Rettungsarbeiten herrschte, sah er, wie das Element über alle ihre Anstrengungen triumphirte. Es schien, als verbreite eine unsichtbare Hand den Brand, als blase eine geheime, erbitterte Macht das Feuer von neuem an, so oft die Mannschaft nahe daran war, sich zum Herrn desselben zu machen. Es schien, als sei das unglückliche Schiff durch das Verhängniß zum Untergange verurtheilt.
Man hatte gehofft,