Der Arzt auf Java. Александр Дюма
Eusebius van der Beek?«
»Ja, Herr Doctor.«
»Sie sind aus Harlem und der Sohn des Jacobus van der Beek?«
»Mein Vater hieß Jacobus van der Beek.«
»Der Mann der Esther Menuis, Tochter des Notars Wilhelm Menuis und seiner Frau der Johanna Katharina Mortico?«
»Das ist Alles genau so. Sie sprechen wie ein Kirchenbuch.«
»Schwester,« fuhr der Doctor fort, »eines gewissen Basilius Mortiec, der sich vor zwanzig Jahren in Harlem einschiffte und seitdem nicht wieder erschienen ist?«
»Nein, niemals. Sollten Sie etwa diesen Onkel gekannt haben, dessen meine Frau sich kaum erinnert?«
»Ich habe von ihm sprechen hören, ja, ich habe ihn sogar persönlich gekannt.– Er war ein Contrebandirer, Pirat, Corsar; ich weiß nicht, wo er sich hat hängen lassen.«
»O mein Gott!«
»Ach, beklagen Sie ihn nicht, Er war ein elender Schuft.«
»Doctor, er war der Onkel meiner armen Esther; Sie müssen mir daher verzeihen, wenn ich Sie bitte, in meiner Gegenwart nicht schlecht von einem so nahen Verwandten zu sprechen. Wir Holländer von altem Schrot und Korn sind in der Achtung unserer Familie erzogen worden.«
»Sie sind wahrlich ein eigenthümlicher junger Mann. Sprechen wir also nicht weiter von Ihrem Onkel.«
»Nein, Doctor, aber um des Himmels Willen, sprechen wir von seiner Nichte.«
»Es ist sonderbar,« sagte Basilius, als ober zu sich selbst spräche, aber dennoch laut genug, um von Eusebius verstanden zu werden – »es ist sonderbar, wie hartnäckig der Mensch darauf besteht, seinem Unglück entgegen zu gehen.«
»Ich sagte also,« nahm Eusebius wieder das Wort, ohne auf die Bemerkung des Doctors zu achten; dieser aber unterbrach ihn ungeduldig und rief: »Mein Gott, Sie sagten mir, daß Ihre Frau Sie schon vor der Abreise von Harlem durch einen hartnäckigen Husten beunruhigt hätte.« Eusebius wollte fortfahren, er aber unterbrach ihn und sagte: »Lassen Sie mich Ihnen das Uebrige erzählen, und Sie werden sehen, daß es nutzlos ist, sich wegen einer Sache zu quälen, die ich besser weiß, wie Sie selbst. – Unterbrechen Sie mich also nicht. – Während der ersten Tage strengte die Seefahrt Ihre Frau ungemein an. Sie mußte liegen bleiben, der Husten dauerte fort, der Auswurf wurde stärker.«
»Ja, Doctor, so war es.«
»Lassen Sie mich doch sprechen. – Am fünften Tage nach Ihrer Abfahrt bekam Ihre Frau ein heftiges Blutbrechen, dieses wurde mit Hilfe von Fovler-Syrup gehoben«, aber Ihre Frau fuhr fort, sich über heftige Schmerzen in der Brust zu beklagen. Der Husten hatte sich vermindert, aber die Verdauung war gestört. Das dauerte vier oder fünf Tage; dann fühlte Ihre Frau sich wohler und hielt sich für geheilt. Da das Wetter schön und das Meer ruhig war, so fand sie sich acht Tage darauf kräftig genug, um auf das Deck zu steigen und an Ihrem Arm umherzugehen. Die Schmerzen in der Brust und selbst in den Eingeweiden hatten aufgehört, der Appetit kehrte zurück und mit ihm fand Ihre Frau einen Theil Ihrer Kräfte und ihre ganze Jugend und Heiterkeit wieder, als Sie nach einer Fahrt von fünf Monaten in Batavia landeten. Weder Sie noch Ihre Frau dachten weiter an die Schwindsucht; man hätte glauben können es wäre von dieser Krankheit nie die Rede auf der Erde gewesen, und der gute Gott hätte sie in der hohlen Hand zurückbehalten, wie die Hoffnung in der Büchse der Pandora geblieben war.«
»Ja, so ist es, so ist es in der That, Doctor,« rief Eusebius, noch erschrockener über die Wissenschaft des Mannes, als über die Art von Gotteslästerung, die er sich hatte entschlüpfen lassen, indem er seine Worte mit jenem teuflischen Gelächter begleitete« welches wir bereits an ihm bezeichnet haben.
»Warten Sie doch auf das Ende, um mir Ihren Beifall zu zollen! Gleich den großen Künstlern bewahre ich mir den Haupteffect vor – Zwei Tage nach Ihrer Landung, als Sie eben von einem Besuche bei dem Kaufmann zurückkehrten, dem Sie empfohlen waren, und bei dem Sie am nächsten Montag eintreten sollten, klagte Ihre Frau über Schmerzen in der Seite und über Mattigkeit der Glieder; der Husten kehrte an demselben Abend zurück, und der Auswurf am nächsten Tage. Bei der Untersuchung zeigte es sich, daß die rechte Lunge beinahe ganz oder doch zum größten Theil verzehrt, und auch die linke angegangen sei. Ihre Frau hatte, was wir die galoppirende Schwindsucht nennen; der Athem wurde immer schwieriger und pfeifender, die Circulation des Blutes schneller und ungleicher der Puls hatte von 95 bis 115 Schläge in der Minute. Am Morgen waren Brust, Gesicht und Hände mit einem kalten, klebrigen Schweiße bedeckt; die Kräfte schwanden, das Gefühl der Liebe selbst nahm ab; binnen einigen Tagen hatte das Alter sich der Frau bemächtigt, die noch kurz zuvor so heiter, so liebevoll, so zärtlich gewesen war. Sie zeigte sich gleichgültig gegen Alles, selbst gegen die Beweise Ihrer Zärtlichkeit, sorglos in Allem, selbst in Beziehung auf den Tod – Ist das nicht Alles so gewesen?«
»Ja, Doctor, von Punct zu Punct. Aber wie können Sie wissen —?«
»He, he, he, he!« sagte der Doctor. »Wahrlich, ich muß lachen, wenn Ihre schönen europäischen Romane den Augen ihrer Leser die Brustkranken zeigen, lieblich und rosig, wie die abscheulichen Pastellbilder, welche die Franzosen Gemälde nennen. Köstliche Kranke, welche die Luft von Nizza einathmen, oder das Wasser von Cauxbonnes trinken, voll Anmuth husten und mit Gefühl ohnmächtig werden. – Sagen Sie, mein Herr van der Beek, hat Ihre Esther in den letzten Tagen diesen hübschen kleinen Brustkranken geglichen?«
»Ach nein, Doctor, aber ungeachtet der Veränderungen, welche die Krankheit bei ihr hervorgebracht hat, liebe ich sie nicht weniger, wie sonst, und beschwöre Sie daher nochmals, heilen, retten Sie sie!«
»Mein lieber Freund,« sagte der Doctor mit seinem wunderlichen Lachen, »ich wünschte nichts sehnlicher; aber es ist ein wenig spät.«
»Wie so, ein wenig spät!« rief Eusebius, indem er den Arzt mit starren Blicken ansah.
»Allerdings, denn Ihre Frau hat die Seele um 8 1/2Uhr Abends ausgehaucht, gerade in dem Augenblicke, als Sie den ersten Schlag an die Thüre meines Hauses thaten.«
Eusebius stieß einen fürchterlichen Schrei aus und stürzte auf das Bett zu; der Körper seiner Esther war schon eiskalt und zeigte jene Steifheit, welche die Wissenschaft mit dem Namen der Leichenstarre bezeichnet.
»Ach, es ist unmöglich!« schrie der unglückliche junge Mann, indem er sich über das Bett warf, seine Frau in die Arme nahm und seine Lippen auf die bereits eiskalten der Todten preßte. – »Ach mein Gott, mein Gott, Doctor, kommen Sie mir zu Hilfe! – Aber sie ist nicht todt, sie kann nicht todt, sie kann nicht gestorben sein, ohne mir, Lebewohl zu sagen – Und ich, der ich Alles ruhig anhörte, was dieser Mensch mir sagte! Esther! Esther! – Ach, Doctor, ich beschwöre Sie – als ich sie verließ, war sie ruhig, lächelnd; sie sagte mir, daß sie sich seit dem Anfange Ihrer Krankheit nie sowohl gefühlt hätte!«
»So ist es stets, mein junger Freund,« sagte der Doctor. »Das Leben ist Denen, die es verlassen wollen, ein Lächeln schuldig.«
III.
Der Vertrag
Als Eusebius die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß seine Frau todt sei, verfiel er in die fürchterlichste Verzweiflung; er stieß herzzerreißendes Geschrei aus, stürzte sich auf den leblosen Körper, den er mit seinem Athem zu erwärmen versuchte, riß sich die Haare aus und erhob händeringend die Arme zum Himmel.
Der Doctor Basilius blieb während dessen ruhig auf seinem Schemel sitzen, stopfte seine Pfeife mehrmals neu und rauchte sie mit der vollkommensten Gleichmüthigkeit. Er sprach kein Wort und machte keine Bewegung, um diese Aeußerungen des Schmerzes zu unterbrechen; allmälig beruhigte sich derselbe oder er erlosch vielmehr wie eine Flamme« die allzu schnell gebrannt und ihren Nahrungsstoff verzehrt hat. In Folge einer nervösen Krisis fühlte Eusebius seine Augen sich mit Thränen füllen; er weinte heftig und seine Seele wurde erleichtert. Dann setzte er sich auf den Rand des Bettes, schob die Haare zurück, mit denen er in dem Uebermaß seines Schmerzes das Gesicht der Todten bedeckt hatte, ergriff die Hand Esthers und sagte, indem er sich zu Basilius zurückwendete:
»Ach« mein Herr,