Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма

Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма


Скачать книгу
eine Miene zu verziehen, während er einen schiefen Blick auf d’Artagnan warf.

      »Und was ist Eure Ansicht, Herr Colbert?« fragte der König.

      Colbert schaute d’Artagnan ebenfalls an . . . Dieses beengende Gesicht hielt das Wort auf seinen Lippen zurück, Ludwig XIV. begriff es und sagte:

      »Seid unbesorgt, es ist Herr d’Artagnan: erkennt Ihr Herrn d’Artagnan nicht?«

      Die zwei Männer betrachteten sich gegenseitig; d’Artagnan mit offenem und flammendem Auge, Colbert mit bedecktem, argwöhnischem Auge. Die offenherzige Unerschrockenheit des Einen mißfiel dem Andern; die listige Bedachtsamkeit des Finanzmanns mißfiel dem Soldaten.

      »Ah! ah! es ist der Herr, der den schönen Streich in England vollbracht hat,« sagte Colbert, und er grüßte d’Artagnan leicht.

      »Ah! ah!« sprach der Gascogner, »es ist der Herr, der das Silber an den Borten der Schweizer benagt hat . . . Eine lobenswerthe Sparsamkeit!«

      Und er machte eine tiefe Verbeugung.

      Der Finanzmann hatte den Musketier in Verlegenheit zu bringen geglaubt, aber der Musketier durchbrach gleichsam den Finanzmann.

      »Herr d’Artagnan,« sprach der König, der alle diese Nuancen, von denen Mazarin keine einzige entgangen wäre, nicht bemerkt hatte, »es ist von Steuerpächtern die Rede, welche mich bestohlen haben; ich lasse sie aufhängen und bin im Begriff, ihr Todesurtheil zu unterzeichnen.«

      D’Artagnan bebte.

      »Oh! oh!« machte er.

      »Was sagt Ihr?«

      »Nichts, Sire, das sind nicht meine Angelegenheiten.«

      Der König hielt schon die Feder in der Hand und näherte sie dem Papier.

      »Sire,« sagte mit halber Stimme Colbert, »ich bemerke Eurer Majestät, daß, wenn ein Beispiel nothwendig ist, dieses Beispiel in der Vollstreckung Schwierigkeiten hervorrufen kann.«

      »Wie beliebt?« fragte Ludwig XIV.

      »Sire,« antwortete Colbert ruhig, »verbergt Euch nicht, daß die Steuerpächter angreifen die Oberintendanz angreifen heißt. Die zwei Unglücklichen, die zwei Schuldigen sind specielle Freunde einer mächtigen Person, und am Tag der Hinrichtung, das ist nicht zu bezweifeln, werden sich Unruhen erheben.«

      Ludwig erröthete und wandte sich gegen d’Artagnan um, der sachte an seinem Schnurrbart nagte, nicht ohne ein Lächeln des Mitleids für den armen Finanzmann, sowie für den König, welcher ihn so lange anhörte.

      Da ergriff Ludwig XIV. die Feder und setzte mit einer so raschen Bewegung, daß ihm die Hand zitterte, seine zwei Unterschriften unten an die Papiere, die ihm Colbert übergeben hatte; dann schaute er dem Letzteren ins Gesicht und sagte:

      »Herr Colbert, wenn Ihr mir von Angelegenheiten sprecht, laßt häufig das Wort Schwierigkeit in Euren Urtheilen und Rathschlägen aus; das Wort Unmöglichkeit komme aber nie über Eure Lippen.«

      Colbert verbeugte sich sehr gedemüthigt, daß er diese Lection vor dem Musketier erhalten hatte; er war im Begriff, wegzugehen, aber begierig, die erlittene Niederlage wieder gut zu machen, wandte er sich noch einmal um und sprach:

      »Ich vergaß, Eurer Majestät zu melden, daß sich die Confiscationen auf fünf Millionen Livres belaufen.«

      »Das ist hübsch,« dachte d’Artagnan.

      »Somit belaufen sich meine Kassen?« fragte der König.

      »Auf achtzehn Millionen Livres,« antwortete Colbert sich verbeugend.

      »Mordioux!« brummelte d’Artagnan, »das ist schön.«

      »Herr Colbert,« fügte der König bei, »ich bitte, geht durch die Gallerie, wo Herr von Lyonne wartet, und sagt ihm, er möge mir das bringen, was er auf meinen Befehl abgefaßt hat.«

      »Auf der Stelle, Sire; Eure Majestät bedarf meiner diesen Abend nicht mehr?«

      »Nein, mein Herr; guten Tag.«

      Colbert ging hinaus.

      »Kommen wir auf unsere Angelegenheit zurück,« sprach Ludwig XIV., als ob nichts vorgefallen wäre: »Ihr seht, daß, was das Geld betrifft, schon eine bedeutende Veränderung vorgegangen ist.«

      »Wie von Null auf achtzehn,« erwiederte heiter der Musketier. »Ah! das hätte Eure Majestät an dem Tag haben müssen, wo Seine Majestät König Karl II. nach Blois kam. Die zwei Staaten wären heute nicht entzweit, denn ich muß sagen, auch hierin sehe ich einen Stein des Anstoßes.«

      »Ah! mein Herr,« entgegnete Ludwig, »Ihr seid vor Allem ungerecht, denn wenn die Vorsehung mir an jenem Tag meinem Bruder eine Million zu geben gestattet hätte, so würdet Ihr meinen Dienst nicht verlassen und folglich nicht Euer Glück gemacht haben, wie Ihr so eben sagtet . . . Aber außer diesem habe ich ein anderes Glück gehabt, und meine Entzweiung mit Großbritannien braucht Euch nicht besorgt zu machen.«

      Ein Kammerdiener unterbrach den König und meldete Herrn von Lyonne.

      »Tretet ein, mein Herr,« sagte der König, »Ihr seid pünktlich, und so muß ein guter Diener sein. Laßt Euren Brief an meinen Bruder Karl II. sehen.«

      D’Artagnan spitzte die Ohren.

      »Einen Augenblick Geduld, mein Herr,« sagte Ludwig nachlässig zu dem Gascogner; »ich muß nach London die Einwilligung zur Heirath meines Bruders, des Herzogs von Orleans, mit Lady Henriette Stuart abgehen lassen.«

      »Er schlägt mich, wie es scheint,« murmelte d’Artagnan, während der König diesen Brief unterzeichnete und dann Herrn von Lyonne entließ; »doch, meiner Treue, ich gestehe, je mehr ich geschlagen werde, desto zufriedener bin ich.«

      Der König folgte mit den Augen Herrn von Lyonne, bis die Thüre hinter ihm geschlossen war; er machte sogar drei Schritte, als hätte er. seinem Minister folgen wollen. Doch nach diesen drei Schritten blieb erstehen, schwieg einige Augenblicke und kehrte dann zu dem Musketier zurück.

      »Nun wollen wir rasch schließen, mein Herr,« sprach Ludwig. »Ihr sagtet mir damals in Blois, Ihr wäret nicht reich.«

      »Ich bin es jetzt, Sire.«

      »Ja, aber das geht mich nichts an; Ihr habt Euer Geld, nicht das meinige, das ist nicht meine Rechnung.«

      »Sire, ich weiß nicht, was Eure Majestät sagen will.«

      »So sprecht freiwillig, statt Euch die Worte herausziehen zu lassen. Habt Ihr genug mit zwanzigtausend Livres jährlich festen Gehalt?«

      »Aber, Sire . . . « rief d’Artagnan, die Augen weit aufreißend.

      »Habt Ihr genug mit vier Pferden, die man Euch liefert und unterhält. Und mit einem Zusatz von Geldern, die Ihr nach Gelegenheit und Bedürfniß verlangen möget, oder zieht Ihr eine bestimmte Summe, zum Beispiel vierzigtausend Livres vor? Antwortet.«

      »Sire, Eure Majestät . . . «

      »Ja, Ihr seid erstaunt, das ist ganz natürlich, und ich habe es erwartet; antwortet, oder ich muß glauben, Ihr habet nicht mehr jene Raschheit des Urtheils, die ich stets an Euch schätzte . . . «

      »Es ist wahr, Sire, zwanzigtausend Livres jährlich sind eine schöne Summe; aber . . . «

      »Kein aber. Ja oder nein, ist das eine anständige Entschädigung?«

      »Oh! gewiß . . . «

      »Ihr seid also damit zufrieden? Gut! gut! Es ist übrigens besser, Euch die Nebenkosten besonders zu bezahlen; Ihr werdet das mit Colbert abmachen. Gehen wir nun zu etwas Wichtigerem über.«

      »Aber, Sire, ich sagte Eurer Majestät . . . «

      »Daß Ihr ausruhen wolltet, ich weiß es wohl; nur antwortete ich Euch, ich wolle nicht . . . Ich bin der Herr, denke ich?«

      »Ja, Sire.«

      »Gut also. Ihr waret einst nahe daran, Kapitän der Musketiere zu werden.«

      »Ja,


Скачать книгу