Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма

Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма


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großer Salon, beleuchtet durch zwei Fenster im ersten Stock, ein kleines Zimmer daneben und eines darüber.

      Seit seiner Ankunft hatte aber dieser Edelmann das Mahl, das man ihm in seinem Zimmer aufgetragen, kaum berührt. Er hatte nur durch zwei Worte den Gastwirth in Kenntniß gesetzt, es würde,ein Reisender Namens Parry kommen, und ihm empfohlen, diesen Reisenden sogleich heraufzuführen.

      Dann beobachtete er ein so tiefes Stillschweigen, daß Cropole, der besonders die guten Gesellschafter liebte, sich dadurch beinahe beleidigt fühlte.

      An dem Morgen des Tages, wo diese Geschichte beginnt, stand der erwähnte Edelmann frühzeitig auf, trat an das Fenster seines Salon, stützte sich auf das Geländer seines Balcon und schaute traurig und hartnäckig nach den beiden Seiten der Straße, ohne Zweifel, um auf die Ankunft des Reisenden zu lauern, den er dem Wirth bezeichnet hatte.

      Er sah so den kleinen Cortége von Monsieur bei der Rückkehr von der Jagd vorüberziehen und genoß dann wieder, ganz in seine Gedanken versunken, die tiefe Stille der Stadt.

      Plötzlich setzten ihn der Durcheinander der Armen, Kelche nach den Wiesen zogen, der galoppirenden Eilboten, der Pflasterwäscher, der Lieferanten des königlichen Hauses, der erhitzten und schwatzhaften Ladenbursche, der rasselnden Karren, der lausenden Friseurs und der diensteifrigen Pagen, dieser Tumult, dieser Lärmen, sagen wir, setzten ihn in Erstaunen, doch ohne daß er etwas von der unempfindlichen, erhabenen Majestät verlor, die dem Adler und dem Löwen den klaren, stolzen Blick mitten unter den Hurras, dem Geschrei und dem Stampfen der Jäger und der Neugierigen verleiht.

      Bald wurden durch die Weheklagen der im Hühnerhofe erwürgten Opfer, durch die eiligen Schritte von Madame Cropole auf der so schmalen und sonoren hölzernen Treppe, durch den hüpfenden Gang von Pittrino, der noch am Morgen vor der Thüre mit dem Phlegma eines Holländers rauchte, die Aufmerksamkeit und die Verwunderung des Reisenden mehr rege gemacht.

      Als er sich erhob, um sich zu erkundigen, öffnete sich die Thüre seines Zimmers.

      Doch statt des Gesichtes, das er zu sehen hoffte, erschien Meister Cropole und hinter ihm im Halbschatten der Treppe das ziemlich anmuthige, aber durch die Neugierde gemein gewordene Gesicht von Madame Cropole, welche einen flüchtigen Blick auf den Edelmann warf und verschwand.

      Cropole schritt mit lächelnder Miene, mehr gekrümmt, als gebückt, vor.

      Eine Geberde des Unbekannten befragte ihn, ohne daß ein Wort gesprochen wurde.

      »Mein Herr,« sprach Cropole, »ich wollte mich erkundigen . . . soll ich sagen Euere Herrlichkeit, oder Herr Graf, oder Herr Marquis?«

      »Sagt: mein Herr, und sprecht geschwinde,« antwortete der Fremde mit einem hochmüthigen Ausdruck, der keine Widerrede zuließ.

      »Ich wollte mich erkundigen, wie der Herr die Nacht zugebracht habe, und ob der Herr diese Wohnung zu behalten beabsichtige.«

      »Mein Herr, es tritt ein Umstand ein, auf den wir nicht gerechnet hatten.«

      »Welcher?«

      »Seine Majestät Ludwig XIV. kommt heute in unsere Stadt und ruht hier einen, vielleicht zwei Tage aus.«

      Ein lebhaftes Erstaunen trat auf dem Gesichte des Unbekannten hervor.

      »Der König von Frankreich kommt nach Blois?«

      »Er ist unter Weges, mein Herr.«

      »Ein Grund mehr für mich, zu bleiben,« sagte der Unbekannte.

      »Sehr gut, mein Herr; doch behält der Herr die ganze Wohnung?«

      »Ich verstehe Euch nicht. Warum sollte ich heute weniger haben, als ich gestern gehabt habe?«

      »Weil . . . Eure Herrlichkeit wird mir erlauben, ihr das zu sagen, weil ich gestern, als Ihr diese Wohnung wähltet, nicht irgend einen Preis festsetzen mußte, der Eure Herrlichkeit hätte können glauben machen, ich beurtheile zum Voraus ihre Mittel . . . während ich heute . . . «

      Der Unbekannte erröthete. Es kam ihm sogleich der Gedanke, man halte ihn für arm und man beleidige ihn.

      »Während Ihr mich heute zum Voraus beurtheilt?« erwiederte er kalt.

      »Mein Herr, ich bin ein artiger Mann, Gott sei Dank, und obgleich ich nur ein Wirth zu sein scheine, habe ich doch edelmännisches Blut in mir. Mein Vater war Diener und Officiant des verstorbenen Herrn Marschall d’Ancre, dessen Seele Gott in Gnaden haben möge.«

      »Ich bestreite Euch diesen Punkt nicht, mein Herr; ich Wunsche nur zu wissen, und zwar sogleich zu wissen, worauf Eure Fragen abzielen.«

      »Mein Herr, Ihr seid zu vernünftig, um nicht zu begreifen, daß unsere Stadt klein ist, daß der Hof sie überströmen wird, daß die Häuser von Einwohnern vollgepfropft sind, und daß folglich die Miethzinse einen beträchtlichen Preis erreichen werden.«

      Abermals erröthend, sprach der Unbekannte:

      »Macht Eure Bedingungen.«

      »Ich thue dies mit Bedenken, mein Herr, weil ich einen ehrlichen Gewinn suche, und weil ich ein Geschäft machen will, ohne unhöflich oder grob in meinen Forderungen zu sein . . . Die Wohnung aber, die Ihr inne habt, ist bedeutend groß und Ihr seid allein . . . «

      »Das ist meine Sache.«

      »Oh! gewiß; ich gebe auch dem Herrn nicht den Abschied.«

      Dem Unbekannten floß das Blut nach den Schläfen; er schleuderte dem armen Cropole, dem Abkömmling eines Officianten vom Herrn Marschall d’Ancre, einen Blick zu, der ihn unter die bekannte Kaminplatte schlüpfen gemacht hätte, wäre Cropole nicht durch die Frage seiner Interessen an seinen Platz gefesselt gewesen.

      »Soll ich gehen?» sagte er; »erklärt Euch rasch.«

      »Herr, Herr, Ihr habt mich nicht verstanden. Was ich thue, ist sehr delicat, aber ich drücke mich schlecht aus, oder vielleicht, da der Herr ein Fremder ist, was ich am Accent erkenne . . . «

      Der Unbekannte sprach in der That mit dem leichten Schnarren, was der Hauptcharakter der englischen Accentuirung ist, selbst bei den Menschen dieser Nation, welche so rein als möglich Französisch sprechen.

      »Da der Herr ein Fremder ist, sage ich, so ist er es vielleicht, der die Nuancen meiner Worte nicht aufsaßt. Ich behaupte, der Herr könnte eines oder zwei von den drei Zimmern, die er inne hat, abtreten, was seinen Miethzins bedeutend vermindern und mein Gewissen erleichtern würde; es ist hart, den Preis der Zimmer unvernünftig erhöhen zu müssen, wenn man die Ehre hat, sie zu einem niedrigen Preis anzuschlagen.«

      »Wie viel beträgt der Miethzins seit gestern?«

      »Mein Herr» einen Louis d’or mit der Kost und der Verpflegung des Pferdes.«

      »Gut. Und von heute?«

      »Ah! das ist gerade die Schwierigkeit! Heute Ist der Tag der Ankunft des Königs; kommt der Hof, um Nachtlager zu halten, so zählt der Tag beim Miethzins. Daraus geht hervor, daß drei Zimmer zu zwei Louis d’or das Zimmer sechs Louis d’or machen. Zwei Louis d’or, mein Herr, ist nichts, aber sechs Louis d’or ist viel.«

      Von roth, wie man ihn gesehen, wurde der Unbekannte blaß.

      Er zog aus seiner Tasche heldenmüthig eine Börse, worauf ein Wappen gestickt war, das er sorgfältig in seiner hohlen Hand verbarg. Diese Börse war von einer Magerkeit, von einer Flachheit, von einer Hohlheit, welche dem Auge von Cropole nicht entging.

      Der Unbekannte leerte diese Börse in seine Hand; sie enthielt drei Doppellouis d’or, welche den Werth von sechs Louis d’or bildeten, wie sie der Wirth forderte. Doch Cropole hatte sieben im Ganzen verlangt.

      Er schaute also den Unbekannten an, als wollte er sagen: »Hernach?«

      »Es restirt ein Louis d’or, nicht wahr, Meister Wirth?«

      »Ja, Herr, aber . . . «

      Der Fremde suchte in der Tasche seines Beinkleids und leerte sie; sie enthielt ein kleines Portefeuille, einen goldenen Schlüssel und einige Silbermünze.

      Aus dieser


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