Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма

Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма


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Wohnung auch morgen zu behalten gedenkt, in welchem Falle ich sie ihm überlassen könnte, während ich sie, wenn der Herr dies nicht zu thun gedächte, den Leuten Sr, Majestät, welche ankommen werden, versprechen würde.«

      »Das ist richtig,« erwiederte der Unbekannte nach langem Stillschweigen. »Doch da ich, wie Ihr sehen konntet, kein Geld mehr habe, während ich Eure Wohnung dennoch behalte, so müßt Ihr diesen Diamant in der Stadt verkaufen oder als Pfand behalten.«

      Cropole schaute den Diamant so lange an, daß der Unbekannte rasch zu ihm sagte:

      »Es ist mir lieber, wenn Ihr ihn verkauft, mein Herr, er ist dreihundert Pistolen werth. Ein Jude – findet sich ein Jude in Blois? – wird Euch zweihundert, zweihundert und fünfzig sogar geben; nehmt das, was er Euch gibt, und sollte er Euch auch nur den Preis Eurer Wohnung anbieten. Geht.«

      »Oh! mein Herr,« entgegnete Cropole, beschämt durch die Niedrigkeit, in die ihn der Unbekannte durch diese so edle und so uneigennützige Abtretung, sowie auch durch diese unstörbare Geduld gegen so viel Argwohn, gegen so viele Plackereien versetzte; »oh! mein Herr, ich hoffe wohl, man stiehlt in Blois nicht, wie Ihr zu befürchten scheint, und wenn der Diamant so viel werth ist, als Ihr sagt . . . «

      Der Unbekannte schmetterte Cropole abermals mit dem Blicke seines azurblauen Auges nieder.

      »Glaubt mir, ich verstehe mich nicht darauf!« rief er.

      »Aber die Juweliere verstehen sich darauf,« sagte der Unbekannte. »Fragt sie. Ich denke, unsere Rechnung ist nun abgeschlossen, nicht wahr, Herr Wirth?«

      »Ja, mein Herr, und zu meinem großen Bedauern, denn ich befürchte den Herrn beleidigt zu haben.«

      »Keines Wegs,« erwiederte der Unbekannte mit der Majestät seiner ganzen Mächtigkeit.

      »Oder den Anschein gehabt zu haben, als schinde ich einen edlen Reisenden . . . Bringt die Notwendigkeit in Anschlag, mein Herr.«

      »Sprechen wir nicht mehr davon und laßt mich allein.«

      Cropole machte eine tiefe Verbeugung und entfernte sich mit verlegener Miene, was bei ihm ein vortreffliches Herz und wahre Reue offenbarte.

      Der Unbekannte schloß selbst die Thüre und schaute, als er allein war, auf den Grund seiner Börse, woraus er ein seinen Diamant, seine einzige Quelle, enthaltendes Beutelchen genommen hatte.

      Er befragte auch die Leere seiner Taschen, schaute die Papiere in seinem Portefeuille an und überzeugte sich von der vollkommenen Entblößung, in der er sich befand.

      Dann schlug er die Augen zum Himmel mit der erhabenen Bewegung einer verzweifelten Ruhe auf, wischte mit seiner Hand einige Schweißtropfen ab, welche seine edle Stirne durchfurchten, und richtete seinen kaum zuvor noch mit einer göttlichen Majestät erfüllten Blick wieder auf die Erde.

      Der Sturm war fern von ihm hingezogen, vielleicht hatte er in der Tiefe seiner Seele gebetet.

      Er trat wieder ans Fenster, nahm wieder seinen Platz auf dem Balcon ein und blieb hier unbeweglich, todt, bis zu dem Augenblick, wo sich der Himmel zu verdunkeln anfing, die ersten Fackeln durch die duftende Straße zogen und allen Fenstern das Signal zur Erleuchtung gaben.

       VII.

      Parry

      Während der Unbekannte mit Theilnahme diese Lichter betrachtete und auf all dieses Geräusch horchte, trat Meister Cropole in sein Zimmer mit zwei Dienern, die den Tisch deckten.

      Der Fremde schenkte ihnen nicht die geringste Aufmerksamkeit.

      Da näherte sich Cropole seinem Gaste und flüsterte ihm mit tiefer Ehrfurcht zu:

      »Mein Herr, der Diamant ist geschätzt worden.«

      »Ah!« machte der Reisende. »Nun?«

      »Nun, mein Herr, der Juwelier Seiner königlichen Hoheit gibt zweihundert und achtzig Pistolen dafür.«

      »Ihr habt sie?«

      »Ich glaubte sie nehmen zu müssen, machte jedoch zur Bedingung bei dem Handel, daß, wenn der Herr seinen Diamant, bis wieder Gelder eingehen würden, behalten wollte, dieser Diamant zurückgegeben werden müßte.«

      »Keines Wegs. Ich habe Euch gesagt, Ihr sollet ihn verkaufen.«

      »Dann habe ich gleichsam gehorcht, da ich, ohne definitiv zu verkaufen, das Geld in Empfang nahm.«

      »Macht Euch bezahlt,« sagte der Unbekannte.

      »Ich werde es thun, mein Herr, da Ihr es durchaus verlangt.«

      Ein trauriges Lächeln schwebte über die Lippen des Edelmanns.

      »Legt das Geld auf diese Lade,« sagte er, indem er sich umwandte und zugleich durch eine Geberde das genannte Meuble bezeichnete.

      Cropole legte einen ziemlich schweren Sack nieder, aus dem er den Preis des Miethzinses erhob.

      »Der Herr wird mir nun nicht den Schmerz bereiten, nicht zu Nacht zu essen,« sprach Cropole . . . »schon ist das Mittagessen ausgeschlagen worden, und das ist beleidigend für das Haus der Medicis. Seht, mein Herr, das Mahl ist aufgetragen, und ich wage sogar beizufügen, daß es gut aussteht.«

      Der Unbekannte verlangte ein Glas Wein, brach ein Stück Brod, und verließ das Fenster nicht, um zu essen und zu trinken.

      Bald hörte man ein gewaltiges Geräusch von Fanfaren und Trompeten: Ausrufungen erhoben sich in der Ferne, ein verworrenes Gesumme füllte den untern Theil der Stadt, und der erste Lärmen, der deutlich an das Ohr des Fremden drang, war der des Hufschlags vorrückender Pferde.

      »D« König! der König!« wiederholte eine geräuschvolle, gedrängte Menge.

      »Der König!« wiederholte Cropole, der seinen Gast und seine Zartgefühlsideen im Stiche ließ, um seine Neugierde zu befriedigen.

      Mit Cropole stießen und vermengten sich auf der Treppe Madame Cropole, Pittrino, die Gehilfen und die Küchenjungen,

      Der Zug rückte langsam vor, beleuchtet von Tausenden von Fackeln, theils von der Straße, theils von den Fenstern aus.

      Nach einer Compagnie Musketiere und einem ganz geschlossenen Corps von Edelleuten kam die Sänfte des Herrn Cardinal Mazarin. Sie wurde gezogen wie ein Wagen von vier Rappen.

      Die Pagen und die Leute des Cardinals marschirten dahinter.

      Dann kam die Carosse der Königin Mutter, ihre Ehrenfräulein an den Schlägen, ihre Edelleute zu Pferd auf beiden Seiten.

      Hiernach erschien der König, auf einem schönen Pferde von sächsischer Race, mit langer Mähne, reitend. Der junge Prinz zeigte, indem er gegen einige Fenster grüßte, woher die lebhaftesten Ausrufungen kamen, sein schönes, liebreizendes Antlitz.

      Zu den Seiten des Königs, aber zwei Schritte entfernt, ritten der Prinz von Condé, Herr Dangeau und zwanzig andere Höflinge, gefolgt von ihren Leuten und ihrem Gepäcke, den wahrhaft triumphartigen Zug schließend.

      Dieses Gepränge war von einer militärischen Ordnung.

      Nur einige Höflinge, und zwar unter den Alten, hatten Reisekleider, beinahe Alle trugen das militärische Gewand. Man sah sogar Viele mit dem Ringkragen und dem büffelledernen Koller, wie zur Zeit von Heinrich IV. und Ludwig XIII.

      Als der König an ihm vorüber kam, fühlte der Unbekannte, der sich, um besser zu sehen, über den Balcon geneigt und sein Gesicht, indem er es auf seinen Arm stützte, verborgen hatte, sein Herz von bitterer Eifersucht anschwellen und überströmen.

      Der Lärm der Trompeten berauschte ihn, der Zuruf des Volks betäubte ihn; er ließ einen Augenblick seine Vernunft in diese Woge von Licht, von Tumult und glänzenden Bildern fallen.

      »Er ist König!« murmelte er mit einem Ton der Verzweiflung und des Schmerzes, der bis zum Throne Gottes aufsteigen mußte.

      Dann, ehe er von seiner düsteren Träumerei zurückgekehrt war, erloschen all dieses Geräusch, all diese Herrlichkeit. An der Ecke der Straße blieben unter dem Fremden, nur heisere, nicht zusammenklingende Stimmen, die in Zwischenräumen:


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