Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма

Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма


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keine Mutter, keine Schwester, welche leiden. Mein Thron ist hart und nackt; aber ich sitze gut auf meinem Thron. Verzeiht, mein Bruder, werft mir dieses Wort nicht vor, es ist das eines Selbstsüchtigen. Ich werde es auch durch ein Opfer sühnen. Ich will den Cardinal aufsuchen. Erwartet mich, Sire, ich bitte Euch. Bald komme ich zurück.«

       X.

      Die Arithmetik von Herrn von Mazarin

      Während sich der König rasch nach dem vom Cardinal bewohnten Flügel des Schlosses wandte, wobei er nur seinen Kammerdiener mitnahm, trat der Officier der Musketiere, athmend wie ein Mensch, der lange seinen Athem zurückzuhalten genöthigt gewesen ist, aus dem von uns erwähnten kleinen Cabinet, das der König verlassen glaubte. Dieses kleine Cabinet hatte einen Theil des Zimmers gebildet und war durch nichts Anderes, als durch eine dünne Scheidewand davon getrennt. Diese Trennung, welche nur eine für die Augen war, erlaubte daher auch dem am mindesten indiscreten Ohr, Alles zu hören, was in diesem Zimmer vorging.

      Es unterlag also keinem Zweifel, daß der Lieutenant der Musketiere Alles gehört hatte, was bei Seiner Majestät vorgegangen war.

      Durch die letzten Worte des jungen Königs in Kenntniß gesetzt, ging er zeitig genug heraus, um ihn im Vorübergehen zu begrüßen und mit dem Blick zu begleiten, bis er im Corridor verschwunden war.

      Dann, als er verschwunden war, schüttelte er den Kopf auf eine Weise, die nur ihm gehörte, und sprach mit einer Stimme, der vierzig Jahre, außerhalb der Gascogne zugebracht, ihren gascognischen Accent nicht hatten benehmen können:

      »Trauriger Dienst, trauriger Herr! . . . «

      Nach diesen Worten nahm der Lieutenant wieder seinen Platz in seinem Fauteuil, streckte die Beine aus und schloß die Augen wie ein Mensch, der schläft oder nachsinnt.

      Wahrend dieses kurzen Monologs und der Scenirung, die darauf folgte, während sich der König durch die langen Gänge des alten Schlosses zu Herrn von Mazarin begab, ereignete sich eine ganz andere Scene beim Cardinal.

      Mazarin hatte sich, etwas von der Gicht geplagt, zu Bette gelegt. Doch da er ein Mann von Ordnung war, der sogar den Schmerz benutzte, so nöthigte er seine Nachtwache, die gehorsame Dienerin seiner Arbeit zu sein. Dem zu Folge ließ er sich von Bernouin, seinem Kammerdiener, ein kleines Reisepult bringen, um auf seinem Bett schreiben zu können.

      Doch die Gicht ist keine Feindin, die sich so leicht besiegen läßt, und da der Anfangs dumpfe Schmerz bei jeder Bewegung, die er machte, immer einschneidender wurde, so fragte er Bernouin:

      »Ist Brienne nicht da?«

      »Nein, Monseigneur,« erwiederte der Kammerdiener, »Herr von Brienne hat sich mit Eurer Erlaubniß zu Bette gelegt. Doch wenn es Eure Eminenz wünscht, kann man ihn ganz wohl wecken.«

      »Nein, es ist nicht der Mühe werth. Wir wollen doch sehen. Verfluchte Zahlen!«

      Und der Cardinal fing an zu träumen, während er an seinen Fingern rechnete.

      »Oh! Zahlen!« sagte Bernouin. »Gut! wenn sich Eure Eminenz in ihre Berechnungen vertieft, so verspreche ich ihr bis Morgen die schönste Migräne! Und dabei ist Herr Guénaud nicht hier.«

      »Du hast Recht, Bernouin. Nun! Du wirst Brienne ersetzen, mein Freund. In der That, ich hätte Herrn von Colbert mitnehmen sollen. Dieser junge Mann arbeitet gut, Bernouin, sehr gut. Ein Junge von Ordnung.«

      »Ich weiß das nicht,« erwiederte der Kammerdiener; »doch ich liebe das Gesicht von Eurem jungen Mann, der so gut arbeitet, nicht.«

      »Es ist gut, es ist gut, Bernouin! man braucht Deine Ansicht nicht. Stelle Dich dahin, nimm Feder und schreibe.«

      »Hier bin ich, Monseigneur. Was soll ich schreiben?«

      »Hier, es ist gut, unter die zwei schon geschriebenen Zeilen.«

      »Ich habe es.«

      »Schreibe: Siebenmal hundert sechzig tausend Livres.«

      »Es ist geschrieben.«

      »Auf Lyon . . . «

      Der Cardinal schien zu zögern.

      »Auf Lyon,« wiederholte Bernouin.

      »Drei Millionen, neunmal hunderttausend Livres.«

      »Gut, Monseigneur.«

      »Auf Bordeaux sieben Millionen.«

      »Sieben,« wiederholte Bernouin.

      »Ah ja!« sagte der Cardinal mit Laune, »sieben.« Dann sich verbessernd, fügte er bei: »Du begreifst, Bernouin, dies Alles ist Geld, das ausgegeben werden muß.«

      »Ei! Monseigneur, ob das auszugeben oder einzukassiren ist, mir liegt nichts daran, da alle diese Millionen nicht mir gehören.«

      »Diese Millionen gehören dem König. Es ist Geld des Königs, das ich berechne. Wie sagten wir? . . . Du unterbrichst mich immer! Sieben Millionen auf Bordeaux. Ah! ja, das ist wahr. Auf Madrid vier. Ich erkläre Dir, wem dieses Geld gehört, Bernouin, insofern alle Welt so einfältig ist, zu glauben, ich sei Millionen reich. Ich weise diese Albernheit zurück. Ein Minister hat übrigens nichts für sich. Fahre fort. Allgemeine Einnahmen sieben Millionen, liegende Güter neun Millionen. Hast Du geschrieben, Bernouin?«

      »Ja, Monseigneur.«

      »Börse sechsmal hundert tausend Livres; verschiedene Werthe zwei Millionen. Ah! ich vergaß: Mobiliar der verschiedenen Schlösser . . . «

      »Soll ich schreiben der Krone?« fragte Bernouin.

      »Nein, nein, das ist unnöthig, das ist darunter verstanden. Hast Du geschrieben, Bernouin?«

      »Ja, Monseigneur.«

      »Und die Zahlen?«

      »Sind unter einander gesetzt.«

      »Addire, Bernouin.«

      »Neununddreißig Millionen, zweimal hundert sechzigtausend Livres, Monseigneur.«

      »Ah!« machte der Cardinal mit einem Ausdruck des Aergers, »es sind noch nicht vierzig Millionen.«

      Bernouin fing wieder an zu addiren.

      »Nein, Monseigneur, es fehlen siebenmal hundert vierzigtausend Livres.«

      Mazarin verlangte, die Rechnung und revidirte sie aufmerksam.

      »Gleichviel,« sagte Bernouin, »neun und dreißig Millionen, zweimal hundert und sechzigtausend Livres, das ist ein schöner Pfennig.«

      »Ah! Bernouin, das möchte ich dem König zeigen.«

      »Seine Eminenz sagte mir doch, dieses Geld gehöre Seiner Majestät.«

      »Allerdings, aber sehr klar, sehr liquid. Diese neun und dreißig Millionen werden schon in Anspruch genommen und reichen nicht zu.«

      Bernouin lächelte auf seine Weise und wie ein Mensch, der nur glaubt, was er glauben will, während er den Nachttrank des Cardinals bereitete und sein Kopfkissen zurecht richtete.

      »Oh!« sagte Mazarin, als der Kammerdiener weggegangen war, »noch nicht vierzig Millionen! Ich muß doch die Zahl von fünfundvierzig erreichen, die ich mir festgestellt habe. Doch wer weiß, ob ich die Zeit haben werde! Ich sinke, ich gehe, ich werde’ nicht zum Ziel kommen. Aber lassen sich nicht vielleicht ein paar Millionen in den Taschen unserer guten Freunde, der Spanier, finden? Sie haben Peru entdeckt, diese Leute, und was Teufels, es muß ihnen noch etwas davon übrig sein.«

      Während er so sprach und, ganz mit seinen Zahlen beschäftigt, nicht mehr an seine Gicht dachte, welche durch eine geistige Sorge zurückgedrängt wurde, die bei dem Cardinal die mächtigste von allen seinen Sorgen war, stürzte Bernouin ganz erschrocken in’s Zimmer.

      »Nun,« fragte der Cardinal, »was gibt es denn?«

      »Der König, Monseigneur, der König!«

      »Wie, der König?« versetzte Mazarin, rasch sein Papier verbergend. »Der König hier! der König zu dieser Stunde! Ich glaubte, er läge längst im Bett. Was hat er denn?«

      Ludwig


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