Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма

Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма


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Sire.«

      »Ah!« sagte der König, »laßt ihn eintreten.«

      Der Officier trat ein.

      Der König machte ein Zeichen, der Cavalier und der Kammerdiener gingen hinaus.

      Ludwig folgte ihnen mit den Augen, bis sie die Thüre geschlossen hatten und die Vorhänge wieder hinter ihnen herabgefallen waren.

      »Mein Herr,« sprach der König, »Ihr erinnert mich durch Eure Gegenwart an das, was ich Euch zu empfehlen vergessen, nämlich die vollkommenste Verschwiegenheit.«

      »Oh! Sire, warum macht sich Eure Majestät die Mühe, mir dergleichen zu empfehlen? Man sieht wohl, daß sie mich nicht kennt.«

      »Ja, mein Herr, das ist die Wahrheit. Ich weiß, daß Ihr verschwiegen seid, doch da ich nichts vorgeschrieben hatte . . . «

      Der Officier verbeugte sich und fragte:

      »Hat mir Eure Majestät nichts mehr zu sagen?«

      »Nein, mein Herr, Ihr könnt Euch entfernen,«

      »Werde ich die Erlaubniß erhalten, dies nicht eher zu thun, als bis ich zum König gesprochen habe, Sire?«

      »Was habt Ihr mir mir zu sagen? Erklärt Euch, mein Herr.«

      »Sire, eine Sache, ohne Wichtigkeit für Euch, die mich aber ungeheuer interessirt. Verzeiht mir also, daß ich davon rede. Ohne die Dringlichkeit, ohne die Nothwendigkeit hätte ich es nie gethan, und ich wäre stumm und klein, wie ich es stets gewesen, verschwunden.«

      »Wie, verschwunden!«

      »Ja.«

      »Ich verstehe Euch nicht, mein Herr.«

      »Sire, mit einem Wort,« sprach der Officier, »ich bitte Euch um meinen Abschied.«

      Der König machte eine Bewegung des Erstaunens.

      »Um Euren Abschied, Ihr, mein Herr? Ich bitte, auf wie lange?1«

      »Auf immer, Sire.«

      »Wie, Ihr wolltet meinen Dienst verlassen, mein Herr?« fragte Ludwig mit einer Bewegung, welche mehr als Erstaunen verrieth.

      »Sire, ich bedaure, dies thun zu müssen.«

      »Unmöglich.«

      »Doch, Sire; ich werde alt; seit vier und dreißig bis fünf und dreißig Jahren trage ich den Harnisch; meine armen Schultern sind müde; ich fühle, daß ich den Platz Jüngeren überlassen muß; . . . ich bin nicht vom neuen Jahrhundert; ich habe noch einen Fuß im alten stecken, und daraus geht hervor, daß mich, da meinem Auge Alles fremd ist, Alles in Erstaunen setzt und betäubt. Kurz, ich habe die Ehre, Eure Majestät um meinen Abschied zu bitten.«

      »Mein Herr, sprach der König, während er den Officier anschaute, der seine Kasake mit einer Leichtigkeit trug, um die ihn ein junger Mensch beneidet hätte, »Ihr seid stärker und kräftiger als ich.«

      »Oh!« erwiederte der Officier mit einem Lächeln falscher Bescheidenheit, »Eure Majestät sagt mir das, weil ich noch ein ziemlich gutes Auge und einen ziemlich sichern Fuß habe, weil ich nicht schlecht zu Pferde bin, und weil mein Schnurrbart noch schwarz ist; aber Sire, das ist lauter eitel Ding; das sind lauter Illusionen . . . Schein, Rauch, Sire! Ich sehe noch jung aus, das ist wahr, doch im Grunde bin ich alt, und ehe sechs Monate vergehen, davon bin ich überzeugt, werde ich bresthaft, podagrisch, lahm sein. Also, Sire . . . «

      »Mein Herr,« unterbrach ihn der König, »erinnert Euch Eurer Worte von gestern; Ihr sagtet mir auf demselben Platz, auf dem Ihr steht, Ihr erfreuet Euch der besten Gesundheit von ganz Frankreich, Strapazen seien Euch unbekannt, es mache Euch nicht die geringste Sorge, Tage und Nächte an Eurem Posten zuzubringen. Habt Ihr mir das gesagt, ja oder nein? Sucht in Eurem Gedächtnis, mein Herr.«

      Der Officier stieß einen Seufzer aus.

      »Sire,« sagte er, »das Alter ist eitel, und man muß wohl den Greisen verzeihen, wenn sie ihr Lob aussprechen, das Niemand mehr ausspricht. Es ist möglich, daß ich dies sagte; doch eine Wahrheit ist es, daß ich müde bin und um meinen Abschied bitte.«

      »Mein Herr,« sprach der König, indem er mit einer Geberde voll jugendlicher Majestät auf den Officier zuging, »Ihr gebt mir nicht den wahren Grund an; Ihr wollt allerdings meinen Dienst verlassen, aber: Ihr verbergt mir den Beweggrund Eures Rückzugs.«

      »Sire, glaubt mir…«

      »Ich glaube, was ich sehe, mein Herr: ich sehe einen energischen , kräftigen Mann, voll Geistesgegenwart, den besten Soldaten von Frankreich vielleicht, dieser Mann kann mich entfernt nicht überreden, er bedürfe der Ruhe.«

      »Ah! Sire,« sprach der Lieutenant mit Bitterkeit, »welche Lobeserhebungen! Euere Majestät macht mich ganz verwirrt! Energisch, kräftig, geistreich, tapfer, der beste Soldat der Armee! Sire, Eure Majestät übertreibt mein geringes Verdienst, so daß ich mich, eine so gute Meinung ich auch von mir habe, in der That gar nicht mehr erkenne. Wäre ich eitel genug, nur die Hälfte von den Worten Eurer Majestät zu glauben, so würde ich mich als einen kostbaren, unentbehrlichen Menschen betrachten; ich würde sagen, ein Diener, der so viele und so glänzende Eigenschaften in sich vereinige, sei ein unschätzbares Gut. Sire, nun bin ich aber, ich muß es sagen, heute ausgenommen, meiner Ansicht nach sehr unter meinem Werthe geschätzt worden. Ich wiederhole. Eure Majestät übertreibt also.«

      Der König faltete die Stirne, denn er sah ein Lächeln bittern Spottes im Grunde der Worte des Officiers.

      »Nun mein Herr,« sagte er, »greifen wir die Frage offen an. Sprecht, gefällt Euch mein Dienst nicht? Auf, keine Umwege, antwortet keck, freimüthig, ich will es.«

      Der Officier, der seit einigen Augenblicken mit ziemlich verlegener Miene seinen Hut in seinen Händen hin und her drehte, erhob das Haupt bei diesen Worten und sprach:

      »Oh! Sire, das macht es mir ein wenig leichter. Auf eine Frage, welche so offenherzig gestellt ist, werde ich auch offenherzig antworten. Die Wahrheit sagen ist ein gutes Ding, sowohl wegen des Vergnügens, das man empfindet, wenn man sich das Herz erleichtern kann, als wegen der Seltenheit der Sache. Ich werde also meinem König die Wahrheit sagen, während ich zugleich einem alten Soldaten seine Offenherzigkeit zu verzeihen bitte.«

      Der König schaute seinen Officier mit einer lebhaften Unruhe an, die sich durch die Beweglichkeit seiner Geberden kundgab.

      »Nun wohl, sprecht also,« erwiederte er; »denn ich bin ungeduldig, die Wahrheit zu hören, die Ihr mir zu sagen habt.«

      Der Officier warf seinen Hut auf einen Tisch, und sein schon so verständiges und martialisches Gesicht nahm plötzlich einen seltsamen Charakter von Größe und Feierlichkeit an.

      »Sire,« sagte er, »ich verlasse den Dienst des Königs, weil ich unzufrieden bin. Der Knecht darf sich in dieser Zeit achtungsvoll seinem Herrn nähern, wie ich es thue, ihm über seine Arbeit Bericht machen, ihm die Werkzeuge überbringen, ihm Rechenschaft über die Gelder ablegen, die ihm anvertraut worden sind, und sprechen: »»Meister, mein Tagewerk ist abgemacht, bezahlt mich, ich bitte Euch, und trennen wir uns.««

      »Mein Herr, mein Herr!« rief der König, purpurroth vor Zorn.

      »Ah! Sire,« entgegnete der Officier, einen Augenblick das Knie beugend, »nie war ein Diener ehrfurchtsvoller, als ich es vor Eurer Majestät bin; nur habt Ihr mir die Wahrheit zu sprechen befohlen. Und nun, da ich sie zu sagen angefangen, muß sie auch zu Tage ausgehen, selbst wenn Ihr mir zu schweigen befehlen würdet.«

      Es lag ein solcher Ausdruck von Entschlossenheit in den gefalteten Gesichtsmuskeln des Officiers, daß ihm Ludwig nicht zu sagen brauchte, er könne fortfahren; er fuhr auch fort, während der König ihn mit einer Mischung von Neugierde und Bewunderung anschaute.

      »Sire, es sind, wie gesagt, bald fünf und dreißig Jahre, daß ich dem Hause Frankreich diene; wenig Menschen haben in diesem Dienste so viel Degen als ich verbraucht, und die Degen, von denen ich spreche, waren gute Degen, Sire. Ich war ein Kind und unwissend in allen Dingen, mit Ausnahme des Muthes, als der König,


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Diese Frage des Königs erklärt sich nur dadurch, daß die Franzosen für Urlaub und Abschied dasselbe Wort haben: congé.