Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма

Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма


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würde ich das Glück selbst versuchen, wie ich es schon gethan, mit zweihundert Edelleuten, wenn er mir sie geben, und mit einer Million, wenn er mir sie leihen wollte.«

      »Nun, Sire?«

      »Mein Herr, ich fühle in diesem Augenblick etwas Seltsames, das ist die Genugthuung der Verzweiflung. Es liegt für gewisse Seelen, und ich habe nun bemerkt, daß die meinige zu dieser Zahl gehört, eine wirkliche Genugthuung in der Sicherheit darüber, daß Alles verloren, und daß die Stunde, zu unterliegen, gekommen ist.«

      »Oh!« rief Athos, »ich hoffe, Eure Majestät hat noch nicht die äußerste Grenze erreicht.«

      »Um so zu sprechen, Herr Graf, um es zu versuchen, die Hoffnung in meinem Herzen wiederzubeleben müßt Ihr das, was ich Euch sagte, nicht gut begriffen haben. Ich kam nach Blois, Graf, um von meinem Bruder Ludwig das Almosen einer Million zu fordern, mit der ich meine Angelegenheiten wieder ins Geleise zu bringen die Hoffnung hatte, und mein Bruder Ludwig schlug mir meine Bitte ab. Ihr seht also wohl, daß Alles verloren ist.«

      »Wird mir Eure Majestät erlauben, mit einer entgegengesetzten Ansicht zu antworten?«

      »Wie, Graf, Ihr haltet mich für einen so gewöhnlichen Geist, daß Ihr glaubt, ich vermöge meine Lage nicht ins Auge zu fassen?«

      »Sire, ich habe immer gesehen, daß in verzweifelten Lagen plötzlich die großen Umschläge des Schicksals zu Tage ausgehen.«

      »Ich danke, Graf; es ist schön, Herzen wie das Eurige zu finden, Herzen, welche so sehr auf Gott und die Monarchie vertrauen, daß sie nie an einem königlichen Geschick verzweifeln, so tief es auch gesunken sein mag. Leider sind Eure Worte, lieber Graf, wie jene Mittel, die man unfehlbare nennt, während sie dennoch, da sie nur bei heilbaren Wunden Hilfe zu leisten vermögen, am Tod scheitern. Ich danke Euch für die Beharrlichkeit, mit der Ihr mich tröstet; ich danke Euch für Euer treu ergebenes Andenken, aber ich weiß, woran ich mich zu halten habe. Nichts wird mich nunmehr retten. Und hört, mein Freund, ich war so sehr überzeugt, daß ich den Weg der Verbannung mit meinem alten Diener einschlug; ich kehre zurück, um meine brennenden Schmerzen in der kleinen Einsiedelei zu verzehren, die man mir in Holland anbietet! dort, glaubt mir, Graf, dort wird Alles bald beendigt sein, und der Tod wird rasch kommen; er ist so oft von diesem Leib, den die Seele zernagt, und von dieser Seele, die zum Himmel aufathmet, herbeigerufen worden.«

      »Eure Majestät hat eine Mutter, eine Schwester, Brüder, Eure Majestät ist das Haupt der Familie, sie muß also Gott um ein langes Leben, statt um einen schnellen Tod bitten. Eure Majestät ist geächtet, flüchtig, doch sie hat ihr Recht für sich, sie muß nach Kämpfen, nach Gefahren, nach Thätigkeit und nicht nach der Ruhe des Himmels trachten.«

      »Graf,« sprach Karl II. mit einem Lächeln voll unaussprechlicher Traurigkeit, »hörtet Ihr je sagen, ein König habe sein Reich mit einem Diener vom Alter von Parry und mit dreihundert Thalern, die dieser Diener in seiner Börse trägt, wiedererobert?«

      »Nein, Sire, aber ich hörte sagen, und zwar mehr als einmal, ein entthronter König habe sein Reich mit einem festen Willen, mit Beharrlichkeit, mit Freunden und einer gut angewendeten Million Franken wieder gewonnen.

      »Ihr habt mich also nicht begriffen? Ich habe diese Million von meinem Bruder Ludwig verlangt, und sie ist mir abgeschlagen worden.«

      »Sire, will mir Eure Majestät einige Minuten gewähren und aufmerksam anhören, was ich ihr zu sagen habe?«

      Karl II. schaute Athos fest an und erwiederte:

      »Gern, mein Herr.«

      »Dann werde ich Eurer Majestät den Weg weisen,« sagte der Graf und wandte sich nach dem Haus.

      Und er führte den König in sein Cabinet, bat ihn zu sitzen und sprach:

      »Sire, Eure Majestät hat mir so eben gesagt, bei dem Zustand der Dinge in England würde ihr eine Million genügen, um ihr Reich wieder zu erobern,«

      »Wenigstens, um es zu versuchen und als König zu sterben, sollte es mir nicht gelingen.«

      »Wohl, Sire, Eure Majestät geruhe, nach dem Versprechen, das sie mir geleistet, anzuhören, was mir zu sagen bleibt.«

      Karl machte mit dem Kopf ein Zeichen der Beistimmung, Athos ging gerade auf die Thüre zu, schloß sie mit dem Riegel, nachdem er hinausgeschaut hatte, ob Niemand in der Nähe horche, und kam dann zurück.

      »Sire,« sagte er, »Eure Majestät hat die Gnade gehabt, sich zu erinnern, daß ich dem edlen und unglücklichen König Karl Beistand leistete, als ihn seine Henker von Saint-James nach White-Hall führten.«

      »Ja, gewiß, ich habe mich dessen erinnert und werde mich stets erinnern.«

      »Sire, diese Geschichte ist traurig für einen Sohn anzuhören, der sie sich ohne Zweifel schon oft hat erzählen lassen; doch ich muß sie Euer Majestät wiederholen, ohne einen einzigen Umstand zu übergehen.«

      »Sprecht, mein Herr.«

      »Als der König, Euer Vater, das Schaffot bestieg, oder vielmehr von seinem Zimmer auf das vor seinem Fenster errichtete Schaffot ging, war Alles für seine Flucht vorbereitet. Der Henker war entfernt worden, man hatte ein Loch unter seiner Wohnung gemacht. Ich selbst endlich befand mich unter dem unseligen Gerüste und hörte dieses plötzlich unter seinen Tritten krachen.«

      »Parry hat mir diese furchtbaren Umstände erzählt, mein Herr.«

      Athos verbeugte sich und sprach:

      »Hört, was er Euch nicht erzählen konnte, Sire, denn was folgt, ist zwischen Gott, Eurem Vater und mir vorgefallen, und nie habe ich es irgend einem Menschen, ich habe es nicht einmal meinen,theuersten Freunden anvertraut. »»Entferne Dich!«« sprach der König zu dem verlarvten Henker, »»nur für einen Augenblick, ich weiß wohl, daß ich Dir gehöre; vergiß nicht, daß Du erst, wenn ich das Signal gebe, zu schlagen hast. Ich will frei mein Gebet verrichten.««

      »Verzeiht,« sagte Karl II. erbleichend, »aber Ihr, der Ihr so viele Einzelheiten von diesem unseligen Ereigniß wißt, Einzelheiten, welche, wie Ihr so eben sagtet, Niemand enthüllt worden sind, wißt Ihr den Namen dieses höllischen Henkers, dieses Feigen, der sein Gesicht verbarg, um ungestraft einen König zu ermorden?«

      Athos erbleichte leicht.

      »Seinen Namen?« sprach er; »ja, ich weiß ihn, doch ich kann ihn nicht sagen.«

      »Und was ist aus ihm geworden? . . . denn Niemand in England hat sein Schicksal erfahren.«

      »Er ist gestorben.«

      »Doch nicht in seinem Bett gestorben, nicht eines sanften, ruhigen Todes, nicht des Todes ehrlicher Leute?«

      »Er ist eines gewaltsamen Todes gestorben . . . in einer schrecklichen Nacht, zwischen dem Zorn der Menschen und dem Sturm Gottes. Von einem Dolchstoße durchbohrt, ist sein Leib in die Tiefe des Meeres gesunken. Gott vergebe seinem Mörder!«

      »So gehen wir weiter,« sprach König Karl II., da er sah, daß der Graf nicht mehr sagen wollte.

      »Der König von England, nachdem er, wie ich es erzählt, zu dem verlarvten Henker gesprochen hatte, fügte bei: »»Du wirst nicht eher schlagen, hörst Du wohl, als bis ich die Arme ausstrecke und rufe:  R e m e m b e r!««

      »In der That,« sagte Karl mit dumpfem Tone, »ich weiß, daß dies das letzte Wort ist, welches mein unglücklicher Vater gesprochen hat. Doch in welcher Absicht, für wen?«

      »Für den französischen Edelmann, der unter seinem Schaffot stand.«

      »Für Euch also, mein Herr?«

      »Ja, Sire, und jedes der Wortes das er durch die Bretter des mit einem schwarzen Tuch bedeckten Blutgerüstes gesagt hat, tönen noch in meinem Ohr. Der König setzte also ein Knie auf die Erde. »»Graf de la Fère,«« sagte er, »»seid Ihr da?«« »»Ja, Sire,« antwortete ich. Da neigte sich der König,«

      Ganz zitternd vor Theilnahme, ganz brennend vor Schmerz, neigte sich auch Karl II. gegen Athos, um eines nach dem andern die Worte aufzufassen, welche von den Lippen des Grasen kamen. Sein Kopf streifte den von Athos.

      »Da


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