Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма

Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма


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benutzte diesen Augenblick und sprach:

      »Gnädigster Herr, man wagt es, Eure Hoheit zu stören.«

      »Warum sollte man mich stören?« erwiederte Gaston, indem er eine dicke Schnitte von einem der größten Salme an sich zog, welcher je die Loire hinaufschwommen war, um sich zwischen Painboeuf und Saint-Nazaire fangen zu lassen.

      »Es ist ein Bote von Paris eingetroffen. Oh! doch wir haben nach dem Frühstück von Monseigneur Zeit.«

      »Von Paris?« rief der Prinz, während er seine Gabel fallen ließ; »ein Bote von Paris, sagt Ihr? Und in wessen Auftrag kommt dieser Bote?«

      »Im Auftrag des Herrn Prinzen,« erwiederte eiligst der Oberhofmeister.

      Es ist bekannt, daß man so Herrn von Condé nannte.

      »Ein Bote vom Herrn Prinzen?« sprach Gaston mit einer Unruhe, welche keinem der Anwesenden entging und folglich die allgemeine Neugierde, verdoppelte.

      Monsieur glaubte sich vielleicht in die Zeit jener herrlichen Verschwörungen zurückversetzt, wo ihn das Geräusch der Thüren erschütterte, wo jeder Brief ein Staatsgeheimniß enthalten konnte, wo jede Botschaft einer finsteren und sehr verwickelten Intrigue diente. Vielleicht entfaltete sich auch der Name des Herrn Prinzen unter den Gewölben von Blois in den Verhältnissen eines Gespenstes.

      Monsieur stieß seinen Teller zurück.

      »Soll ich den Gesandten warten lassen?« fragte Herr von Saint-Remy.

      Ein Blick von Madame ermuthigte Gaston, und er erwiederte:

      »Nein, im Gegentheil, laßt ihn auf der Stelle eintreten. Doch sagt, wer ist es?«

      »Ein Edelmann aus dieser Gegend, der Herr Vicomte von Bragelonne.«

      »Ah! ja, sehr gut! . . . Führt ihn ein, Saint-Remy, führt ihn ein.«

      Und als er diese Worte mit seinem gewöhnlichen Ernste hatte fallen lassen, schaute er auf eine gewisse Weise die Leute seines Dienstes an, welche sämmtlich, Pagen, Officianten und Stallmeister, die Serviette, das Messer, den Becher niedersetzten und einen ebenso raschen, als unordentlichen Rückzug nach dem zweiten Zimmer nahmen.

      Diese kleine Armee entfernte sich in zwei Reihen, als Raoul von Bragelonne, dem Herr von Saint-Remy voranschritt, in das Speisezimmer eintrat.

      Der kurze Augenblick der Einsamkeit, in der ihn dieser Rückzug gelassen hatte, erlaubte Monsieur, ein diplomatisches Gesicht anzunehmen. Er wandte sich nicht um und wartete, bis der Oberhofmeister den Boten ihm vor’s Gesicht geführt hatte.

      Raoul blieb am untern Ende der Tafel stehen, so , daß er sich zwischen Monsieur und Madame befand. Er machte von diesem Platze aus eine sehr tiefe Verbeugung vor Monsieur, eine äußerst ehrfurchtsvolle vor Madame, richtete sich dann auf und wartete, bis Monsieur ihn anreden würde.

      Der Prinz wartete seinerseits, bis die Thüren hermetisch verschlossen waren; er wollte sich nicht umwenden, um sich hierüber zu versichern, was nicht würdig genug gewesen wäre; doch er horchte mit allen seinen Ohren auf das Geräusch des Schlosses, was ihm wenigstens einen Anschein von Geheimniß gab.

      Als die Thüre geschlossen war, schlug Monsieur die Augen zum Vicomte von Bragelonne auf und sagte:

      »Es scheint, Ihr kommt von Paris, mein Herr?«

      »In diesem Augenblick, Monseigneur.«

      »Wie befindet sich der König?«

      »Seine Majestät ist vollkommen gesund, Monseigneur.«

      »Und meine Schwägerin?«

      »Ihre Majestät die Königin Mutter leidet immer noch auf der Brust. Seit einem Monat geht es indessen besser.«

      »Sagte man mir nicht, Ihr kämet von Seiten des Herrn Prinzen? Man täuschte sich sicherlich.«

      »Nein, Monseigneur, Der Herr Prinz hat mich beauftragt, Eurer königlichen Hoheit diesen Brief zu übergeben, und ich erwarte eine Antwort darauf.«

      Raoul war etwas aufgeregt durch diesen kalten, ängstlichen Empfang; seine Stimme sank unmerklich zu dem unruhigen Tone der Stimme des Prinzen herab, so daß Beide beinahe leise sprachen. Der Prinz vergaß, daß er die Ursache dieses Geheimnisses war, und die Furcht erfaßte ihn wieder. Er empfing mit scheuem Auge den Brief des Prinzen von Condé, entsiegelte ihn, als ob er ein verdächtiges Paquet entsiegeln würde, und wandte sich, um ihn zu lesen, um, damit Niemand die Wirkung auf seinem Gesichte bemerken könnte.

      Madame beobachtete mit einer Aengstlichkeit, welche beinahe der des Prinzen gleichkam, jedes der Manoeuvres ihres erhabenen Gemahls.

      Unempfindlich und durch die Aufmerksamkeit seiner Wirthe etwas vom Zwang befreit, schaute Raoul von seinem Platze aus durch das vor ihm offene Fenster nach den Gärten und den Statuen, welche dieselben bevölkerten.

      »Ah!« rief plötzlich Monsieur mit einem strahlenden Lächeln, »das ist eine angenehme Ueberraschung und ein reizender Brief vom Herrn Prinzen! Seht, Madame

      Der Tisch war zu breit, als daß der Arm des Prinzen die Hand der Prinzessin erreichen konnte; Raoul beeilte sich, ihr Vermittler zu sein; er that dies mit einer Anmuth, welche die Prinzessin entzückte und dem Vicomte einen schmeichelhaften Dank eintrug.

      »Ihr kennt ohne Zweifel den Inhalt dieses Briefes?« sagte Gaston zu Raoul.

      »Ja, gnädigster Herr, der Herr Prinz übergab mir Anfangs die Sendung mündlich; doch Seine Hoheit bedachte und nahm die Feder.«

      »Es ist eine schöne Handschrift,« sprach Madame, »doch ich kann nicht lesen.«

      »Wollt Ihr Madame vorlesen, Herr von Bragelonne?« sagte der Herzog.

      »Ja, lest, ich bitte Euch, mein Herr,« fügte Madame bei.

      Raoul begann die Lesung, der Monsieur abermals seine volle Aufmerksamkeit schenkte.

      Der Brief war in folgenden Worten abgefaßt:

      »Monseigneur,

      »Der König reist nach der Grenze ab: Ihr werdet erfahren haben, daß die Heirath Seiner Majestät demnächst geschlossen wird; der König hat mir die Ehre erwiesen, mich für diese Reise zu seinem Quartiermeister zu ernennen, und da ich weiß, welche große Freude es Seiner Majestät gewähren würde, einen Tag in Blois zuzubringen, so wage ich es, Eure königliche Hoheit um die Erlaubniß zu bitten, mit meiner Kreide das Schloß, das sie bewohnt, bezeichnen zu dürfen. Sollte jedoch das Unvorhergesehene dieser Bitte Eurer königlichen Hoheit eine Beschwerlichkeit bereiten, so ersuche ich sie, es mir durch den Boten, den ich ihr schicke, einen in meinem Dienste stehenden Edelmann, den Herrn Vicomte von Bragelonne, zu wissen zu thun. Mein Reiseplan hängt von dem Entschluß Eurer königlichen Hoheit ab, und statt Blois zu wählen, werde ich Vendome oder Romorantin bezeichnen. Ich hoffe. Eure königliche Hoheit wird meine Bitte gut aufnehmen, denn es ist der Ausdruck meiner grenzenlosen Ergebenheit und meines Wunsches, ihr angenehm zu sein.«

      »Das ist äußerst huldvoll gegen uns,« sprach Madame, die sich mehr als einmal während dieses Lesens mit den Blicken ihres Gemahls berathen hatte. »Der König!« rief sie etwas lauter, als vielleicht, wenn man das Geheimnis bewahren wollte, nöthig gewesen wäre.

      »Mein Herr,« sagte Seine Hoheit, welche nun das Wort nahm, »ich werde dem Herrn Prinzen von Condé danken und ihm meine ganze Erkenntlichkeit für das Vergnügen ausdrücken, das er mir bereitet.«

      Raoul verbeugte sich.

      »An welchem Tag kommt Seine Majestät?« fuhr der Prinz fort.

      »Der König, Monseigneur, wird aller Wahrscheinlichkeit nach schon diesen Abend ankommen.«

      »Aber wie hätte man dann meine Antwort erfahren, falls sie verneinend gewesen wäre?«

      »Monseigneur, ich hatte den Auftrag, in aller Eile nach Beaugency zurückzukehren, um dem Courier Gegenbefehl zu geben, der selbst wieder zurückgekehrt wäre, um dem Herrn Prinzen den Gegenbefehl zu überbringen.«

      »Seine


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