Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма

Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма


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von Herz, Athos. Gott befohlen!«

      Sie trennten sich. Während dieses ganzen Gesprächs hatte d’Artagnan nicht eine Sekunde ein gewisses Packpferd, in dessen Körben, unter Heu, die Reisetaschen nebst dem Felleisen enthalten waren, aus dem Gesicht verloren. Es schlug neun Uhr auf Saint-Merri; die Ladendiener von Planchet schloßen eben die Bude. D’Artagnan ließ den Postknecht, der das Packpferd führte, an der Ecke der Rue des Lombards unter einem Wetterdach halten, rief einem Ladendiener von Planchet und übergab diesem nicht nur die zwei Pferde, sondern auch den Postknecht zur Bewachung; dann trat er bei dem Spezereihändler ein, der gerade sein Nachtessen beendigt hatte und mit einer gewissen Aengstlichkeit in seinem Kalender rechnete, in welchem er jeden Abend den abgelaufenen Tag durchstrich.

      In dem Augenblick, wo Planchet, seiner Gewohnheit gemäß, mit der umgekehrten Feder den beendigten Tag seufzend durchstrich, stieß d’Artagnan mit dem Fuß auf die Thürschwelle, und dieser Stoß machte seinen eisernen Sporn klirren.

      »Ah! mein Gott!« rief Planchet. Der würdige Spezereihändler konnte nicht mehr sagen; er hatte seinen Associe erschaut, d’Artagnan trat mit gekrümmtem Rücken und mit verdrießlichem Auge ein. Der Gascogner hatte seine Idee in Beziehung auf Planchet.

      »Guter Gott! er ist traurig!« dachte der Spezereihändler, den Reisenden betrachtend.

      Der Musketier setzte sich.

      »Lieber Herr d’Artagnan!« sprach Planchet mit einem furchtbaren Herzklopfen, »endlich seid Ihr da! und wie steht es mit Eurer Gesundheit?«

      »Ziemlich gut, Planchet, ziemlich gut,« antwortete d’Artagnan, einen Seufzer ausstoßend.

      »Ihr seid hoffentlich nicht verwundet worden?«

      »Bah!«

      »Ah! ich sehe,« fuhr Planchet immer ängstlicher fort, »die Expedition ist eine anstrengende gewesen.«

      »Ja,« machte d’Artagnan.

      Ein Schauer durchlief den ganzen Leib von Planchet, »Ich würde gern trinken,« sagte der Musketier mit kläglicher Stimme, den Kopf erhebend.

      Planchet lief selbst nach dein Schrank und schenkte d’Artagnan Wein in ein großes Glas ein. D’Artagnan schaute du Flasche an.

      »Was für Wein ist das?« fragte er.

      »Ach! es ist von dem, welchen Ihr besonders liebt, Herr,« erwiederte Planchet, »es ist der gute alte Anjou-Wein, der uns Alle beinahe eines Tags so theuer zu stehen gekommen wäre.«

      Ah!« sagte d’Artagnan mit einem schwermüthigen Lächeln, »ah! mein armer Planchet, ich soll also noch guten Wein trinken!«

      »Hört, mein lieber Herr,« sprach Planchet mit einer übermenschlichen Anstrengung, während das Zusammenziehen aller seiner Muskeln, seine Blässe und sein Zittern die tiefste Angst offenbarten; »hört, ich bin Soldat gewesen, und habe folglich Muth; laßt mich also nicht schmachten, lieber Herr d’Artagnan; nicht wahr, unser Geld ist verloren?«

      D’Artagnan nahm sich, ehe er antwortete, eine Zeit, welche dem Spezereihändler wie ein Jahrhundert vorkam, Er hatte sich jedoch nur auf seinem Stuhl umgekehrt.

      »Und wenn dies wäre,« erwiederte er langsam und indem er den Kopf von oben nach unten wiegte, »was würdest Du dazu sagen, mein armer Freund?«

      Planchet wurde von bleich, wie er gewesen, völlig gelb. Es war, als hätte er seine Zunge verschlungen, so sehr schwoll seine Kehle an, so rötheten sich seine Augen.

      »Zwanzigtausend Livres!« murmelte er, »zwanzigtausend Livres.«

      Den Hals schlaff, die Beine ausgestreckt, die Hände träg, glich d’Artagnan einer Bildsäule der Entmuthigung. Planchet entriß den tiefsten Höhlen seiner Brust einen schmerzlichen Seufzer.

      »Ah!« sagte er, »ich sehe, wie die Sache steht. Wir wollen Männer sein. Nicht wahr, es ist Doch Euer Leben ist gerettet, gnädiger Herr, und ist die Hauptsache.«

      »Das Leben ist allerdings etwas, doch mittlerweile bin ich zu Grunde gerichtet.«

      »Ah! Herr, wenn es auch so steht, so darf man darum doch noch nicht verzweifeln; Ihr verbindet Euch als Spezereihändler mit mir, ich mache Euch zu meinem Associe, wir theilen den Nutzen, und wenn es keinen Nutzen mehr gibt, nun, so theilen wir die Mandeln, die getrockneten Weinbeeren und die Pflaumen, und knaupeln mit einander das letzte Viertel holländischer Käse.«

      D’Artagnan konnte nicht länger widerstehen.

      »Mordioux!« rief er ganz bewegt, »Du bist ein braver Bursche, Planchet, bei meiner Ehre! Sprich, Hast Du nicht Komödie gespielt? Sprich, hast Du nicht dort unter dem Wetterdach das Pferd mit den Reisetaschen gesehen?«,

      »Welches Pferd, welche Reisetaschen?« fragte Planchet, dem sich das Herz bei dem Gedanken, d’Artagnan würde ein Narr, zusammenschnürte.

      »Ei! die englischen Reisetaschen!« rief d’Artagnan, ganz strahlend, ganz verklärt.

      »Ah! mein Gott!« stammelte Planchet, vor dem blendenden Feuer seiner Blicke zurückweichend.

      »Dummkopf! Du hältst mich für verrückt. Mordioux! mein Kopf ist im Gegentheil nie gesünder, mein Herz nie freudiger gewesen. Zu den Reisetaschen, Planchet, zu den Reisetaschen!«

      »Mein Gott! zu welchen Reisetaschen?«

      D’Artagnan schob Planchet nach dem Fenster und fragte:

      »Siehst Du dort unter dem Wetterdach ein Pferd?«

      »Ja.«

      »Siehst Du, wie sein Rücken beschwert ist?«

      »Ja, ja.«

      »Siehst Du, wie einer von Deinen Ladendienern mit dem Postknecht plaudert?«

      »Ja, ja, ja!«

      »Nun! Du weißt den Namen dieses Burschen, da er in Deinem Dienst ist. Rufe ihn.«

      »Abdon! Abdon!« schrie Planchet aus dem Fenster.

      »Führe das Pferd hierher!« rief d’Artagnan.

      »Führe das Pferd hierher!« brüllte Planchet.

      »Nun zehn Livres dem Postknecht,« sagte d’Artagnan mit einem Ton, als ob er ein Manoeuvre befehligte; »zwei Diener, um die zwei ersten Taschen herauszutragen, zwei für die zwei letzten, und Feuer, Mordioux! Thätigkeit!«

      Planchet stürzte nach den Stufen, als ob ihn der Teufel in die Beine gebissen hätte.

      Einen Augenblick nachher stiegen die Ladendiener, sich unter ihrer Bürde biegend, die Treppe herauf. D’Artagnan schickte sie in ihre Dachstube zurück, verschloß sorgfältig die Thüre, wandte sich an Planchet, der seinerseits beinahe verrückt wurde, und sagte:

      »Nun ist es an uns Beiden.«

      Und er breitete eine große Decke auf dem Boden aus und leerte die erste Reisetasche darauf. Planchet that dasselbe mit der zweiten; dann schnitt d’Artagnan die dritte mit dem Messer auf. Als Planchet das lockende Geräusch von Silber und Gold hörte, als er aus dem Sack die glänzenden Thaler springen sah, welche hüpften und zuckten wie die Fische außerhalb des Wurfnetzes, als er sich bis an die Wade in die immer mehr steigende Fluth von gelben und weißen Stücken getaucht sah, ergriff ihn der Schwindel, er drehte sich um sich selbst wie ein vom Blitz getroffener Mensch, und sank schwerfällig auf den ungeheuren Haufen nieder, den sein Gewicht mit einem unbeschreiblichen Getöse zusammenbrechen machte.

      Gleichsam erstickt durch die Freude, hatte Planchet das Bewußtsein verloren. D’Artagnan goß ihm ein Glas weißen Wein in’s Gesicht, was ihn sogleich wieder zum Leben zurückrief.

      »Ah! mein Gott! ah! mein Gott! ah! mein Gott!« rief Planchet, seinen Schnurrbart und seinen Kinnbart abwischend.

      In jener Zeit, wie in unseren Tagen, trugen die Spezereihändler einen ritterlichen Schnurrbart und den Kinnbart eines Landsknechts; nur sind die Silberbäder, welche in jener Zeit schon sehr selten waren, heut zu Tage völlig unbekannt geworden.

      »Mordioux!« sagte d’Artagnan, »hier sind hunderttausend Livres für Euch, meinen


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