Der Schiffs-Capitain. Александр Дюма
dennoch nur unbestimmt und oberflächlich antworten, weil sie den der Fregatte nichts wußten als was sie selbst muthmaßten. Der Graf wallte sich also eben fortbegeben, als er von dem Damm eine Barke sich nähern sah, die sechs Ruderer hatte und direkt unter die zerstreuten Gruppen der Dünen eine neue Person führten, die in dem Augenblick so lebhaft erregter Neugier, alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen mußte.
Es war ein Jüngling, welcher kaum zwanzig bis zwei und zwanzig Jahr alt zu sein schien und die Uniform eines Aspiranten der königlichen Marine trug. Er saß oder lag vielmehr auf einer Bärenhaut, die Hand auf das Steuerruder der kleinen Barke gestützt, während der Steuermann nach einer Laune seines Obern, sich müßig befand, und vorne in dem Kannot saß. So wie man dieses Schiffchen gewahrte, wendete sich alles nach ihm hin, als brächte es die letzte Hoffnung, eine so gewünschte Nachweisung zu erhalten.
Es war also mitten unter einem Theil der Bevölkerung von Port-Louis, daß die Barke, durch die letzte Anstrengung der Ruderer getrieben, acht bis zehn Fuß vom Strand, landete; der geringe Wasserstand an diesem Ort, erlaubte nicht weiter vorzudringen; sogleich ließen zwei Matrosen ihre Ruder fallen, legten sie an den Rand der Barke und stiegen ins Meer, das ihnen hier bis an die Knie ging. Der junge Fähnrich stand nachlässig auf, trat auf die Vorderseite und ließ sich auf ihren Armen auf den Strand tragen, so daß kein Tropfen Wasser auf seine Uniform kam. Hier angekommen, befahl er, die Erdezunge zu umfahren, die sich noch hier drei bis vierhundert Schritt in den Ocean erstreckte, und ihn auf der anderen Seite der Batterie zu erwarten. Er selbst verweilte einen Augenblick auf dem Ufer, um seine Haare zu ordnen, welche die Art des Transportes, die er hatte ergreifen müssen, um hierher zu gelangen, in einige Unordnung gebracht hatte; dann schritt er, ein französisches Liedchen summend, bis an die Thür der, kleinen Festung und sprang, nach einem leichten Gruße der Schildwache, die ihn als ihren Obern begrüßt hatte, hinein.
Ob nun in einem Seehafen wohl Nichts natürlicher ist, als daß ein Officier über die Rhede kommt und in eine Festung geht, waren die Leute doch so gespannt. daß vielleicht kein Einziger unter der auf der Küste zerstreueten Menge sich befand, der sich nicht eingebildet hätte der Besuch, den der Festungscommandant jetzt erhielt ; nicht Bezug habe auf das Schiff, das der Gegenstand der allgemeinen Muthmaßungen und völlig unbekannt war. Als demnach der junge Fähnrich wieder unter dem Thore erschien , fand er sich in einem so engen Kreise eingeschlossen, saß er einen Augenblick nicht übel Lust zu haben, schien, sich mit dem Stöckchen, das er in bei Hand hielt. Luft zu machen; nachdem er es aber einige mal mit einer vollkommen unverschämten Affectation hatte umherpfeifen lassen, schien er sich. plötzlich anderes zu besinnen. und da er den Grafen Manuel gewahrte, dessen vornehmes Aussehen und zierliche Uniform, mit der Tracht und dem Anschein der gemeinen Menge die ihn umgab, kontrastirte, ging er auf diesen zu, da dieser sich ihn gleichfalls näherte.
Beide Officiere wechselten einen schnellen Blick, er war aber hinreichend, daß sie sich gegenseitig an unzweifelhaften Zeichen als Leute von Staub und Condition erkannten. Folglich grüßten sie einander sogleich mit anmuthiger Leichtigkeit und vertraulich höflich, wie es den jungen Kavalieren der damaligen Zeit eigen war.
»Bei Gott! Mein lieber Landsmann!« rief der junge Fähndrich, »denn ich halte sie für einen Franzosen, wie mich, ob ich ihnen gleich in einem hyperboräischen Lande und in Regionen begegne, die – wo nicht wild, doch leidlich barbarisch sind, wollten sie mir wohl sagen, was ich denn so Außerordentliches an mir habe, daß ich hie zu Lande Revolution hervorbringe? oder ist in Lorient ein Seeofficier so was seltenes, daß schon seine Gegenwart die Neugier der Eingebornen von Unterbretagne bis zu diesem Grade aufregt? Wenn sie das thun, so leisteten sie mir, das gestehe ich, einen Dienst, den sich herzlich gern bei vorkommenden Gelegenheiten ihnen nützlich werden zu können, erwiedern würde.«
»Das wird um leichter sein,« antwortete Graf Manuel, »als diese Neugier weder etwas beleidigendes für ihre Uniform, noch Feindseliges für ihre Person enthält; der Beweis davon, lieber College – denn ich sehe an ihren Epaulets, daß wir im Herr Sr. Majestät fast zu gleichen Graden angestellt sind – ist, daß ich mit diesen ehrlichen Brittaniern, die Neugier theile, die sie ihnen vorwerfen, wiewohl ich wahrscheinlich gegründetere Ursache habe als sie, um Aufschluß über das Problem zu wünschen, das sie in diesem Augenblick verfolgen!« —
»Nun wohl!« versetzte der Seemann, »wenn ich ihnen in der unternommenen Nachforschung in Etwas behilflich sein kann, so steht ihnen meine Algebra zu Befehl; nur befinden wir uns hier schlecht zu mathematischen Erklärungen. Wäre es ihnen gefällig, uns ein wenig von diesen guten Leuten zu entfernen, die uns blos in unsern Berechnungen irre« machen können?«
»Sehr gern « antwortete der Graf,. »und um so mehr, da sie sich, wenn ich mich nicht täusche , ihrer Barke und ihren Matrosen nähern, wenn wir hier fortgehen.«
» O! daraus kommt nichts an, Gefällt ihnen dieser Weg nicht, so nehmen einen andern. Ich habe Zeit und meine Jungen haben noch weniger Eil als ich. Also steuern wir an's Ufer, wenn es ihnen beliebt.«
»Mitnichten; gehn wir im Gegentheil lieber vorwärts; je näher wir am Gestade sein werden je besser können wir die Sache besprechen, von der ich sie unterhalten will. Lassen sie uns also auf dieser Erdzunge fortschreiten, so lange wir Fuß fassen können.«
Der junge Seemann ging ohne zu antworten mit ihm vorwärts, als wäre ihm diese Richtung vollkommen einerlei, und. beide Jünglinge, die sich zum ersten mal begegneten, schritten Arm in Arm , wie Jugendfreunde, bis an die Spitze der Erdzunge, die gleich einer Lanzenspitze sich zwei bis drei hundert Schritt eins Meer erstreckte. Als sie dort waren, stand der Graf.still., und wies mit der Hand nach dem Schiff.
»Wissen sie was das für ein Gebäude ist?« fragte er seinen Gefährten.
Der junge Seemann warf einen schnellen und forschenden Blick auf den Grafen, dann auf das Schiff, und antwortete obenhin: »Nun, eine hübsche Fregatte von zwei und dreißig Kanonen, von ihrem Anker gehalten, mit allen Segeln zur Abreise bereit beim ersten Signal.«
»Verzeihen sie,« lächelte Manuel, »aber darnach fragte ich nicht. Was geht mich die Kanonenzahl und der Anker an,« der Seemann lächelte auch, »aber,« fuhr jener fort, » was ich zu wissen wünsche, ist die Nation, der sie wirklich gehört, den Ort wohin sie segeln wird und der Name ihres Kapitäns.«
« »Was.die Nation betrifft,« antwortete der Seemann, »so hat sie Sorge getragen, uns selbst davon zu unterrichten, oder sie wäre eine infame Lügnerin. Sehn sie nicht die aufgehißte Flagge; sie ist fleckenlos, ein wenig abgenutzt,denn sie hat viel gedient. Ihre Bestimmung ist, wie ihnen der Platzkommandant gesagt haben wird, wenn sie ihn darüber befragt haben, Mexiko« – Manuel sah ihn verwundert an – »was nun den Kapitain betrifft, so ist das schwieriger zu sagen. Einige würden darauf schwören, es sei ein junger Mann in unsern Jahren, denn ich meine, unsre Wiegen folgten auf einander, wiewohl unser beiderseitiges Handwerk zwischen unsre Gräber einen weiten Raum setzen kann. Andre behaupten, er wäre so alt wie mein Onkel, der Graf d'Estaing, der, wie Ihnen ohne Zweifel bekannt sein wird, zum Admiral ernannt worden ist, und jetzt die Rebellen in Amerika, wie sie noch zuweilen in Frankreich genannt werden, zu Paaren treibt. Was aber seinen Namen betrifft, das ist was anders; man sagt er wisse ihn selbst nicht, und man warte auf ein glückliches Ereigniß ihn zu erfahren, er heißt Paul.«
»Paul?«
»Ja, Kapitain Paul.«
»Paul, – von was?«
» Paul von der Providenz, von dem Ranger, von der Allianz, wie er eben das Schiff kommandirt. Giebt's nicht auch in Frankreich Kavaliere, die ihre Namen zu kurz finden. ihn durch den Namen ihrer Besitzung verlängern und über das Ganze den Helm eines Ritters, oder das Wappen mit der gebundenen Schnur eines Freiherrn setzen, so daß ihr Siegel und ihre Carosse das Ansehn eines so alten Geschlechts haben, das man es nur gern ansieht. Nun, hier ist's auch so. Für jetzt heißt er, glaub ich, Paul von der Indianerin, und ist stolz darauf, denn wenn ich nach meinen Sympathien eines Seemanns darüber urtheile, glaub ich nicht, daß er seine Fregatte gegen das schönste Landgut vertauschen würde, das sich vom Hafen zu Brest bis zur Mündung der Rhone erstreckte.«
»Welchen Charakter hat aber dieser Mensch?« fragte Manuel, nachdem er einen Augenblick über das Gemisch von Spott und Naivität nachgedacht hatte, die aus diesen Antworten abwechselnd hervorschimmerte.