Die Holländerin. Александр Дюма

Die Holländerin - Александр Дюма


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sollte.

      – Wegen einer ernsten Sache?

      – Nein, nur wegen eines Menschen, der mir gesagt, daß Euphrasia mich hinterginge. Ich stand zufällig und gab ihm eine Ohrfeige; hätte ich gesessen, würde ich ihm nicht geantwortet haben.

      – Und was that der andere?

      – Er forderte mich.

      – Nahmen Sie die Forderung an?

      – Ja, aber ich habe mich nicht geschlagen.

      – Hat er Sie um Entschuldigung gebeten?

      – Nein, wir bestimmten für den folgenden Tag ein Rendez-Vous. Als ich nach Hause kam, fand ich den Commis vor, von dem ich Ihnen vorhin erzählte, daß er meine Bücher führt. Es war gerade am Ende des Monats, er hatte viel Zahlungen zu machen, und beschäftigt mit diesen Zahlungen, vergaß auch ich, daß ich mich den nächsten Morgen schlagen sollte. Den größten Theil der Nacht brachte ich mit dem Ordnen der Rechnungen zu und ging spät zu Bett. Es war sehr kalt und um elf Uhr des Morgens schlief ich noch so sanft, wie man nur sanft schlafen kann. Da ward ich geweckt. Als ich die Augen öffnete, sah ich den Mann vor mir, dem ich Tages zuvor eine Ohrfeige gegeben hatte – er schien vor Kälte ganz erstarrt zu sein.

      – Mein Herr, sprach er mit zornbebender Stimme, seit drei Stunden erwarte ich Sie!

      – Nun, fragte ich.

      – Nun, mein Herr, Sie sind nicht zum Rendez-Vous gekommen?

      – Ich weiß es, mein Herr, da ich noch im Bette liege.

      – Aber mich friert!

      – Das kann mir sehr gleichgültig sein, denn mir ist warm.

      – Sind Sie bereit, mir zu folgen?

      – Fällt mir nicht ein. Ich habe nicht Lust, wie Sie, mit den Zähnen zu klappern, weiße Backen und eine rothe Nase zu bekommen. Wann waren Sie an dem bestimmten Orte?

      – Um acht Uhr, mein Herr.

      – Und Sie haben mich erwartet?

      – Bis elf Uhr – macht drei Stunden.

      – Da hat Sie wohl sehr gefroren?

      – Ich bin ganz erstarrt, antwortete mein Gegner, und werde wohl eine Krankheit davon tragen.

      – Nun, mein wackerer Freund, sprach ich, ich finde, daß Sie für die mir zugefügte Beleidigung genug gestraft sind, ich verzeihe Ihnen, gehen Sie nach Hause. Legen Sie sich in ein gut gewärmtes Bett, trinken Sie eine Taffe heißen Syrup und es wird Ihnen nichts schaden. Leben Sie wohl, mein Bester, und hüten Sie sich in Zukunft vor Unbesonnenheiten.

      »Mit diesen Worten wandte ich mich in meinem Bette um, um wieder einzuschlafen; der Herr aber fuhr fort zu schreien und zu toben. Da zog ich die Glocke und ließ ihn zur Thür hinauswerfen. Ich glaube, mein Commis hat die Sache in Ordnung gebracht, da er es war, den jener Herr mir als den Liebhaber meiner Frau bezeichnete. Ich habe nie wieder etwas von meinem Gegner gehört.«

      Tristan sah Herrn Van-Dick bewundernd an.

      – Der ist in der That ein glücklicher Mensch, dachte er. Während dieser Zeit hatte der Holländer, als ob er ganz gleichgültige Sachen erzählte, ruhig und sorgfältig seine Zeitung entfaltet und sie von dem Tabak gesäubert, der darauf gefallen war. In dem Augenblicke, als er zu lesen beginnen wollte, senkte er noch einmal das Blatt und richtete eine mit der Brille bewaffneten Augen auf Tristan.

      – Nicht wahr, junger Mann – fragte er – Sie haben sich einer Frau wegen geschlagen?

      – Ja!

      Herr Van-Dick lächelte und schien den Abschnitt in der Zeitung zu suchen, den er lesen wollte. Als er ihn gefunden, lehnte er sich in die Ecke des Wagens und begann aufmerksam zu lesen.

      Tristan betrachtete noch eine Zeitlang dieses Original unter der so ganz gewöhnlichen Hülle, dann weidete er sich an der Landschaft, die sich vor seinen Augen ausbreitete. Da er nichts zu lesen hatte und des Denkens müde war, schob er seine Reisemütze unter den Kopf und schloß die Augen, um zu schlafen.

       2

      Die Vorsehung nimmt die Gestalt eines holländischen Kaufmanns an

      Der Wagen, in welchem sich die Herrn Van-Dick und Tristan befanden, fuhr, wie alle Wagen, welche täglich einen bestimmten Weg zurücklegen müssen. Die Pferde, mit horizontal gerichtetem Halse, trabten mit einer ruhigen und einförmigen Langsamkeit, welche zu beobachten Vergnügen gewährt. Der Kutscher, halb im Schlafe auf seinem hohen Sitze, läßt, wie Hippolyt, die Zügel über seine Renner herabhängen, und weckt ihn dann und wann ein Stoß des Wagens, so versetzt er den Rossen einen wohlthätigen Peitschenhieb, den diese mehr für eine freundschaftliche Erinnerung, als für einen Beweis des Zornes halten, denn sie bewegen sich auch nicht um ein Haar rascher, sondern thun, als ob nichts vorgefallen wäre. Der Wagenlenker schließt seine Augen wieder und bleibt unempflindlich gegen die Reize, mit welchen ihn die Natur umgiebt.

      Niemand beklagt sich übrigens darüber, denn es ist eine stillschweigend angenommene Sache, daß dieser, von zwei magern Pferden gezogene alte Holzkasten sich mit den Flügeln der Jugend nicht versuchen kann, da er sonst denen, die er befördert, gefährlich werden möchte. In einer solchen Lage bleiben dem Reisenden nur drei Dinge zu thun: er plaudert, wenn er einen Nachbar zum Plaudern hat, er liest, wenn er ein unterhaltendes Buch hat, oder er schläft, wenn er Schlaf hat. Tristan hatte geplaudert, ein Buch hatte er nicht, folglich schlief er.

      Herr Van-Dick hatte seine Lektüre beendet und war, wie es schien, nicht sonderlich davon erbaut. Nachdem er das Zeitungsblatt wieder zusammengelegt, eine Prise duftenden Tabaks geschnupft und die Brille sorgfältig in ihr Etui gesteckt, blies er die Tabakskörner von seinem Hemde und räusperte sich, wie ein Mensch, der nicht mehr weiß, was er thun soll.

      Tristan, der nur in einem leisen Schlafe lag und auf einen Vorwand zum Erwachen wartete, bewegte sich und schlug die Augen auf.

      – Nun, mein Herr, sprach er, haben Sie Ihre Lectüre beendet?

      – So eben, und Sie, haben Sie Ihren Schlaf beendet?

      – Ja!

      – Was zum Teufel, wo können wir sein?

      – Ich weiß es nicht.

      – Der Conducteur wird doch anhalten, damit wir zu Mittag essen können?

      – Hoffentlich, zumal, da es nicht viel Mühe kostet, die Rosse in ihrem Laufe zu hemmen. Ich habe mir schon oft die Frage vorgelegt, was ein Conducteur, der so viel Zeit auf der Reise zubringt, wohl eigentlich denkt.

      – Er denkt nicht. Wenn er dächte, wäre er zu entschuldigen.

      – Was thut er?

      – Er schläft.

      – Es würde vortheilhafter und bequemer für ihn sein, wenn er uns schneller führe und sich zu Hause in das Bett legte. Das Phlegma eines solchen Menschen ist zum verzweifeln.

      – Mir ist es sehr gleichgültig, antwortete Herr Van-Dick mit großer Ruhe; warum, will ich Ihnen erklären: Ich reise, nicht wahr? Mit einem Platze würde ich schlecht fahren, also nehme ich mir zwei. Ich steige in den Wagen. Befinde ich mich in dem Coupé allein, so habe ich drei Plätze, obgleich ich nur für zwei bezahlt habe; dies ist ein Glück, das ich nicht erwartete und nütze es. Habe ich einen Nachbar, so plaudere ich mit ihm. Finde ich seine Unterhaltung amüsant, so höre ich, und finde ich Vergnügen zu reden, so rede ich. Sehe ich, daß wir nicht zusammen sympathisiren, so vergesse ich, daß er da ist, mache mir es auf meinen beiden Plätzen bequem, ziehe mein Journal aus der Tasche und lese. Langweilt mich mein Journal, so schlafe ich, und habe ich keine Lust mehr zum schlafen, so esse ich, denn ich führe stets einen kleinen Vorrath bei mir. Habe ich keinen Hunger, so betrachte ich die Gegend, und gefällt mir die Gegend nicht, so denke ich. Bei dem Denken komme ich indeß immer zuletzt an, denn es ist sehr ermüdend. Der Conducteur kann mich also nicht ärgern. Fährt er schnell, so freue ich mich über die Schnelligkeit, fährt er langsam, so habe ich das Vergnügen, mich wiegen zu lassen. Indem ich mich so zum Sclaven der Umstände


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