Die Zwillingsschwestern von Machecoul. Александр Дюма
Lussac« vor.
Man verneigte sich.
»Jetzt,« sagte der Graf, »müssen wir den neuen Gästen Plätze besorgen; auf der Reise hat man guten Appetit.«
Die Gäste rückten zusammen, der Tisch war groß, es fand sich daher leicht noch Raum für die drei neuen Gäste.
»Lieber Vetter,« sagte die Herzogin, »Sie sagten mir, der Herr Präfect aus Poitiers sey hier.«
»Ja wohl, Madame, es ist der Herr zur Rechten der Gräfin, mit der Brille, der weißen Cravate und der Rosette der Ehrenlegion im Knopfloch.«
»Stellen Sie mich ihm doch vor.«
Der Graf von Vouillé hatte die Komödie muthig begonnen; er meinte, daß er sie auch zu Ende spielen müsse.
Er ging auf den Präfecten zu, der sich mit Würde auf seinem Sessel zurücklehnte.
»Herr Präfect,« sagte er, »meine Cousine hält in ihrer ererbten Ehrfurcht vor der Amtsgewalt eine allgemeine Vorstellung Ihnen gegenüber für ungenügend und wünscht Ihnen besonders vorgestellt zu werden.«
»Und sogar officiell, lieber Vetter,« setzte die Herzogin hinzu.
»Privatim oder officiell,« erwiderte der galante Präfect, »Madame wird stets willkommen seyn.«
»Das freut mich unendlich,« sagte die Herzogin.
»Sie reisen nach Nantes, Madame?« sagte der Präfect, um etwas zu sagen.
»Ja, und von da nach Paris – wie ich wenigstens hoffe.«
»Es ist wohl nicht das erste Mal, daß Sie die Hauptstadt besuchen?«
»Nein, ich habe zwölf Jahre in Paris gewohnt.«
»Und Sie haben Paris verlassen?«
»Ja, sehr ungern.«
»Schon seit langer Zeit?«
»Im Juli werden es zwei Jahre.«
»Ich finde es ganz begreiflich, wenn man in Paris gewohnt hat – «
»Wünscht man wieder hin; es freut mich, daß Sie es begreiflich finden.«
»O Paris – Paris!« sagte der Präfect.
»Sie haben Recht,« erwiderte die Herzogin, »es ist das Paradies der Welt.«
Sie wandte sich schnell ab, denn sie fühlte, daß eine Thräne an ihren Wimpern zitterte.
»Zu Tische!« sagte der Herr vom Hause.
»Lieber Vetter,« sagte die Herzogin, indem sie einen Blick auf den ihr bestimmten Platz warf, »lassen Sie mich bei dem Herrn Präfecten; er hat mir seine Wünsche so aufrichtig ausgesprochen, daß ich ihn bereits zu meinen Freunden zähle.«
Der Präfect, über das Compliment sehr erfreut, rückte schnell seinen Stuhl, und die Herzogin wurde, zum Nachtheil der Person; welcher dieser Ehrenplatz zugedacht war, an seine linke Seite gesetzt.
Die beiden Herren nahmen die ihnen angewiesenen Plätze ohne Widerrede ein, und zumal de Lussac ließ sich's wohl schmecken.
Alle Gäste folgten diesem Beispiel, und es entstand eine feierliche Stille, wie sie im Anfange eines ungeduldig erwarteten Schmauses einzutreten pflegt.
Die Herzogin brach zuerst das Schweigen: ihr abenteuerlicher Geist fühlte sich wie der Meervogel vorzüglich im Sturme wohl.
»Unsere Ankunft,« sagte sie, »scheint das Gespräch unterbrochen zu haben. Ein stummes Diner finde ich unheimlich; man glaubt in den Tuilerien zu sitzen, wo Niemand den Mund aufthun durfte, ehe der König gesprochen hatte. – Wovon war vor unserer Ankunft die Rede?«
»Liebe Cousine,« sagte der Graf von Vouillé »der Herr Präfect war so gütig, mir officielle Nachrichten über den Putsch zu Marseille mitzutheilen.«
»Ein Putsch?« sagte die Herzogin.
»Ja, dieses Wortes bediente er sich.«
»Und es ist ein ganz passendes Wort. Denken Sie sich, die Vorkehrungen waren so unvollkommen getroffen worden, daß ein Unterlieutenant des dreizehnten Linienregimentes, der einen der Rädelsführer verhaftete, das ganze Unternehmen vereitelte.«
»Mein Gott! Herr Präfect,« sagte die Herzogin mit Wehmuth, »bei großen Ereignissen ist immer ein entscheidender Moment, wo das Geschick der Fürsten und Reichen schwankt, wie das Laub im Winde. Wäre Napoleon zum Beispiel, als er den gegen ihn abgeschickten Soldaten entgegenzog, zu Lamure von einem Unterlieutenant verhaftet worden, so wäre die Rückkehr von der Insel Elba auch nichts als ein Putsch gewesen.«
Niemand beantwortete diese mit dem Ausdrucke tiefen Gefühls gesprochenen Worte.
Die Herzogin unterbrach die Stille und nahm wieder das Wort:
»Weiß man, was aus der Herzogin von Berry geworden ist?«
»Sie hat sich wieder am Bord des »Carlo Alberto« eingeschifft.«
»So?«
»Es blieb ihr im Grunde sonst nichts übrig,« setzte der Präfect hinzu.
»Das meine ich auch,« sagte der alte Herr, der die Herzogin begleitete und jetzt zum ersten Male sprach, »wenn ich die Ehre gehabt hätte, bei Ihrer Hoheit zu seyn und etwas bei ihr zu gelten, so würde ich ihr aus voller Ueberzeugung diesen Rath gegeben haben.«
»Ich spreche nicht mit Dir, Herr Gemal, sondern mit dem Herrn Präfecten,« sagte die Herzogin, »ich frage ihn, ob er gewiß weiß, daß sich Ihre königliche Hoheit wieder eingeschifft hat.«
»Madame,« erwiderte der Präfect mit einer Entschiedenheit, die keinen Widerspruch duldet, »es ist der Regierung officiell angezeigt worden.«
»Wenn das ist,« sagte die Herzogin, »so ist nichts dagegen einzuwenden. Aber,« setzte sie einen gefährlicheren Weg betretend, hinzu, »ich habe die Sache anders gehört.«
»Madame!« rief ihr der alte Herr sanft verweisend zu.
»Was haben Sie gehört, liebe Cousine?« sagte der Graf von Vouillé, der an der Sache etwa denselben Antheil zu nehmen begann, wie ein Spieler am Pharao oder Rouge et Noir.
»Ja, was haben Sie gehört, Madame?« fragte der Präfect.
»Ich berichte natürlich nichts Officielles,« sagte die Herzogin, »ich wiederhole nur Gerüchte, die vielleicht ungereimt sind —«
»Madame!« mahnte der alte Herr noch einmal, ohne dass die Herzogin Notiz davon nahm.
»Ihr Herr Gemal,« versetzte der Präfect, »scheint sehr unwillig zu seyn. Ich wette, daß er Ihre Rückkehr nach Paris nicht gern sieht.«
»Das ist wahr, aber ich hoffe meinen Willen durchzusetzen. Bisher ist es mir immer gelungen —«
»O! die Weiber! die Weiber!« klagte der Präfect.
»Wie?« fragte die Herzogin.
»Nichts,« erwiderte der Präfect, »ich bin begierig auf die eben erwähnten Gerüchte.«
»Ich kanns Ihnen mit wenigen Worten erzählen. Ich habe gehört – aber merken Sie wohl, daß ich es Ihnen nur als ein unverbürgtes Gerücht mittheile – ich habe gehört, die Herzogin von Berry habe sich trotz allen Bitten und Vorstellungen hartnäckig geweigert wieder an Bord des »Carlo Alberto« zu gehen.«
»Wo soll sie denn jetzt seyn?« fragte der Präfect.
»In Frankreich.«
»In Frankreich? Warum denn in Frankreich?«
»Sie wissen ja, Herr Präfect,« erwiderte die Herzogin, »daß die Vendée das Hauptziel Ihrer Hoheit war.«
»Ja wohl, aber da ihr Plan im Süden vereitelt war —«
»Um so mehr Ursache hatte sie, in der Vendée einen Versuch zu machen.«
Der Präfect lächelte und schüttelte den Kopf.
»Sie glauben also, setzte die Herzogin hinzu, »daß Madame sich wieder eingeschifft?«
»Ich