Die Zwillingsschwestern von Machecoul. Александр Дюма
wohl.«
»Hast Du auch wohl bedacht, Michel, was Du thust?«
»Ich stehe für Alles.«
Der junge Baron, der seinem Freunde genügende Auskunft gegeben zu haben glaubte, eilte nun mit einer Schnelligkeit voraus, von welcher er bereits an dem Tage, als er für den kranken Tinguy den Arzt geholt, einen unleugbaren Beweis gegeben hatte.
»Nun, was sollen wir thun?« fragte Petit-Pierre.
»Wir haben keine Wahl, wir müssen ihm folgen.«
»In das Schloß der Wölfinnen?«
»Ja, in das Schloß der Wölfinnen.«
»Um den Weg abzukürzen, lieber Rameau-d’or,« sagte Petit-Pierre, »erzählen Sie mir etwas von den Wölfinnen.«
»Ich will Ihnen wenigstens sagen, was ich weiß.«
»Mehr kann ich nicht verlangen.«
Der Graf von Bonneville, neben dem Pferde hergehend und die Hand auf den Sattelknopf gelegt, erzählte nun Petit-Pierre die im Département der Niederloire und in den benachbarten Départements verbreitete Legende über die beiden unbändigen Erbinnen des Marquis von Souday, über ihre Meuten und tollen Wolfshetzen und Saujagden.
Als der Graf mitten in der Erzählung war, bemerkte er die spitzen Thürme des Schlosses Souday. Er brach seine Erzählung ab und zeigte seinem Reisegefährten, daß sie das Ziel ihrer nächtlichen Wanderung erreicht.
Petit-Pierre, der an die Hexen Macbeths dachte, waffnete sich mit seinem ganzen Muthe, um das furchtbare Schloß zu betreten. Eine Biegung der Straße führte ihn zudem offenen Schloßthor, und vor demselben bemerkte er zwei weiße Gestalten, welche zu warten schienen. Ein hinter ihnen stehender bäurisch aussehender Mann hielt eine brennende Fackel.
Petit-Pierre sah Bertha und Mary furchtsam an, denn sie waren, von dem jungen Baron benachrichtigt, den beiden Reisenden entgegengegangen.
Er erblickte zwei reizende junge Mädchen: eine Blondine mit blauen Augen und einem Engelsgesicht, und eine Brünette mit feurigen schwarzen Augen. Beide sahen offen und freundlich aus.
Petit-Pierre stieg vom Pferde und ging mit Rameau-d’or auf die beiden Mädchen zu.
»Mein Freund, der Herr Baron Michel hat mir Hoffnung gemacht, meine Fräulein, daß der Herr Marquis von Souday, Ihr Vater, die Güte haben werde, uns in sein Schloß aufzunehmen.«
»Mein Vater ist abwesend,« erwiderte Bertha, »er wird es sehr bedauern, daß diese Gelegenheit, die heutzutage so seltene Tugend der Gastfreundschaft zu üben, ihm entgangen ist.«
»Aber ich weiß nicht, ob Ihnen mein Freund gesagt, daß diese Gastfreundschaft vielleicht nicht ohne Gefahr seyn konnte: wir Beide sind fast geächtet und zum Lohn für Ihre Güte werden Sie vielleicht Verfolgungen zu erdulden haben.«
»Wir sind Meinungsgenossen, mein Herr. Wir würden Sie aufnehmen, wenn Sie uns auch ganz fremd wären; als Geächtete, als Royalisten sind Sie uns willkommen, wenn auch die Zerstörung unserer Wohnung, ja selbst der Tod die Folge davon wäre. Mein Vater würde eben so sprechen wie ich, wenn er anwesend wäre.«
»Der Baron Michel wird Ihnen meinen Namen gesagt haben, ich muß Ihnen noch meinen jungen Reisegefährten vorstellen.«
»Es ist nicht nöthig,« erwiderte Bertha, »uns genügt, daß Sie Royalisten, daß Sie geächtet sind um einer Ueberzeugung willen, für welche wir Gut und Blut zu opfern bereit sind. Treten Sie daher ein in dieses Haus; es ist zwar nicht prächtig, aber Sie werden darin wenigstens Treue und Verschwiegenheit finden.«
Bertha trat mit edlem Anstande auf die Seite und lud die jungen Leute mit einer Handbewegung ein, die Schwelle zu überschreiten.
»Gott sey gelobt!« flüsterte Petit-Pierre dem Grafen von Bonneville zu, »hier haben wir zugleich das Schloß und die Hütte, zwischen denen ich wählen sollte. Ihre Wölfinnen gefallen mir ungemein.«
Er nickte den beiden Mädchen freundlich zu und trat ein.
Der Graf von Bonneville folgte ihm. Mary und Bertha winkten dem jungen Baron ein freundliches Lebewohl zu und die Letztere reichte ihm die Hand.
Aber Jean Oullier schlug die Thür so hastig zu, daß, Michel nicht Zeit hatte, die dargebotene Hand zu fassen.
Er betrachtete eine kleine Weile die Thürmchen des Schlosses deren dunkle Umrisse an dem Sternenhimmel deutlich hervortraten und die nach einander hell werdenden Fenster. Dann entfernte er sich.
Als er verschwunden war, regten sich die Büsche und ein Mann kam hervor, der die Scene in einer von dem Interesse der handelnden Personen ganz verschiedenen Absicht belauscht hatte.
Dieser Mann war Courtin, der sich nach allen Seiten umsah und dann auf demselben Wege, den sein junger Gutsherr genommen, nach La Logerie zurückkehrte.
XV.
Die Diplomatie Courtins
Es war etwa zwei Uhr Nachts, als der junge Baron Michel sich am Ende der auf das Schloß La Logerie zuführenden Allee befand.
Es war eine stille Nacht. Die über die Natur verbreitete majestätische Ruhe hatte ihn in eine träumerische Stimmung versetzt. Es versteht sich, daß die beiden Schwestern der Gegenstand dieser Träumereien waren, daß aber Mary die Erwählte war, der er mit eben so viel Ehrfurcht und Liebe folgte; die in der Bibel der junge Tobias dem Engel.
Aber als er in einer Entfernung von fünfhundert Schritten am Ende des dunkeln Laubdaches, unter welchem er fort ging, die im Mondlicht schimmernden Fenster des Schlosses erblickte, zerrannen seine lieblichen Träume und seine Gedanken nahmen eine ganz andere Richtung. Statt der reizenden Mädchengesichter, die ihn bis dahin begleitet hatten, zeigte ihm seine Phantasie das ernste dräuende Profil seiner Mutter.
Wir wissen, welche Gewalt die Baronin Michel über ihren Sohn ausübte.
Michel stand still. Wenn er in der Umgegend, wär’s auch eine Stunde Weges entfernt gewesen, ein Haus oder einen Gasthof gekannt hätte, wo er ein Nachtlager hätte finden können, so würde er erst am andern Morgen ins Schloß gegangen seyn – so bange war ihm zu Muthe. Es war das erste Mal, daß er so spät nach Hause kam, und er hatte eine bange Ahnung, daß seine Abwesenheit bekannt sey und daß seine Mutter wache.
Was sollte er antworten aus die furchtbare Frage: »Wo bist Du gewesen?«
Courtin allein konnte ihn beherbergen; aber wenn er den Maire um ein Obdach ersuchte, mußte er ihm Alles sagen, und der junge Baron sah ein, wie gefährlich es sey, einen, Mann wie Courtin zum Vertrauten zu nehmen.
Er entschloß sich daher, dem mütterlichen Zorne die Stirn zu bieten: es blieb ihm ja nichts Anderes übrig.
Aber je näher er dem Schlosse kam, desto mehr fühlte, er seinen Entschluß wanken.
Als er am Ende der Allee war, als er über den freien Rasenplatz gehen mußte, als er das offene Fenster des Zimmers seiner Mutter sah, sank ihm vollends der Muth.
Seine Ahnungen hatten ihn also nicht getäuscht. Die Baronin war auf der Lauer, ihren Sohn zu erwarten.
Die Furcht machte ihn erfinderisch: er nahm seine Zuflucht zu einer Kriegslist, die den Ausbruch des mütterlichen Zornes wenigstens verzögern, wenn auch nicht verhüten konnte.
Er wandte sich links, schlich sich im Schatten einer Hagebuchenhecke fort, stieg über die Mauer des Küchengartens und ging am andern Ende desselben durch die Verbindungsthür in den Park.
Unter dem Schutze der Baumgruppen und Gebüsche konnte er sich hier bis unter die Fenster des Schlosses schleichen. So weit gelang ihm sein Plan sehr gut; aber das Schwierigste, oder vielmehr Gewagteste blieb noch auszuführen. Er hoffte ein aus Versehen offen gebliebenes Fenster zu finden, um in dasselbe einzusteigen und sein Zimmer erreichen zu können.
Das Schloß La Logerie bestand aus einem großen viereckigen Hauptgebäude mit vier kleinen Thürmen von gleicher Form. Die Küche und Dienstbotenzimmer waren unter der Erde, die Empfangszimmer im Erdgeschoß, die Wohnung der