Die Zwillingsschwestern von Machecoul. Александр Дюма
im Gefolge der heimkehrenden Bourbons.
Aber dieses Mal bewarb er sich nur um die unbesoldete Stelle eines Wolfsjägermeisters, und diese wurde ihm sogleich bewilligt.
Der Marquis, der in seiner Jugend keine Gelegenheit gehabt hatte, einer in seiner Familie erblichen nobeln Passion zu fröhnen, wurde nun ein leidenschaftlicher Jäger; denn in seiner ländlichen Einsamkeit fühlte er das Bedürfniß einer Zerstreuung, einer Anregung, die seine menschenfeindlichen Gedanken verscheuchte und jede Erinnerung an sein früheres Mißgeschick betäubte. Als Jägermeister hatte er das Recht, in den Staatswaldungen zu jagen, und dieser an sich unbedeutende Posten machte ihm mehr Freude, als sein Ludwigskreuz und seine Ernennung zum Escadronschef.
Der Marquis von Souday lebte bereits seit zwei Jahren in seinem kleinen Schlosse und jagte täglich mit seinen sechs Hunden, denn mehr zu halten, erlaubten ihm seine geringen Einkünfte nicht. Seine Nachbarn besuchte er nur so viel, als die Höflichkeit erforderte.
Eines Morgens, als er sich in den nördlichen Theil des Waldes von Machecoul begab, begegnete ihm eine Bäuerin, die auf jedem Arme ein drei- oder vierjähriges Kind trug.
Der Marquis von Souday erkannte die Bäuerin und erröthete.
Es war die Amme aus Yorkshire, welcher er seit drei Jahren das Kostgeld für die beiden Kinder nicht bezahlt hatte. Die brave Frau war nach London gekommen, hatte bei der französischen Gesandtschaft Erkundigungen eingezogen und in der Erwartung, dem Marquis eine große Freude zu bereiten, mit den beiden kleinen Mädchen die Reise angetreten.
Sie hatte sich in der That nicht geirrt. Die kleinen Mädchen erinnerten den Marquis so lebhaft an Eva, daß er sie mit aufrichtiger Rührung und Zärtlichkeit in seine Arme schloß, seine Doppelflinte der Engländerin zu tragen gab und zum größten Erstaunen seiner Köchin die liebliche Beute nach Hause brachte.
Das Verhör, welches er bei der Köchin zu bestehen hatte, war ihm höchst fatal. Der Marquis war erst neununddreißig Jahre alt und ging mit Heirathsgedanken um; denn er hielt es gewissermaßen für seine Pflicht, die alte berühmte Familie Souday nicht erlöschen zu lassen, und überdies hätte er die Sorge für das Hauswesen, die ihm höchst unangenehm war, gern auf eine Frau übertragen.
Die Ausführung dieses Planes wurde aber schwierig, wenn die Kinder unter seinem Dache blieben.
Er bezahlte die Engländerin reichlich und schickte sie am andern Morgen wieder fort.
In der Nacht hatte er einen Entschluß gefaßt, der ihm ein gutes Auskunftsmittel zu seyn schien.
III.
Die Zwillingsschwestern
Der Marquis dachte, als er sich Abends zur Ruhe begab: die Nacht bringt Rath.
Er träumte von den Kämpfen, die er in der Vendée mit Charette bestanden, insbesondere von dem braven Bauerssohn, der sein Adiutant gewesen war, sowie er selbst bei dem Obergeneral den Dienst eines Adjutanten versehen hatte.
Er träumte von Jean Oullier, an den er gar nicht mehr gedacht, den er seit dem Tage, wo er sich im Walde La Chabotière von ihm getrennt, nicht wiedergesehen hatte.
Wie ihm erinnerlich war, hatte Jean Oullier vor dem Vendéekriege im Dorfe La Chevrolière am See Grand-Lieu gewohnt.
Der Marquis von Souday schrieb einen Brief und schickte denselben durch einen reitenden Boten nach La Chevrolière, um zu erfahren, ob ein gewisser Jean Oullier noch in der Gegend wohne. Wenn er noch lebte und sich in der Nähe aufhielt, sollte ihm der Bote den Brief einhändigen, und ihn wo möglich mitbringen. Wenn er zu weit entfernt war, um ihn sogleich aufsuchen zu können, sollte er sich nach seinem Wohnort erkundigen.
Jean Oullier wohnte in La Chevrolière.
Seit seiner Trennung von dem Marquis hatte sich Folgendes zugetragen.
Er war in dem Gebüsch versteckt geblieben und hatte ungesehen beobachtet, was vorging. Er hatte gesehen, wie der General Travot den Oberbefehlshaber der Vendéer gefangen nahm und mit großer Höflichkeit und Schonung behandelte. Aber er mochte wohl noch mehr sehen wollen, denn er blieb noch, als Charette auf eine Tragbahre gelegt und fortgetragen worden war. Es war freilich ein Offizier mit zwölf Mann im Walde geblieben.
Eine Stunde nachdem sich dieser Posten aufgestellt hatte, war ein Vendéer Bauer zehn Schritte von Jean Oullier vorbeigekommen und hatte der blauen Schildwache auf deren Anruf mit dem Worte »Freund« geantwortet. Freilich eine sonderbare Antwort in dem Munde eines royalistischen Landmannes an einen republicanischen Soldaten.
Dann hatte der Bauer ein Losungswort genannt und die Schildwache hatte ihn durchgelassen. Darauf hatte er sich dem Offizier genähert, und dieser hatte ihm mit unbeschreiblichem Abscheu eine mit Gold gefüllte Börse übergeben.
Endlich war der Bauer verschwunden.
Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte sich der Posten dort aufgestellt, um den Bauer zu erwarten; denn kaum war dieser verschwunden, so hatten sich die Soldaten zusammengezogen und ebenfalls den Wald verlassen.
Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte auch Jean Oullier gesehen, was er sehen wollte, denn er kroch aus dem Gebüsch hervor, richtete sich auf, riß die weiße Cocarde von seinem Hut und ging mit der Sorglosigkeit eines Parteigängers, der sein Leben seit drei Jahren täglich aufs Spiel gesetzt, weiter in den Wald.
Noch in derselben Nacht kam er nach La Chevrolière.
Er ging gerade aus die Stelle zu, wo er sein Haus zu finden glaubte; aber er fand nur Trümmer, vom Rauch geschwärzt.
Er setzte sich auf einen Stein und weinte; er hatte in seinen Hause ein Weib und zwei Kinder zurückgelassen.
Jean Oullier hörte Fußtritte und sah sich um.
Ein Bauer ging vorüber; Jean Oullier erkannte ihn trotz der Dunkelheit.
Er rief: »Tinguy!«
Der Bauer kam näher.
»Wer bist Du?« fragte er.
»Ich bin Jean Oullier,« antwortete der Chouan.
»Gott behüte Dich!« erwiderte Tinguy und wollte weiter gehen.
Jean Oullier hielt ihn zurück.
»Du mußt mir antworten,« sagte er.
»Bist Du ein Mann?«
»Ja.«
»Gut, dann frage, ich will Dir antworten.«
»Mein Vater?«
»Ist todt.«
»Meine Frau?«
»Todt.«
»Meine beiden Kinder?«
»Todt.«
»Ich danke,« sagte Oullier und fiel auf die Knie und betete.
Es war Zeit; er weinte nicht mehr und er war schon im Begriffe, seiner Wuth durch gotteslästerliche Reden Luft zu machen.
Er betete für die Todten. Endlich stand er auf und legte sich auf die geschwärzten Trümmer, um zu schlafen.
Am frühen Morgen legte er so ruhig und entschlossen Hand ans Werk, als ob sein Vater noch den Pflug gelenkt; sein Weib noch am Herde gesessen und seine Kinder noch vor der Thür gespielt hätten.
Ohne fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen, baute er seine Hütte wieder auf.
Er lebte fortan als Tagelöhner, und wer ihm gerathen hätte, von den Bourbons den Lohn für das, was er mit Recht oder Unrecht für seine Pflicht hielt, zu fordern, würde das Ehrgefühl des armen Bauers verletzt haben.
Jean Oullier ließ natürlich nicht lange auf sich warten, als er einen Brief von dem Marquis erhielt, in welchem ihn dieser seinen alten Cameraden nannte und ihn aufforderte, sogleich zu ihm ins Schloß zu kommen.
Er verschloß seine Hausthür, steckte den Schlüssel in die Tasche und ging sogleich fort. Er lebte ja allein und hatte Niemand von seinem Fortgehen zu benachrichtigen.
Der Bote wollte ihm das Pferd überlassen oder wenigstens mit ihm theilen; aber Jean Oullier schüttelte den Kopf.
»Gott