Die Zwillingsschwestern von Machecoul. Александр Дюма
und Bauern stimmten in dasselbe ein. Junge Männer, welche Mary und Bertha kaum gesehen hatten, sprachen von den Töchtern des Marquis von Souday mit selbstgefälligem Lächeln, welches voll von Hoffnungen, vielleicht gar voll von Erinnerungen zu seyn schien. Die alten Damen schlugen ein Kreuz, wenn von ihnen gesprochen wurde.
Die Gouvernanten drohten mit ihnen den kleinen Kindern, wenn sie nicht artig seyn wollten.
Die Nachsichtigsten dichteten den Zwillingsschwestern die drei Hauptpassionen der Hubertusjünger an: Liebe Spiel, Wein. Andere hingegen versicherten alles Ernstes, das kleine Schloß Souday sey jeden Abend der Schauplatz wüster Gelage. Kurz, Bertha und Mary wurden so verlästert, daß sie ungeachtet ihrer Harmlosigkeit und Sittenreinheit ein Gegenstand des Abscheues für die ganze Umgegend wurden.
Durch die Dienerschaft auf den Landgütern, durch die Arbeiter, welche mit den Bürgersleuten in Berührung kamen, selbst durch die Leute, denen sie Gutes thaten, theilte sich dieser Haß dem niederen Volke mit, so daß mit Ausnahme einiger Kranken und Nothleidenden, welche von den beiden Schwestern unmittelbar unterstützt wurden, die ganze Bevölkerung in Blousen und Holzschuhen das Echo der von den Honoratioren erfundenen abgeschmackten Geschichten war, und kein Holzhauer in Machecoul, kein Landmann in Philibert oder Aigrefeuille würde vor den beiden Schwestern den Hut abgenommen haben.
Die Bauern hatten, ihnen einen Spottnamen gegeben, der bald in den höheren Regionen verbreitet wurde, weil er die gemeinen Gelüste, welche man dem Schwesterpaare zur Last legte, ganz treffend bezeichnete.
Man nannte sie die Wölfinnen von Machecoul.
V.
Eine Wolfsjagd
Der Marquis von Souday blieb ganz gleichgültig bei diesen Aeußerungen des allgemeinen Tadels, ja er schien nicht einmal eine Ahnung davon zu haben. Als er bemerkte, daß man die seltenen Besuche, die er seinen Nachbarn machen zu müssen glaubte, nicht erwiderte, rieb er sich erfreut die Hände, denn er glaubte von einem schweren Frohndienst befreit zu seyn.
Von Zeit zu Zeit kam ihm wohl von den Verleumdungen, die über Bertha und Mary im Umlauf waren, etwas zu Ohren, aber er war so glücklich zwischen seinem Factotum, seinen Töchtern und seinen Hunden, daß er dieses alberne Geschwätz ganz unbeachtet ließ, um seine Ruhe nicht zu stören. Er hegte nach wie vor Hasen und Füchse, erlegte zuweilen einen Keiler und spielte Abends Whist mit den armen verleumdeten Mädchen.
Jean Oullier besaß keineswegs den philosophischen Gleichmuth seines Herrn; er hatte auch weit mehr Gelegenheit, von den verleumderischen Gerüchten zu erfahren.
Seine zärtliche Zuneigung zu den Kindern war nach und nach zur schwärmerischen Verehrung geworden: er konnte sich nicht satt an ihnen sehen, gleichviel ob sie gemüthlich plaudernd im Salon saßen oder im langen Reitkleide mit rundem Federhut und flatternden Locken an seiner Seite galoppirten. Dann dachte er mit Freude und Stolz, daß er zur Entwickelung dieser vollendet schönen und zugleich so herzensguten Mädchen das Seine beigetragen, und er wunderte sich, daß sich das Weltall nicht vor ihnen beugte.
Die Ersten, welche von den in der Umgegend verbreiteten Gerüchten sprachen, wurden von ihm so derb zurückgewiesen, daß den Andern die Lust dazu verging. Aber Jean Oullier errieth schon aus Blicken, Mienen, Winken, was von seinen Lieblingen gedacht wurde. Er war sehr betrübt über die Verachtung, mit der sich Reiche und Arme über die beiden Schwestern äußerten, und wenn er den Regungen seines Gefühls gefolgt wäre, so würde er jede beleidigende Aeußerung, ja selbst jedes respectwidrige Naserümpfen auf der Stelle mit seiner gewichtigen Faust bestraft haben; aber sein gesunder Verstand sagte ihm, daß Bertha und Mary durch andere Mittel in Schutz genommen und gerechtfertigt werden müßten. Ueberdies fürchtete er, und dies war seine größte Besorgniß, daß die beiden Schwestern in Folge eines solchen öffentlichen Exempels, welches er so gern statuirt hätte, von dem Gerede Kenntniß bekommen könnten.
Der arme Jean Oullier ertrug daher mit Geduld, wenn auch nicht ohne Kummer und Thränen, die boshaften Verleumdungen, welche über seine Lieblinge verbreitet wurden. Er wurde dadurch ein Menschenfeind, und er hatte wohl Ursache, die Menschen zu hassen, denn er mußte ja in allen Nachbarn die Feinde, die Verfolger der beiden Schwestern erblicken.
Die Revolution von 1830 hatte ihm nicht die gewünschte Gelegenheit geboten, seine Rachepläne in Ausführung zu bringen. Aber er wartete auf eine günstigere Gelegenheit: die »Emeute«, welche noch täglich in den Straßen von Paris auszubrechen drohte, konnte sich ja leicht über die Provinzen verbreiten.
An einem schönen Septembermorgen jagte der Marquis von Souday mit seinen Töchtern, Jean Oullier und seiner Meute im Walde von Machecoul. Es war ein längst ersehnter Tag, von welchem sich der Marquis einen wahren Hochgenuß versprach.
Man wollte nämlich junge Wölfe fangen, deren Lager Jean Oullier entdeckt hatte, als sie noch blind waren, und die er seitdem mit der Zärtlichkeit eines echten Wolfsjägers gehegt und gepflegt hatte. Wenn es nämlich keine Wölfe mehr gab, so wurde auch das Amt eines Wolfsjägermeisters überflüssig; es ist daher Jean Oullier, als dem Faktotum des Letzteren, wohl zu verzeihen, daß er gegen die jungen Wölfe und ihre Mutter nicht so strenge verfuhr, wie gegen einen Wolf männlichen Geschlechts.
Dazu kommt, daß ein alter Wolf sowohl auf der Hetze als auf der Treibjagd schwer zu erlegen, die Jagd auf einen jungen Wolf von fünf bis sieben Monaten angenehm und unterhaltend ist.
Um seinem Herrn daher dieses schöne Vergnügen zu bereiten, hatte sich Jean Oullier wohl gehütet, die Wölfin mit ihren Jungen zu beunruhigen oder zu verscheuchen. Auf einige Schafe, welche die Alte auf jeden Fall den benachbarten Bauern rauben würde, kam es ihm dabei nicht an; er hatte den kleinen Wölfen von Zeit zu Zeit einen freundschaftlichen Besuch abgestattet, um sich zu überzeugen, ob auch Niemand eine respectwidrige Hand an sie lege. Und mit wahrer Freude hatte er endlich bemerkt, daß die verständige Mutter sie zum ersten Male spaziren geführt.
Als sie endlich »jagdbar« geworden waren, hatte er sie in einem Gehäge aufgespürt und die sechs Hunde des Marquis auf einen von ihnen losgelassen.
Der junge Wolf, der nicht wußte, was das Hundegebell und das Blasen des Waldhorns bedeutete, verließ seine Mutter und seine Brüder und lief in ein anderes Gehölz, wo er sich wie ein Hase hetzen ließ. Endlich setzte er sich ermattet nieder und wartete.
Er sollte bald erfahren was man von ihm wollte; denn Domino, einer der Hunde des Marquis, faßte ihn und brach ihm das Genick.
Jean Oullier rief seine Hunde wieder zusammen und zehn Minuten nachher ward der Bruder des Verendeten aufgejagt.
Dieser lief nicht so weit; die Hunde wurden bald durch die übrigen jungen Wölfe, bald durch die alte Wölfin irregeleitet, aber Jean Oullier führte sie immer wieder auf die rechte Fährte. Endlich kehrte der von allen Seiten bedrängte junge Wolf um, verließ das Gehölz und kam dem Marquis und seinen Töchtern in den Wurf. In seiner Angst versuchte er zwischen den Füßen der Pferde hindurch zu schlüpfen, aber der Marquis bückte sich rasch, faßte ihn beim Schweif und warf ihn den nacheilenden Hunden zu.
Der Marquis, durch diesen doppelten Fang in die heiterste Laune versetzt, wollte es dabei nicht bewenden lassen. Während er sich mit Jean Oullier berieth, lief die Wölfin, welche wohl merken mochte, daß es auf ihre noch übrigen Sprößlinge abgesehen war, zehn Schritte von den Hunden über den Weg. Die noch nicht wieder zusammengekoppelte kleine Meute eilte ihr heulend nach.
Alles Rufen und Schreien und Peitschengeknall blieb fruchtlos, die Hunde ließen sich nicht zurückhalten.
Jean Oullier lief ihnen nach. Der Marquis und seine Töchter setzten ihre Pferde in Galopp, um die Meute einzuholen.
Aber die Hunde verfolgten keinen furchtsamen, unentschlossenen, jungen Wolf mehr, sondern ein kühnes, kräftiges, gewandtes Thier, welches unbekümmert um Schluchten und Felsen und Bäche ohne Furcht und allzu große Hast immer geradeaus lief. Von Zeit zu Zeit wurde die Wölfin von der kleinen Meute erreicht, aber sie trabte unbekümmert zwischen den Hunden fort, welche sie durch ihre grimmigen Blicke, hauptsächlich aber durch das Klappern ihres furchtbaren Gebisses im Schach hielt.
Jean Oullier war immer drei- bis vierhundert Schritte hinter seinen Hunden. Der Marquis und seine