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Ihr mich in Paris in meinem Hause vor fünf oder sechs Jahren aufgesucht, habe ich mich, wie ich glaube, überzeugen können, daß ihr ein erhabener Geist und, was noch besser ist, ein treues Herz seid. Ich kannte Euch nur dem Namen nach, und jeder Montgommery ist brav; doch Ihr waret mir durch Niemand empfohlen, und dennoch habt Ihr mir sogleich gefallen; ich nahm Euch mit mir zur Vertheidigung von Metz, und wenn diese Vertheidigung eines der schönsten Blätter meiner Geschichte sein soll, wenn es uns nach einem fünfundsechzig Tage lang anhaltenden Angriff gelungen ist, von den Mauern von Metz ein Heer, das hunderttausend Soldaten zählte, und einen General zu vertreiben, der sich Carl V. nannte, so erinnere ich mich, daß Eure stets gegenwärtige Unerschrockenheit und Euer stets wacher Verstand nicht wenig zu diesem glorreichen Erfolg beigetragen haben. Ein Jahr nachher waret Ihr abermals mit mir bei dem Siege von Renty, und wenn dieser Esel von Montmorency, den man mit Recht so nennt . . . doch ich habe nicht meinen Feind zu schmähen, ich habe meinen Freund und guten Kameraden, Gabriel, Vicomte d’Ermès, d’Ermès, den würdigen Verwandten der würdigen Montgommery zu loben. Ich habe Euch zu sagen, Gabriel, daß ich in Euch bei jeder Gelegenheit, und zwar seitdem wir in Italien eingerückt sind mehr als je guten Beistand, gute Freundschaft und guten Rath gefunden, und daß ich Euch nur Eines zum Vorwurf machen kann: daß Ihr gegen Euern General zu zurückhaltend und zu verschwiegen seid. Ja, es liegt sicherlich im Grunde Eures Lebens ein Gefühl oder ein Gedanke, den Ihr mir verbergt, Gabriel. Doch, bah! Ihr werdet mir das eines Tags anvertrauen; die Hauptsache ist, daß ich weiß, Ihr habt Etwas zu thun. Ei! bei Gott! ich habe auch Etwas zu thun, Gabriel, und wenn Ihr wollt, so verbinden wir unsere Geschicke, Ihr helft mir und ich helfe Euch. Habe ich irgend eine wichtige, schwierige Unternehmung einem andern Ich zu übertragen, so rufe ich Euch. Bedürft Ihr für Eure Pläne eines mächtigen Beschützers, so bin ich da. Ist das abgemacht?«

      »Oh! gnädigster Herr,« erwiderte Gabriel, »ich gehöre Euch mit Leib und Seele. Was ich vor Allem wünschte, wäre, daß Ihr an mich glaubtet und die Andern an mich glauben machen würdet. Ich habe ein wenig Selbstvertrauen erlangt, und Ihr habt die Gnade, ein wenig Achtung für mich zu hegen; bis jetzt habe ich also mein Ziel erreicht; daß sich in der Zukunft ein anderes meinen Bestrebungen bieten kann, leugne ich nicht, gnädigster Herr, und dann, da Ihr die Güte hattet, mir einen so schönen Antrag zu machen, werde ich zu Euch meine Zuflucht nehmen, wie Ihr bis dahin für Leben und Tod auf mich rechnen könnt.«

      »So ist es gut! per Bacco, wie diese trunkenen Heiden von Cardinälen sagen; sei unbesorgt, Gabriel, Franz von Lothringen, Herzog von Guise, wird Dir warm in Beziehung auf Deine Liebe oder Deinen Haß dienen, denn nicht wahr, es ist bei uns das eine oder das andere dieser Gefühle im Spiel, mein Meister?«

      »Das eine und das andere vielleicht, gnädigster Herr.«

      »Ah! alle Wetter! und warum, wenn man die Seele so voll hat, warum sie nicht in die eines Freundes ergießen?«

      »Ach! gnädigster Herr, ich weiß nicht einmal, ob ich liebe, und weiß gar nicht, daß ich hasse.«

      »Wahrhaftig! sage mir doch, Gabriel, wenn Deine Feinde zufällig die meinigen wären, wenn der alte Unzüchter von einem Montmorency darunter sein sollte?«

      »Das könnte wohl sein, gnädigster Herr, und wenn meine Zweifel begründet sind . . . . doch es handelt sich zur Stunde nicht um mich, sondern um Euch und Eure großen Pläne. Wozu kann ich Euch dienlich sein?«

      »Vor Allem dazu, daß Ihr mir den Brief meines Bruders, des Cardinals von Lothringen, vorlest, Gabriel.«

      Gabriel entsiegelte und entfaltete den Brief, warf einen Blick darauf, reichte ihn dem Herzog und sprach:

      »Verzeiht, gnädigster Herr, dieser Brief ist in besonderen Charakteren geschrieben, und ich kann ihn nicht lesen.«

      »Ah!« versetzte der Herzog, »der Eilbote von Jean Peuquoy hat ihn also gebracht? es ist ein vertraulicher Brief, wie ich sehe, ein Gitterbrief; warte, Gabriel.«

      Er öffnete ein Kistchen von ziseliertem Eisen, zog ein regelmäßig durchbrochenes ausgeschnittenes Papier daraus hervor, legte es auf den Brief des Cardinals, reichte diesen Gabriel zum Lesen und sprach:

      »Nun leset.«

      Gabriel schien zu zögern; Franz nahm seine Hand, drückte sie, und sagte mit einem Tone voll Vertrauen und Treuherzigkeit:

      »Leset, mein Freund.«

      Der Vicomte d’Ermès las:

      »Mein sehr geehrter, sehr erhabener Bruder (wann werde ich Euch mit einem einzigen Worte von vier Buchstaben, mit dem Worte: Sire nennen können . . .)«

      Gabriel hielt abermals inne; der Herzog lächelte und sprach:

      »Ihr staunt, Gabriel, doch ich hoffe, Ihr werdet keinen Verdacht gegen mich haben. Der Herzog von Guise ist kein Connetable von Bourbon, mein Freund; Gott erhalte unserem König Heinrich II. die Krone und das Leben! Doch es gibt in der Welt nicht nur den Thron von Frankreich. Da mich der Zufall mit Euch auf die Bahn eines vollen Vertrauens gebracht hat, so will ich Euch nichts verhehlen, Gabriel, ich will Euch in alle meine Pläne und in alle meine Träume einweihen; sie sind, wie ich glaube, nicht die einer geringen Seele.«

      Der Herzog war aufgestanden, und ging mit großen Schritten in seinem Zelte auf und ab.

      »Unser Haus, Gabriel, das so manche Königswürde berührt, kann meiner Ansicht nach auf jede Größe Anspruch machen. Doch Anspruch machen ist nichts, es soll erreichen. Unsere Schwester ist Königin von Schottland; unsere Nichte, Maria Stuart ist mit dem Dauphin Franz verlobt; unser Großneffe, der Herzog von Lothringen ist zum Schwiegersohn des Königs bezeichnet. Das ist noch nicht Alles, wir vermögen auch noch das zweite Haus Anjou zu repräsentieren, von dem wir durch die Frauen abstammen. Wir haben also Ansprüche oder Rechte auf die Provence und auf Neapel. Begnügen wir uns für den Augenblick mit Neapel. Würde die Krone einem Franzosen nicht besser stehen, als einem Spanier? Warum bin ich nach Italien gekommen? Um sie zu nehmen. Wir sind Verbündete des Herzogs von Ferrara, verwandt mit den Caraffa, Neffen des Papstes, Paul IV. ist alt: mein Bruder der Cardinal von Lothringen, wird sein Nachfolger. Der Thron von Neapel wankt, ich besteige ihn. Mein Gott, deshalb habe ich Siena und die Mailänder hinter mir gelassen, um bis zu den Abruzzen zu springen. Der Traum war glänzend doch ich befürchte sehr, er bleibt bis jetzt ein Traum. Bedenkt, Gabriel, ich hatte nicht zwölftausend Mann, als ich die Alpen überschritt. Doch der Herzog von Ferrara hatte mir siebentausend Mann versprochen; er behielt sie in seinen Staaten. Doch Paul IV. und die Caraffa hatten sich gerühmt, sie würden in dem Königreich Neapel eine mächtige Fraction auf die Beine bringen, und sie machten sich anheischig, Soldaten, Geld und Proviant zu liefern; sie haben nicht einen Mann, nicht einen Fourgon, nicht einen Thaler geschickt. Meine Officiere zaudern, meine Truppen murren; gleichviel! ich werde bis zum Ende gehen; ich werde nur, wenn es zum Aeußersten gekommen ist, dieses gelobte Land, auf dessen Boden ich trete, verlassen, und wenn ich es verlasse, so komme ich zurück.«

      Der Herzog trat mit dem Fuß auf den Boden, als wollte er davon Besitz ergreifen, sein Blick funkelte, er war groß und schön.

      »Gnädigster Herr,« rief Gabriel, »wie stolz bin ich, daß ich mit Euch, so schwach auch mein Antheil sein mag, zu so glorreichen Bestrebungen mich habe verbinden können.«

      »Und nun,« sprach der Herzog. »nun da ich Euch zweimal den Schlüssel zu diesem Briefe meines Bruders gegeben habe, Gabriel, könnt Ihr ihn auch lesen und verstehen. Vollendet also, ich höre.«

      »Sire! . . .« Hier bin ich geblieben,« sagte Gabriel. »Ich habe Euch zwei schlimme Nachrichten und eine gute mitzutheilen. Die gute ist die, daß man die Hochzeit unserer Nichte, Maria Stuart, auf den zwanzigsten des nächsten Monats anberaumt hat, und daß sie an genanntem Tage in Paris mit allem Gepränge vollzogen werden wird. Eine von den schlimmen Nachrichten ist aus England gekommen; Philipp II. von Spanien hat dort gelandet, und hetzt täglich die Königin Maria Tudor, seine Frau, welche ihm so leidenschaftlich gehorcht, auf, Frankreich den Krieg anzukündigen. Niemand zweifelt daran, daß es ihm gelingt, trotz der Interessen und des Wunsches der englischen Nation. Man spricht schon von einer Armee, welche sich auf den Grenzen der Niederlande versammeln soll, und für deren Commando man den Herzog Emanuel Philibert von Savoyen bezeichnet. Bei dem Mangel an Mannschaft, woran wir hier leiden,


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