Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма

Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1 - Александр Дюма


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das in der Nahe des Dachfensters stand, schmückten die Stube. Andrée hatte überdies Nicole eine ungeheure Schachtel von Pappendeckel geliehen, die zugleich als Commode und als Tisch diente.

      Nicole setzte sich auf den Rand des Bettes, Gilbert auf die Ecke der Schachtel.

      Nicole hatte, während sie die Treppe heraufstieg, Ruhe gewonnen. Herrin ihrer selbst, fühlte sie sich stark. Noch ganz zitternd von den vorhergehenden Erschütterungen, vermochte Gilbert seine Kaltblütigkeit nicht wieder zu erlangen, und der Zorn stieg bei ihm immer mehr, je mehr er durch die Kraft des Willens bei dem Mädchen zu erlöschen schien.

      Es trat ein kurzes Stillschweigen ein, während dessen Nicole Gilbert mit einem glühenden Auge betrachtete.

      »Sie lieben also das Fräulein und Sie hintergehen mich?« sprach sie.

      »Wer sagt Ihnen, daß ich das Fräulein liebe?« entgegnete Gilbert.

      »Sie haben Rendezvous mit ihr.«

      »Wer sagt Ihnen, daß ich mit ihr ein Rendezvous gehabt habe?«

      »Mit wem hatten Sie denn in dem Pavillon zu thun? Mit dem Zauberer?«

      »Vielleicht, Sie wissen, daß ich Ehrgeiz besitze.«

      »Sagen Sie Neid.«

      »Das ist dasselbe Wort nach der guten und schlimmen Bedeutung erklärt.«

      »Machen wir nicht aus einem Streite über Dinge einen Streit über Worte. Nicht wahr, Sie lieben mich nicht mehr?«

      »Ich liebe Sie immer noch.«

      »Warum entfernen Sie sich denn von mir?«

      »Weil Sie, so oft Sie mir begegnen, Streit mit mir suchen.«

      »Ich suche gerade Streit mit Ihnen, weil wir uns nur noch begegnen.«

      »Ich war immer scheu, ich wählte immer die Einsamkeit, wie Sie wissen.«

      »Ja, und man steigt mit einer Leiter zu der Einsamkeit hinauf  . . . Verzeihen Sie, ich wußte das nicht.«

      Gilbert war über den ersten Punkt geschlagen.

      »Vorwärts, seien Sie offenherzig, wenn es Ihnen möglich ist, Gilbert, und gestehen Sie, daß Sie mich nicht mehr lieben, oder daß Sie uns zu zwei lieben.«

      »Nun! wenn dem so wäre, was würden Sie sagen?«

      »Ich würde sagen, es sei eine Ungeheuerlichkeit.«

      »Nein, sondern ein Irrthum.«

      »Ihres Herzens?«

      »Unserer Gesellschaft. Es gibt Völker, wo jeder Mann, wie Sie wissen, bis sieben oder acht Frauen hat.«

      »Das sind keine Christen,« erwiederte Nicole ungeduldig.

      »Es sind Philosophen,« sprach Gilbert mit stolzem Tone.

      »Oh! mein Herr Philosoph, Sie würden es also gut finden, wenn ich es machte wie Sie, wenn ich einen zweiten Liebhaber nähme?«

      »Ich möchte nicht gern ungerecht und tyrannisch gegen Sie sein, ich möchte nicht gern Bewegungen Ihres Herzens unterdrücken  . . . die heilige Freiheit besteht hauptsächlich darin, daß man den freien Willen achtet  . . . Wechseln Sie mit der Liebe, Nicole, ich vermöchte Sie nicht zu einer Treue zu zwingen, welche meiner Ansicht nach nicht in der Natur liegt.«

      »Ah! Sie sehen wohl, daß Sie mich nicht mehr lieben,« rief Nicole.

      Die Discussion war die Stärke von Gilbert, nicht als ob sein Geist scharf logisch gewesen wäre, doch er war paradox. Und dann, so wenig er auch wußte, so wußte er doch mehr als Nicole. Nicole hatte nur gelesen, was ihr unterhaltend vorkam; Gilbert las nicht nur, was ihm ergötzlich zu sein schien, sondern auch, was ihm nützlich dünkte. Gilbert gewann daher während des Streites allmälig wieder die Kaltblütigkeit, welche Nicole verlor.

      »Haben Sie Gedächtniß, Herr Philosoph?« fragte Nicole mit einem ironischen Lächeln.

      »Zuweilen,« antwortete Gilbert.

      »Entsinnen Sie sich dessen, was Sie mir sagten, als ich vor fünf Monaten mit dem Fräulein von den Annonciaden ankam?«

      »Nein, doch erinnern Sie mich daran.«

      »Sie sagten mir: ,Ich bin arm!’ Es war an dem Tage, wo wir mit einander Tanzai unter einem der Gewölbe des eingefallenen Schlosses lasen.«

      »Gut, fahren Sie fort.«

      »Sie zitterten gewaltig an diesem Tage.«

      »Das ist möglich, ich bin von einer sehr schüchternen Natur, aber ich thue, was ich kann, um diesen Fehler, wie die anderen, abzulegen.«

      »Somit werden Sie, wenn Sie alle Ihre Fehler abgelegt haben, vollkommen sein.«

      »Ich werde wenigstens stark sein, denn die Weisheit verleiht Kraft.«

      »Wo haben Sie das gelesen, wenn es beliebt?«

      »Was liegt Ihnen daran? Kommen Sie auf das zurück, was ich Ihnen unter dem Gewölbe sagte.«

      Nicole fühlte, daß sie immer mehr Boden verlor.

      »Nun! Sie sagten mir: ,Ich bin arm, Nicole, Niemand liebt mich, man weiß nicht, daß ich etwas hier habe.’ Und Sie schlugen an Ihr Herz.«

      »Sie täuschen sich, Nicole, wenn ich an Etwas schlug, während ich dies sagte, so war es mein Kopf und nicht mein Herz; das Herz ist nur eine Druckpumpe, bestimmt das Blut nach den Extremitäten zu treiben. Lesen Sie das philosophische Wörterbuch, Artikel Herz.«

      Hiebei richtete sich Gilbert voll Anmaßung auf.

      Vor Balsamo gedemüthigt, spielte er den Stolzen vor Nicole.

      »Sie haben Recht, Gilbert, Sie müssen in der That an Ihren Kopf geschlagen haben. Sie sagten also, während Sie an Ihren Kopf schlugen: ,Man behandelt mich hier wie einen Hofhund, und Mahon ist noch glücklicher als ich.’ Ich antwortete Ihnen sodann, man habe Unrecht, Sie nicht zu lieben, und wenn Sie mein Bruder gewesen waren, so hätte ich Sie geliebt. Es scheint mir, ich antwortete Ihnen dies mit dem Herzen und nicht mit dem Kopfe. Doch vielleicht täusche ich mich, ich habe das philosophische Wörterbuch nicht gelesen.«

      »Sie haben Unrecht gehabt, Nicole.«

      »Sie nahmen mich sodann in ihre Arme. ,Sie sind eine Waise, Nicole,’ sagten Sie zu mir; ,ich bin auch Waise, unsere Armuth und die schlechte Behandlung, die wir zu erfahren haben, macht uns zu mehr als Geschwistern; lieben wir einander, als ob wir es wirklich wären. Uebrigens würde uns die Gesellschaft, wenn wir es wirklich wären, verbieten, uns zu lieben, wie ich will, daß Du mich liebest.’ Hierauf umarmten Sie mich.«

      »Das ist möglich.«

      »Sie dachten also, was Sie sagten?«

      »Ohne Zweifel denkt man beinahe immer das, was man sagt, in dem Augenblick, wo man es sagt.«

      »Somit sind Sie heute  . . .«

      »Heute bin ich fünf Monate älter: ich habe Dinge gelernt, die ich nicht wußte, ich ahne Dinge, welche ich noch nicht weiß. Heute denke ich anders.«

      »Sie sind also falsch, lügenhaft, heuchlerisch?« rief Nicole sich erhitzend.

      »Nicht mehr, als es ein Reisender ist, den man in der Tiefe eines Thales fragt, was er von der Landschaft denke, und an welchen man dieselbe Frage richtet, wenn er auf die Höhe des Berges gelangt ist, der ihm seinen Horizont abschloß. Ich umfasse eine größere Landschaft, das ist das Ganze.«

      »Somit werden Sie mich nicht heirathen?«

      »Ich habe Ihnen nie gesagt, ich würde Sie heirathen,« antwortete Gilbert verächtlich.

      »Nun! nun! es scheint mir, daß Nicole Legay wohl einen Sebastian Gilbert werth ist!«

      »Jeder Mensch ist den andern werth, nur haben die Natur oder die Erziehung in die Menschen verschiedene Vermögen und Fähigkeiten gelegt, und je nachdem diese Vermögen oder Fähigkeiten sich mehr oder weniger entwickeln, entfernen sie sich von einander.«

      »Somit entfernen Sie sich


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