Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма
mich doch nicht von der Stelle gerührt.«
»Das Fräulein wird mich entschuldigen,« versetzte Nicole.
»Wo war ich denn also?«
»Das Fräulein muß es besser wissen, als ich,« versetzte Nicole, die Achseln zuckend.
»Ich glaube, Du täuschest Dich, Nicole,« sagte Andrée mit der größten Sanftmuth. »Ich habe mein Tambouret nicht verlassen und erinnere mich nur, daß ich fror, daß meine Glieder ganz schwerfällig wurden, und daß ich nur mit großer Mühe gehen konnte.«
»Oh! als ich das Fräulein sah, ging es noch sehr gut,« entgegnete Nicole hohnlächelnd.
»Du hast mich gesehen?«
»Ja, gewiß.«
»Du sagtest doch so eben, ich sei nicht im Salon gewesen.«
»Es war auch nicht im Salon, wo ich das Fräulein gesehen habe.«
»Wo denn?«
»In der Hausflur, bei der Treppe.«
»Mich!« versetzte Andrée.
»Das Fräulein selbst, ich kenne doch wohl das Fräulein,« erwiederte Nicole mit einem Gelächter, das gutmüthig sein sollte.
»Ich weiß aber ganz gewiß, daß ich mich nicht aus dem Salon entfernt habe,« sagte Andrée, während sie voll Unschuld in ihren Erinnerungen suchte.
»Und ich,« entgegnete Nicole, »ich weiß, daß ich das Fräulein in der Hausflur gesehen habe, ich dachte sogar,« fügte sie, ihre Aufmerksamkeit verdoppelnd, bei, »ich dachte, das Fräulein käme von einem Spaziergange im Garten zurück. Es war schön Wetter gestern Nacht nach dem Sturme. Es ist so angenehm, bei Nacht spazieren zu gehen: die Luft ist frischer, die Blumen riechen besser, nicht wahr, mein Fräulein?«
»Du weißt wohl, daß ich es nicht wagen würde, bei Nacht spazieren zu gehen,« erwiederte Andrée lächelnd, »ich bin zu furchtsam.«
»Man kann mit irgend Jemand gehen und dann hat man keine Furcht.«
»Mit wem soll ich gehen?« entgegnete Andrée, weit entfernt, in allen diesen Fragen ihrer Kammerjungfer ein Verhör zu sehen.
Nicole hielt es nicht für geeignet, ihre Forschung weiter zu treiben. Diese Kaltblütigkeit, die ihr der höchste Grad der Verstellung zu sein schien, machte ihr bange.
Sie erachtete es für klug, dem Gespräch eine andere Wendung zu geben.
»Das Fräulein sagte vorhin, es leide?« fragte sie.
»Ja, in der That, ich leide ungemein; ich bin angegriffen, müde, und zwar ohne alle Veranlassung. Ich habe gestern Abend gethan, was ich jeden Tag thue. Wenn ich krank würde!«
»Oh! mein Fräulein, man hat zuweilen Kummer . . .« bemerkte Nicole.
»Nun?« versetzte Andrée.
»Nun! der Kummer bringt dieselbe Wirkung hervor, wie die Anstrengung. Ich weiß das.«
»Du! hast Du Kummer, Nicole?«
Diese Worte wurden mit einer gewissen verächtlichen Gleichgültigkeit gesprochen, welche Nicole den Muth verlieh, ihre Zurückhaltung ein wenig zu überschreiten.
»Gewiß, mein Fräulein,« erwiederte sie, die Augen niederschlagend; »ja, ich habe Kummer.«
Andrée stieg nachlässig von ihrem Bette herab und sagte, während sie sich auskleidete, um sich wieder anzukleiden:
»Erzähle mir das.«
»In der That, ich kam gerade zu dem Fräulein, um ihm zu sagen . . .« Sie schwieg wieder.
»Um ihm zu sagen, was? Guter Gott! wie bestürzt Du aussiehst, Nicole.«
»Ich sehe bestürzt aus, wie das Fräulein abgemattet aussieht; ohne Zweifel leiden wir Beide.«
Das Wir mißfiel Andrée, sie runzelte die Stirne und ließ den Ausruf: Ah! vernehmen.
Doch Nicole wunderte sich nicht über diesen Ausruf, obgleich der Ton desselben sie zur Ueberlegung hätte bringen sollen.
»Da das Fräulein durchaus will, so fange ich an,« sagte sie.
»Sprich.«
»Ich habe Lust, mich zu verheirathen,« fuhr Nicole fort.
»Bah! . . .« machte Andrée, »Du denkst hieran und bist noch nicht siebenzehn Jahre alt?«
»Das Fräulein ist erst sechzehn.«
»Nun?«
»Nun! obgleich das Fräulein erst sechzehn ist, denkt es nicht auch zuweilen daran, sich zu verheirathen?«
»Woran siehst Du das?« fragte Andrée mit strengem Tone.
Nicole öffnete den Mund, um eine Ungezogenheit zu sagen, aber sie kannte Andrée, sie wußte, daß dadurch die Erklärung, welche noch nicht weit vorgerückt war, kurz abgebrochen gewesen wäre, und besann sich eines Besseren.
»In der That,« sprach sie, »ich kann nicht wissen, was das Fräulein denkt, ich bin eine Bäuerin und richte mich nach der Natur.«
»Das ist ein sonderbares Wort.«
»Wie! ist es nicht natürlich, Einen zu lieben und sich von ihm lieben zu lassen?«
»Es ist möglich; weiter?«
»Nun, ich liebe Einen.«
»Und dieser Eine liebt Dich?«
»Ich glaube es, mein Fräulein.«
Nicole begriff, daß die Vermuthung zu kraftlos war, und daß es in diesem Falle einer bestimmten Versicherung bedurfte.
»Nämlich ich bin dessen sicher,« fügte sie bei.
»Sehr gut; Mademoiselle benützt ihre Zeit in Taverney, wie ich sehe.«
»Man muß wohl an seine Zukunft denken. Sie, die Sie ein Fräulein sind, werden wohl ein Vermögen von irgend einem reichen Vetter bekommen; ich, die ich keine Verwandte habe, bekomme nichts, als was ich finde.«
Da Alles dies Andrée ziemlich einfach vorkam, so vergaß sie allmälig den Ton, mit dem die Worte, die sie unanständig gefunden, ausgesprochen worden waren; ihre natürliche Güte gewann die Oberhand und sie fragte:
»Sprich, wen willst Du heirathen?«
»Oh! Einen, den das Fräulein kennt,« antwortete Nicole, ihre schönen Augen auf die von Andrée heftend.
»Den ich kenne?«
»Vollkommen.«
»Wer ist es? Du läßt mich lange schmachten.«
»Ich fürchte, meine Wahl könnte dem Fräulein mißfallen.«
»Mir?«
»Ja.«
»Du hältst sie also selbst für nicht sehr passend?«
»Ich sage das nicht.«
»Nun, so sprich ohne Furcht, es ist die Pflicht der Herrschaft, sich für diejenigen von ihren Leuten, von welchen sie gut bedient wird, zu interessiren, und ich bin mit Dir zufrieden.«
»Das Fräulein ist sehr gut.«
»Sprich schnell, und schnüre mich vollends ein.«
Nicole raffte alle ihre Kräfte und ihre ganze Scharfsichtigkeit zusammen und antwortete:
»Nun, nun, es ist . . . es ist Gilbert.«
Zum großen Erstaunen von Nicole ging nicht die geringste Veränderung in dem Gesichte von Andrée vor.
»Gilbert, der kleine Gilbert, der Sohn meiner Amme?«
»Er selbst, mein Fräulein.«
»Und er liebt Dich?«
Nicole glaubte, sie sei auf dem entscheidenden Punkte angelangt, und antwortete:
»Er hat es mir zwanzigmal gesagt.«
»Nun, so heirathe ihn,« sprach Andrée ruhig; »ich sehe