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Wagen, um welchen eine Menge Neugieriger sich versammelt hatte.

      Gleich vorn unter der Menge stand ein Mönch des Sanct-Benedictinerordens.

      In dem Augenblick, wo Salvato an ihm vorüberging, hob der Mönch seine Capuze.

      Salvato zuckte zusammen.

      »Was fehlt Dir denn?« fragte Luisa.

      »Mein Vater,« murmelte ihr Salvato ins Ohr; »noch ist nichts verloren!«

       Drittes Capitel.

      Der Krokodilgraben

      Wenn man im Castello Nuovo den Kerker zu sehen verlangt, welcher der Krokodilgraben heißt, so zeigt der Kerkermeister zuerst das Skelett des riesenhaften Sauriers, von welchem der Kerker den Namen hat, und welchen man der Sage nach hier gefangen. Dann muß man unter der Thür hinweggehen, über welcher das Gerippe sich befindet, dann wird man vom Kerkermeister an eine enge Thür geführt, durch welche man auf eine Treppe von zweiundzwanzig Stufen gelangt, und welche zu einer dritten, massiven, eichenen, mit Eisen beschlagenen Thür führt, durch welche man in eine tiefe und dunkle Höhle gelangt.

      In diesem Grab, dem ruchlosen Werk von Menschen, in welchem sie die lebendigen Leichname ihrer Mitmenschen begraben wollen, stößt man sich an einem Granitblock, den man nicht anders fassen kann, als bei der eisernen Stange, die seine Axe bildet. Dieser Granitblock schließt die Mündung eines Brunnens, welcher mit dem Meere in Verbindung steht. In stürmischen Tagen schleudern nun die aufgeregten und tobenden Wellen ihren Schaum durch die Ritzen des schlecht eingesenkten Steines, so daß das salzige Wasser in die Höhle strömt und den Gefangenen bis in den äußersten Winkel seines Kerkers verfolgt.

      Durch diese Oeffnung des Abgrundes, sagt die düstere Legende, erschien das scheußliche Unthier, welches dem Graben den Namen gegeben, aus dem Schooße des Meeres hervorkommend.

      Fast immer fand es in dem Kerker eine menschliche Beute, und nachdem es dieselbe verschlungen, stürzte es sich wieder in den Abgrund.

      Hier herein, sagt die Volkssage, warfen die Spanier die Frau und die vier Kinder Masaniellos, jenes Königs der Lazzaroni, welcher Neapel befreien wollte, und welcher auf seinem Throne ebenso schwindelig ward wie Caligula oder Nero.

      Den Vater und Gatten hatte das Volk verschlungen, das Krokodil, welches dem Volke sehr ähnlich ist, verschlang die Mutter mit ihren Kindern.

      Der Commandant vom Castello Nuovo befahl, daß man Salvato und Luisa in diesen Kerker bringen sollte.

      Beim Scheine einer Lampe, welche von der Decke herabhing, sahen die beiden Liebenden mehrere Gefangene, welche bei ihrem Eintritt in ihrer Unterhaltung innehielten und ängstliche Blicke auf die Ankömmlinge warfen. Da aber ihre Augen mehr an das Halbdunkel des Kerkers gewöhnt waren, so erkannten sie Luisa und Salvato bald, und empfingen sie mit einem Rufe der Freude und zugleich des Mitleids. Ein Mann warf sich Luisa zu Füßen, eine Frau an ihre Brust, drei Gefangene umgaben Salvato und ergriffen seine Hände, und bald bildeten Alle eine Gruppe, aus deren verworrenen Ausrufen schwer zu erkennen war, ob mehr die Freude als der Schmerz dieselben eingab.

      Der Mann, welcher sich Luisa zu Füßen geworfen, war Michele, die Frau, welche an ihrem Halse hing, Eleonora Pimentel, die drei Gefangenen, welche Salvato umringten, waren Domenico Cirillo, Manthonnet und Velasco.

      »Ach, arme, liebe kleine Schwester!« rief Michele, »wer hätte uns gesagt, daß die Hexe Nanno so richtig und wahr die Zukunft voraussagte?«

      Luisa mußte unwillkürlich schaudern, mit einem traurigen Lächeln ließ sie die Hand über ihren so zarten, durchsichtigen Hals gleiten, und schüttelte dabei mit dem Kopf, als ob sie sagen wollte, daß er dem Henker nicht viele Mühe machen würde.

      Ach! sie täuschte sich sogar in dieser letzter Hoffnung.

      Die Aufregung, welche unter den Gefangenen durch Salvatos und Luisa’s Ankunft entstanden, hatte sich noch nicht gelegt, als die Thür sich wieder öffnete, und auf der düsteren Schwelle ein Mann von hohem Wuchs erschien, welcher das Costüm eines Generals der Republik trug, wie schon Manthonnet es getragen.

      »Zum Teufel,« sagte er, als er eintrat, »ich fühle mich versucht mit Jugurtha zu sagen: Die Bäder Roms sind nicht warm.«

      »Hektor Caraffa!« riefen zwei oder drei Stimmen.

      »Domenico Cirillo! Velasco! Manthonnet! Salvato! Auf alle Fälle ist hier bessere Gesellschaft wie in dem mamertinischen Gefängniß. Ihr Diener, meine Damen! Ah! die Signora Pimentel! Die Signora San Felice! Hier ist ja Alles beisammen: Wissenschaft, Muth, Poesie, Liebe und Musik. Wir werden nicht Zeit zur Langweile haben.«

      »Ich glaube gar nicht, daß man uns überhaupt Zeit dazu lassen wird,« sagte Cirillo mit seiner weichen, traurigen Stimme.

      »Aber wo kommst Du denn her, mein lieber Hektor?« fragte Manthonnet. »Ich glaubte, Du seiest schon weit von uns entfernt, und hinter den Mauern von Pescara in Sicherheit.«

      »Ich bin auch wirklich dort gewesen,« sagte Hektor. »Ihr habt aber capituliert. Der Cardinal Ruffo schickte mir eine Abschrift eurer Capitulation, und schrieb mir, zu thun, was Ihr gethan. Zu derselben Zeit schrieb mir auch der Abt Pronio, mich unter denselben Bedingungen zu ergeben, indem er mir nicht nur das Leben, sondern auch Ermächtigung versprach, mich nach Frankreich zu begeben. Ich hielt es nicht für entehrend, zu thun, was Ihr gethan, ich unterzeichnete die Capitulation und übergab die Stadt, wie Ihr die Castelle übergeben. Am nächsten Morgen kam der Abt den Kopf hängend zu mir, und wußte nicht, wie er mir die Nachricht beibringen sollte, denn diese war allerdings keine gute. Der König hatte ihm geschrieben, daß, da er mit mir ohne Vollmacht unterhandelt hatte, er mich an Händen und Füßen gebunden ausliefern sollte, wenn er nicht mit seinem Kopfe für meinen büßen wollte. Pronio aber hielt auf seinen Kopf, obgleich derselbe nicht schön war, erließ mich an Händen und Füßen binden und mich auf einem Karren nach Neapel schaffen, wie man ein Kalb zu Markte schleppt. Erst im Castello Nuovo, nachdem sich die Thür hinter mir geschlossen, hat man mich meiner Bande entledigt und hierhergeführt. Das ist meine Geschichte, und jetzt ist die Reihe des Erzählens an Euch.«

      Ein Jeder erzählte nun seine Geschichte. Luisa und Salvato begannen. Wir kennen ihre Geschichte, wie auch die Cirillo’s, Velascos, Manthonnets und Eleonora Pimentel’s. Alle waren im Vertrauen auf die Verträge in die Felucken gestiegen, wo sie Nelson jedoch zu Gefangenen gemacht.

      »Ich habe Euch eine gute Nachricht mitzutheilen,« sagte Ettore Caraffa, als Alle mit dem Erzählen fertig waren, »Nicolino ist gerettet.«

      Ein Freudenschrei entschlüpfte Allen, und man verlangte Genaueres zu hören.

      Man wird sich erinnern, daß Salvato, vom Cardinal Ruffo benachrichtigt, Nicolino beauftragt hatte, dem Admiral mitzutheilen, daß sein Leben in Gefahr sei. Nicolino hatte den Pachthof erreicht, auf welchem ein Onkel sich verborgen, jedoch eine Stunde nach der Gefangennahme des Letzteren. Er erfuhr den Verrath des Pächters und hatte sich weiter nicht aufgehalten, sondern zu Ettore Caraffa begeben. Dieser hatte ihn bei sich in Pescara aufgenommen, wo er Theil an der Vertheidigung der Stadt in der letzten Zeit genommen, aber als man sich dem Abte Pronio ergeben wollte, hatte Nicolino kein rechtes Vertrauen in die Sache, sondern verkleidete sich als Bauer und gewann das Gebirge. Von den sechs Verschworenen, welche wir im Schlosse der Königin Johanna zu Anfang unserer Erzählung gesehen haben, war er der Einzige, welcher der Reaction nicht in die Hände fiel.

      Diese gute Nachricht erfreute denn die Gefangenen auch sehr, dann aber waren sie auch, wie wir bereits gesagt haben, sehr glücklich, vereinigt zu sein. Allem Anscheine nach würde man sie wohl auch zusammen verurtheilen und hinrichten. Den Girondisten war dasselbe Glück zu Theil geworden und man weiß, daß sie es zu benutzen gewußt hatten.

      Man brachte das Abendbrot für Alle und Matratzen für die neuen Ankömmlinge. Während des Essens machte Cirillo seine drei neuen Gefährten mit den Gebräuchen und Gewohnheiten im Gefängnisse bekannt, welches er nun bereits dreizehn Tage und dreizehn Nächte bewohnte.

      Die Gefängnisse waren überfüllt, der König selbst gab ja in einem seiner Briefe, wie wir gesehen haben, achttausend Gefangene an.

      Jeder dieser Cirkel der Hölle, die gut


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