Olympia von Clèves. Александр Дюма

Olympia von Clèves - Александр Дюма


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befallen.

      Das war noch nicht das Ganze. Wir haben gesagt, daß die Jesuiten zuweilen die widerspenstigen Novizen durch den Hunger packten; was Tiger, Löwen und Elefanten bändigt, konnte auch wohl Banniére bändigen. Volles Gehirn macht den Magen leer, aber leerer Magen füllt schlecht das Gehirn oder füllt es nur mit Dünsten.

      Endlich, nach zwei weiteren Stunden von Kämpfen, während welcher die moralische Stärke von Banniére immer mehr abnahm, als er nicht mehr die Kraft hatte, auch nur die kleinste von den Rollen seiner Lieblingstragödie zu deklamieren oder mit Erfolg die weißen Inschriften zu lesen, legte er sich aus sein Bett ohne Matratze, hüllte sich in seine Decke und fing an eine Vergleichung zwischen seinem gegenwärtigen Zustand und seinem vergangenen Zustand zu ziehen.

      Hierbei blieb er stehen, denn die Zukunft war für ihn mit so viel Finsternis bedeckt, daß er sie nicht einmal zu erraten suchte.

      Die Nacht, eine gute Ratgeberin der guten Geister, diese Nacht, welche die alten Goten die Mutter der Gelegenheiten nannten, diese Nacht, welche die Jesuiten als Beistand benützten und die Rebellen zu überreden beauftragten, diese Nacht stieg langsam vom Himmel herab und bedeckte die einzige Fensterscheibe, das Auge des Gefängnisses, mit einer stufenweisen, Blindheit. ''

      Allmählich erloschen sodann an den Wänden die weißen Buchstaben der Inschriften; allmählich versanken in das Nichts . aus dem man sie ausgegraben, die moralischen Sentenzen, welche den Menschen verdammen, zu entfliegen wie Asche, zu verfaulen wie Materie und sich zu biegen wie Rohr unter der Hand der Notwendigkeit.

      Banniére unterschied bald nichts mehr und blieb aus den Querhölzern seines Bettes, immer mehr erkaltend und immer trauriger werdend, liegen. Zwei Stunden vergingen noch so, und während dieser zwei Stunden bemerkte er besonders, daß die über der Thür der Stube, in welche man ihn eingesperrt hatte, angebrachte Inschrift keine leere Zusammenstellung von Buchstaben war, sondern daß diese Stube wirklich die Meditationsstube genannt werden konnte.

      »Was tun in einem Bette, wenn man nicht darin träumt?« hat la Fontaine gesagt.

      Banniére träumte in seinem Bette.

      Dann, nachdem er geträumt hatte, entschlief er.

      Die Nacht, wie der alte Homer sagt, hatte die Hälfte des Himmels aus ihrem ebenholzenen Wagen mit den silbernen Rädern durchlaufen, als ein scharfes, seltsames, anhaltendes Geräusche den Novizen aus der Schlafsucht erweckte, welche der Hunger und die Meditationen in seinem Gehirne hervorgebracht hatten.

      Dieses Geräusch, ein wohlbekanntes Kratzen, kam von der Tapete links.

      Wach geworden, öffnete Banniére ein Auge, dann das andere, wandte sich aus seinem Lager mit dem Gesicht gegen das Geräusch um und horchte.

      Das scharfe Echo fuhr, fort, sein monotones Lied zu fingen. Es war keine Täuschung möglich, der Noviz kannte das Geräusch, das der Zahn einer Maus macht. Dieses Geräusch erzeugte sich in einer Höhe von ungefähr zehn Fuß und lag zwischen der Tapete und der Mauer.

      Banniére stieß einen Seufzer aus.

      Was machte Banniére seufzen? Ach! die Vergleichung: in seiner Demut fand er diese Maus sehr glücklich.

      Glücklich war in der Tat die Maus, die sich so ein Abendbrot und sogar einen Mitternachtsschmaus aus den Inschriften der Moralisten und der stoischen Philosophen machte, welche die Enthaltsamkeit und die Uneigennützigkeit predigen.

      Glücklich war diese Maus, die in Freiheit zwischen der Tapete und der Mauer durchschlüpfte, um so altes Tuch und altes Leder zu knaupeln.

      Doch nein, es war weder Tuch, noch Leder, was die Maus knaupelte. Das Echo war sonor: die Maus knaupelte Holz.

      Holz, – man höre wohl, – das war ernst.

      Nicht für Sie, lieber Leser, nicht für Sie, liebe Leserin, die Sie mich in einen guten Schlafrock eingewickelt, die Füße auf Ihren Feuerböcken, mit dem Bewusstsein lesen, daß Sie nur zu wollen brauchen, um einen Spaziergang in Gottes freier Natur zu machen, sondern für Banniére, den armen Gefangenen, für dessen Ohr das geringste Geräusch eine Wichtigkeit nach Maßgabe seines Verdrusses, Gefangen zu sein, und seines Wunsches, frei zu werden, annahm.

      Es war also für Banniére ein großer Unterschied, ob die Maus Holz oder Leder knaupelte.

      Denn er machte sich folgendes Räsonnement:

      »Holz! . . Diese Maus knaupelt entschieden Holz.

      »Wie Teufels kann diese Maus ein Stück Holz so hoch hinaufgebracht haben? Uno wenn sie es hinaufgebracht hat, was sehr industriös von ihr ist, da sie keine Maschine vom Werte derjenigen besitzt, welcher sich Antonius bediente, um seine Galeeren vom Mittelländischen Meere in das Rothe Meer hinüberzuschaffen, wie hält sie sich an der Wand von Stein oder Gips fest, um so ruhig zu Nacht zu speisen, wie sie es zu tun scheint? Hat sie ein Loch, eine Randleiste, einen Sockel, der ihr als Tisch dient?

      «Vielleicht lehnt sie sich an die Wand an und macht sich mit ihren Klauen einen Strebepfeiler in der Tapete. So schwebend, würde sie zugleich mit Tisch und Hängematte versehen knaupeln.

      «Doch nein! dieses Echo ist so sonor, so hart für das Ohr, es vibriert mit so viel Schärfe, daß es nicht von einem einfachen, von der Maus losgemachten Bruchstücke herrühren kann. Es ist sicherlich das Produkt eines unablässigen Angriffs, ausgeführt von der kleinen Nagerin gegen einen holzartigen, hartnäckigen, fixen Körper, der, wie alle feste Körper, Länge, Breite und Dicke bat.

      »Es muss da oben ein Tafelwerk sein,« sagte Banniére zu sich selbst.

      Dann fügte er in Form einer Betrachtung bei:

      »Übrigens ist vielleicht die ganze Wand Tafelwerk unter der Tapete.«

      Nachdem er so gesprochen, stand er aus und klopfte an die Wand; doch sie gab keinen Ton von sich, denn sie war von massivem Stein.

      »Gut,« murmelte der Noviz, »darum kann aber doch Tafelwerk da oben sein.

      »Ein Rahmen vielleicht!«

      Und hieraus baute Banniére ein ganzes Gedicht von Mutmaßungen.

      Wozu konnte dieser Rahmen dienen? zu welchem Zwecke ein Rahmen unter einer Tapete?

      Es gibt Öffnungen, genannt Judas, durch welche jeder meditierende Noviz von einem Pion6, der dem Pater Superior seinen Bericht zu erstatten beauftragt ist, bespäht zu werden sicher sein darf.

      Es gibt geheime Thüren. . .

      Hierbei blieb Banniére stehen.

      »Aber,« sagte er zu sich, »wenn es geheime Thüren gibt, so gibt es also einen Ausweg, um aus der Meditationsstube hinauszukommen.«

      Banniére fing abermals an, an der Mauer umherzutappen, und überzeugte sich, daß die Thür oder der Rahmen in der ultralegalen Höhe von wenigstens zehn Fuß angebracht war, da er die Wand voll fühlte bis zu der Höhe, die er, indem er sich aus den Fußspitzen erhob, mit dem Ende seiner Finger erreichen konnte.

      »Ist es eine Thür und diese Thür ist in der Luft,« dachte Banniére sehr vernünftig, »so kann sie nicht dienen, wenn nicht,« fügte er bei, »wenn nicht der Ankommende seine Leiter mitbringt.

      »Es muss also nicht ein Thürrahmen, sondern ein Fensterrahmen sein.«

      Das Fenster war wahrscheinlich; Banniére hielt sich also an das Fenster.

      Nur, da die Dunkelheit jede Forschung unmöglich machte, verschob Banniére auf den andern Tag die Fortsetzung seiner Untersuchungen. Die Folge dieses Entschlusses war, daß die Maus eine köstliche Nacht zubrachte und erst bei Tagesanbruch zu knaupeln aufhörte.

      Ganz im Gegensatz zu seinem nagenden Gaste, brachte Banniére eine Nacht voller Bangigkeiten und besonders voller inneren Reißungen zu, die sich durch das Geknurre des Hungers übersetzten und harmonisch aus das Knaupeln der Maus antworteten.

       VII.

      Die Procession von Herodes und Marianna

      Wir haben gesagt, daß mit dem Tage das Mahl der Maus aufhörte;


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<p>6</p>

Pion, ein bei den Schülern der französischen Lehranstalten gebräuchlicher Ausdruck für Aufseher.