Olympia von Clèves. Александр Дюма
kamen die Schauspieler in zwei Reihen in ihren Theaterkleidern, dann die Komparsen mit Turbanen auf dem Kopf, und dann die Leibwachen von Herodes mit ihren Harnischen und Beinschienen.
Es waren Römer, Asiaten und Juden in ziemlich großer Anzahl dabei.
Die Rossschweife, die Standarten in Halbmondform, welche andeuteten, daß der Director mehr für den Reichtum der Inszenierung, als für die chronologische Wahrheit tat, und die von Flittern funkelnden Gewänder machten, daß alle Gassenjungen der Stadt in Freudenschreie ausbrachen.
An der Spitze der Schauspieler schleppte sich Champmeslé auf den Tod traurig. Die guten Worte des Pater de la Sante waren ohne Zweifel schon verschwunden, denn er glich in jeder Hinsicht einem Märtyrer, der nach dem Richtplatz wandert, ohne noch die Palme erblickt zu haben.
Doch trotz dieser tiefen Traurigkeit war er so mutig mit einer roten Chlamys, einem Turban »Helme, offenen Stiefeln mit Sporen und einem weißen Mantel mit goldenen Sternen bekleidet, daß ihn die Menge gierig betrachtete, die Frauen besonders, weshalb ihn ihrerseits die Männer mit jener falschen Verachtung, dem Schleier des Neides, anschauten.
Und trotz seiner Traurigkeit, welche Banniére allein begriff, lag so viel Adel in seinem königlichen Gange, daß der Noviz, der es als den höchsten Grad von Glück betrachtete, eine solche Procession zu führen und in ein solches Kostüm gekleidet zu sein, unwillkürlich beinahe mit beiden Händen Beifall geklatscht hätte. Doch in diesem Augenblick erschaute er unter ihren langen weißen Schleiern Marianna, umgeben nicht nur von den Leibwachen von König Herodes, sondern auch von einer Menge von Offizieren der Garnison von Nimes und Orange, welche herbeigekommen waren, um dem Feste beizuwohnen, das der Stadt Avianon die Gegenwart einer so reichen und beträchtlichen Truppe gab. Diese Offiziere versuchten es, als wahre Neugierige und wahre Heiden, von Zeit zu Zeit, die züchtigen Schleier aufzuheben, unter denen sich die Königin von Palästina, ähnlich einer Sonne in ihrem Alkoven von Wolken, begraben hatte. Plötzlich wich einer von den Schleiern zurück, um die Sonne einem schönen Kapitän zulächeln zu lassen, der unter seiner Uniform eines königlichen Gendarmen ganz das Aussehen eines vornehmen Mannes hatte, und geblendet durch die Strahlen, die dem schönen Gestirne entströmten, welches sich allerdings für einen Andern, als für ihn sichtbar gemacht, das er aber bei dieser Gelegenheit gesehen hatte, vergaß Banniére, sich länger festzuhalten, und das Gleichgewicht verlierend, das er nur mit Hilfe seiner Hände erhielt, rollte er in die Meditationsstube hinab und riß mit sich das Blatt der Tapete fort, an welches er angeklammert war, und das, indem er es zerriss, die Mauer entblößte.
Die Wirkung war indessen hervorgebracht. Banniére schwur sich, nicht Gefangener in einer Stadt zu bleiben, wo solche Wunder vor sich gingen. Er stieg also im Sturme wieder hinauf und pflanzte sein Kinn aus die Randleiste des Fensters in dem Augenblick, wo in der Straße links der letzte Mann von den Leibwachen von Herodes verschwand, dessen riesige Hellebarde noch drei Secunden, nachdem der Mann verschwunden, sichtbar war.
»Gut,« dachte Banniére, »heute Abend zerreiße ich ein Blatt meiner Tapete und befestige es solide am Fensterrahmen; ich lasse mich an der Mauer hinabgleiten und gehe frei und glücklich hin, um dieses Stück im Theater von wahren Schauspielern und wahren Schauspielerinnen aufführen zu sehen.
»Die Väter werden schreien, gut; sie werden mich verfolgen lassen, gut; sie werden mich wieder erwischen, das ist sicher, doch, bei meiner Treue, ich werde das Schauspiel gesehen haben; und wenn man mich leiden lässt, nun wohl! bei meiner Treue, ich werde wenigstens für etwas leiden.«
VIII.
Der Gang der Schauspieler
Banniére hielt sich Punkt für Punkt Wort. Als der Tag sich neigte, zerriss er breit die Tapete, machte sich daraus einen Strick von zwanzig Fuß, indem er in gewissen Entfernungen von einander Knoten anbrachte, übergab sich diesem Stricke, sprang die sechs bis acht Fuß Entfernung, welche zwischen ihm und der Erde bestanden, als er am Ende des Strickes angekommen war, hinab, erreichte die Kieselsteine, schoss gegen die Lichter zu und rannte ganz berauscht, ganz verwirrt, ganz wahnsinnig in der Richtung des Theaters fort, das der Porte de l'Oulle gegenüber lag und ihm überdies durch die Ausrufungen des Thürstehers und die Flöten der Spielleute bezeichnet wurde. .
Das war gerade die Stunde, wo alle schöne Damen von Avignon ins Theater kamen, und die Reihe der Wagen, die der Sänften und die der Vinaigrettes7 fingen an den Platz zu füllen.
Banniére, als er an Ort und Stelle, als er mit dieser ganzen Menge vermischt war, fühlte sich sehr beschämt, sehr in Verlegenheit in seinem Novizenkleide. Allerdings erlaubte der Gebrauch den Geistlichen und besonders den Jesuiten, den' dramatischen Vorstellungen beizuwohnen. Aber Banniére hatte keinen Sou Geld. Wohl hätte er eines von den guten Gesichtern – und diese trifft man besonders vor den Thüren der Schauspielhäuser – gebeten, ihn als Supplement in eine Loge eintreten zu lassen; doch sein verdammtes Gewand würde Aller Augen auf ihn ziehen, und befanden sich unter allen diesen Augen nur zwei im Dienste des Pater Mordon, so war er verloren. Er hätte wohl seine unglückliche Soutane ausgezogen, aber wenn er sie ausgezogen, wäre er in Hemdärmeln gewesen, und wie in Hemdärmeln anderswo als in die gemeinsten Galerien eindringen?
Seine Verlegenheit war groß; die Minuten verliefen rasch. Hinter einer Säule verborgen, sah Banniére mit einer grässlichen Herzbeklemmung die hübschesten Füße unter den weißesten Röcken vorübergehen, und von den Treppen der Karossen und dem Brettchen der Sänften sprangen so runde Beine, so zarte Knöchel herab, daß alle Inschriften der Meditationsstube in diesem Augenblick dem armen Jesuiten nicht die hinreichende Philosophie hätten geben können.
Plötzlich erblickte Banniére in ihrem schwarzen Wagen zwei von den Vätern des Jesuitenordens, welche mit frommer Miene ihres Weges fuhren und der Reihe der Karossen folgten. Vor der Thür angelangt, hielt ihr Wagen an. Um einzutreten, mussten sie auf vier Schritte an Banniére vorübergehen.
Durch den dreifachen Teufel der Neugierde, der Lüsternheit und der Furcht geplagt, benützte Banniére den Augenblick, wo der Wagen still hielt, um seinen Rückzug geschickt zu bewerkstelligen; er fing damit an, daß er die Säule zwischen sich und die Väter stellte, und indem er sich beschützt durch ihren deckenden Schatten entfernte, warf er sich in den Gang der Schauspieler.
Kaum hatte er sich aber in diesen düsteren, staubigen Korridor geflüchtet, den ein übelriechendes Stümpfchen allein mit einem kränklichen Scheine erleuchtete, als sich Banniére gewaltig von zwei kräftigen Händen gestoßen fühlte, die ihn in Folge der Verwirrung, in der er schon war, beinahe das Gleichgewicht verlieren gemacht hätten. Aber Banniére war jung, behende und stark; fiel er, so lief er Gefahr, seine zerrissene Hose zu zeigen: er klammerte sich also entschlossen an dem Unverschämten an, der eine Manier, sich Platz zu machen, hatte, welche so seltsam außer den artigen Gewohnheiten jener Zeit lag.
Es war ein Mann, und als er sich umwandte, sah sich Banniére Nase an Nase mit diesem Manne zusammen.
»Ei! lassen Sie mich doch vorbei, Tod und alle Teufel!« schrie er, indem er Banniére gegen die Wand zu stoßen suchte.
»Sieh da, Herr Champmeslé!« rief Banniére.
»Sieh da, mein kleiner Jesuit! ' rief Champmeslé. Beide hatten sich bei dem Scheine des Lichtstümpfchens erkannt.
»Ah! Herr Champmeslé!« machte der Eine.
»Ah! mein lieber Banniére!« machte der Andere.
»Sie sind es also!«
»Ach! ja, ich bin es.«
»Aber wohin laufen Sie denn so? fehlte Ihnen etwas für Ihr Kostüm?«
»Ach! ja wohl, mein Kostüm! ich bekümmere mich etwas um mein Kostüm!«
»Es war doch herrlich!« versetzte Banniére lüstern.
»Ja,« sprach Champmeslé schwermütig, »so schön, daß es dasjenige ist, welches ich in der Hölle tragen werde.«
»In der Hölle? was wollen Sie damit sagen?«
»Nichts, lassen Sie mich vorbei.«
»Man sollte glauben, Sie entfliehen?«
»Ich
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Vinaigrette, eine zweirädrige Caleche, welche von einem Menschen gezogen wird.