Tausend und Ein Gespenst. Александр Дюма
Abend.
– Aber wie, zu dieser Stunde?
– Sie haben eine Karte und meinen Arm.
– Sie haben Recht, – meine Karte.
Ich gab sie ihr; sie steckte sie in ihren Busen.
– Jetzt, Ihren Arm.
Ich gab ihr meinen Arm, und wir brachen auf.
Wir gingen bis noch dem Platze Taranne hinab, das heißt bis nach dem Orte, wo ich ihr am Abende zuvor begegnet war.
– Erwarten Sie mich hier, sagte sie zu mir.
Ich verneigte mich und wartete.
Sie verschwand an der Ecke des ehemaligen Hotels Matignon; – dann erschien sie nach Verlauf einer Viertelstunde wieder.
– Kommen Sie, sagte sie, mein Vater will Sie sehen und Ihnen danken.
Sie nahm meinen Arm wieder, und führte mich in die Straße Saint Guillaume dem Hotel Mortemart gegenüber.
Dort angelangt, nahm sie einen Schlüssel aus ihrer Tasche, schloß eine kleine Thür auf, nahm mich bei der Hand, führte mich bis auf den zweiten Stock und klopfte auf eine eigenthümliche Weise an.
Ein Mann von acht und vierzig bis fünfzig Jahren machte die Thür auf. Er war als Arbeiter gekleidet, und schien das Gewerbe eines Buchbinders zu betreiben.
Aber bei den ersten Worten, welche er mir sagte, bei den ersten Danksagungen, die er an mich richtete, hatte sich der vornehme Herr verrathen.
– Mein Herr, sagte er zu mir, die Vorsehung sendet Sie uns, und ich empfange Sie wie einen Abgesandten der Vorsehung. Ist es wahr, daß Sie mich retten können, und besonders, daß Sie mich retten wollen?
Ich erzählte ihm Alles, ich sagte ihm, wie Marceau es übernehme, ihn als Secretär mitzunehmen, und nichts Anderes von ihm verlangte, als das Versprechen, nicht die Waffen gegen Frankreich zu tragen.
– Dieses Versprechen gebe ich Ihnen von ganzem Herzen, und ich werde es ihm erneuern.
– Ich danke Ihnen dafür in seinem Namen und in dem meinigen.
– Aber wann geht Marceau ab?
– Morgen.
– Muß ich mich heute Nacht zu ihm begeben?
– Wann Sie wollen, er wird Sie immer erwarten. Der Vater und die Tochter sahen einander an.
– Ich glaube, daß es weit vorsichtiger sein würde, sich heute Abend zu ihm zu begeben, mein Vater, sagte Solange.
– Es sei. Aber wenn man mich anhält, ich habe keine Bürgerkarte.
– Hier ist die meinige.
– Aber Sie?
– O! ich bin bekannt.
– Wo wohnt Marceau?
– Strafe der Universität, Nr. 40, bei seiner Schwester, Mademoiselle Desgraviers Marceau.
– Werden Sie mich dorthin begleiten?
– Ich werde Ihnen folgen, um Mademoiselle zurück führen zu können, sobald Sie eingetreten sind.
– Und wie wird Marceau wissen, daß ich der Mann bin, von dem Sie mit ihm gesprochen haben?
– Sie werden ihm diese dreifarbige Kokarde geben, sie ist das Erkennungszeichen.
– Was werde ich für meinen Retter thun?
– Sie werden mich mit der Rettung Ihrer Tochter beauftragen, wie sie mich mit der ihrigen beauftragt hat.
– Gehen wir.
Er setzte seinen Hut auf und löschte die Lichter aus.
Wir gingen bei dem Scheine des Mondes hinab, der durch die Fenster der Treppe fiel.
An der Thür nahm er den Arm seiner Tochter, wandte sich rechts und erreichte durch die Straße des Saint Pères die Straße der Universität.
Ich folgte ihnen immer in der Entfernung von zehn Schlitten.
Man gelangte an die Nr. 40, ohne irgend Jemand begegnet zu sein.
Ich näherte mich ihnen.
– Das ist von guter Vorbedeutung, sagte ich; wollen Sie jetzt, daß ich warte, oder daß ich mit Ihnen hinaufgehe?
– Nein, compromittiren Sie Sich nicht weiter; erwarten Sie meine Tochter hier.
Ich verneigte mich.
– Haben Sie nochmals Dank und leben Sie wohl, sagte er zu mir, indem er mir die Hand reichte. Die Sprache hat keine Worte, um die Gefühle auszudrücken, die ich Ihnen gewidmet habe. Ich hoffe, daß mich Gott eines Tages in den Stand setzen wird, Ihnen meine ganze Dankbarkeit auszudrücken.
Ich antwortete ihm durch einen einfachen Händedruck.
Er trat ein. Solange folgt ihm, aber auch sie drückte mir die Hand, bevor sie eintrat.
Nach Verlauf von zehn Minuten öffnete sich die Thür wieder.
– Nun denn? sagte ich zu ihr.
– Nun denn? erwiderte sie, Ihr Freund ist ganz würdig, Ihr Freund zu sein; – das heißt, daß er jedes Zartgefühl besitzt. – Er sieht ein, daß ich glücklich sein würde bei meinem Vater bis zu dem Augenblicke seiner Abreise zu bleiben. Seine Schwester läßt mir ein Bett in ihrem Zimmer zurecht machen. Morgen Nachmittag um drei Uhr wird mein Vater außer aller Gefahr sein. Wenn Sie glauben, daß der Dank einer Tochter, welche Ihnen ihren Vater verdanken wird, der Mühe werth ist sich zu bemühen, so kommen sie morgen Abend um zehn Uhr, ihn in der Straße Fèrou zu holen.
– O! gewiß, ich werde hingehen. Hat Ihnen Ihr Vater nichts für mich gesagt?
– Er dankt Ihnen für Ihre Karte, die ich Ihnen hier zurückbringe, und bittet Sie, mich so bald als es Ihnen möglich sein würde, ihm nachzusenden.
– Das wird geschehen, wann Sie es wünschen, Solange, antwortete ich mit beklommenem Herzen.
– Ich muß zum Mindesten wissen, wo ich meinen Vater finde, sagte sie, dann fügte sie lächelnd hinzu: – O! Sie sind meiner noch nicht entledigt.
Ich ergriff ihre Hand und drückte sie an mein Herz. Aber, indem sie mir wie am Abende zuvor die Stirn bot, sagte sie:
– Auf morgen.
Und indem ich meine Lippen auf ihre Stirn drückte, drückte ich nicht mehr allein ihre Hand an mein Herz, sondern ihr bebender Busen, ihr klopfendes Herz berührte das meine.
Ich kehrte von Herzen so vergnügt nach Haus zurück, wie ich es niemals gewesen war. War es das Bewußtsein der guten That, welche ich vollbracht hatte, oder liebte ich bereits das liebenswürdige Wesen?
Ich weiß nicht ob ich schlief, oder ob ich wachte; ich weiß nur, daß alle Harmonien der Natur in mir sangen; ich weiß nur, daß die Nacht mir endlos, der Tag mir unermeßlich schien; ich weiß nur, daß, indem ich immerhin die Zeit drängte, ich sie hätte zurückhalten mögen, um nicht eine Minute der Tage zu verlieren, die ich noch zu leben hatte.
Am folgenden Tage war ich um neun Uhr in der Straße Fèrou.
Um halb zehn Uhr erschien Solange.
Sie kam auf mich zu, und schlang mir die Arme um den Hals.
– Gerettet, sagte sie, mein Vater ist gerettet, und Sie sind es, dem ich seine Rettung verdanke! O! wie ich Sie liebe!
Vierzehn Tage nachher empfing Solange einen Brief, welcher ihr meldete, daß ihr Vater in England war.
Am folgenden Tage brachte ich ihr einen Paß.
Indem sie ihn empfing, brach Solange in Thränen aus.
– Sie lieben mich also nicht? sagte sie.
– Ich liebe Sie mehr als mein Leben, antwortete ich; aber ich habe Ihrem Vater mein Wort verpfändet, und ich muß vor Allem mein Wort halten.
– Dann, sagte sie, bin ich es, die ich das