Tausend und Ein Gespenst. Александр Дюма
Sie mich an, liebe Solange!
– Ich höre Sie an.
– Sie haben gesehen, was sich heute Abend zugetragen hat?
– Ja, und das hat mir einen Maßstab Ihres Ansehens gegeben.
– O! Mein Ansehen ist unglücklicher Weise nicht groß. Ich habe indessen einige Freunde.
– Ich habe heute Abend die Bekanntschaft des einen von ihnen gemacht.
– Und wie Sie wissen, gehört dieser mit zu den minder mächtigen Männern der Zeit.
– Sie gedenken keinen Einfluß anzuwenden, um die Flucht meines Vaters zu unterstützen?
– Nein, ich behalte ihn für Sie vor.
– Und für meinen Vater?
– Für ihren Vater habe ich ein anderes Mittel.
– Sie haben ein anderes Mittel! ruf Solange aus, indem sie sich meiner Hände bemächtigte und mich voll Bangigkeit anblickte.
– Werden Sie mich in gutem Andenken behalten, wenn ich Ihren Vater rette?
– O! Ich werde Ihnen mein ganzes Leben lang dankbar sein.
Und sie sprach diese Worte mit einem liebenswürdigen Ausdrucke im Voraus gehegter Dankbarkeit aus.
Indem sie mich hierauf anblickte, fragte sie mit einem bittenden Tone:
– Aber wird Ihnen das genug sein?
– Ja, antwortete ich.
– Nun denn! Ich hatte mich nicht geirrt, Sie sind ein edles Herz. Ich danke Ihnen im Namen meines Vaters und dem meinigen, und wenn es Ihnen in der Zukunft nicht gelingen sollte, so bin ich Ihnen nichts desto weniger für die Vergangenheit verpflichtet.
– Wann werden wir uns wiedersehen, Solange?
– Sobald Sie mich wieder zu sehen nöthig haben.
– Ich hoffe, daß ich Ihnen morgen irgend etwas Gutes mitzutheilen habe.
– Wohlan! sehen wir uns morgen wieder.
– Wo das?
– Hier, wenn Sie wollen.
– Hier, auf der Straße?
– Ei! mein Gott! Sie sehen, daß das noch das Sicherste ist; seit einer halben Stunde, welche wir vor dieser Thür sprechen, ist keine einzige Person vorübergekommen.
– Warum sollte ich nicht zu Ihnen hinaufkommen, oder warum sollten Sie nicht zu mir kommen?
– Weil, wenn Sie zu mir kommen, Sie diese wackeren Leute compromittiren, welche mir eine Zuflucht gewährt haben; weil, wenn ich zu Ihnen komme, ich Sie compromittire.
– Wohlan! es sei, ich werde die Karte einer meiner Verwandten nehmen, und sie Ihnen geben.
– Ja, damit man Ihre Verwandte guillotinirt, wenn ich zufällig vethaftet würde.
– Sie haben Recht, ich werde Ihnen eine Karte auf den Namen Solange bringen.
– Vortrefflich! Sie werden sehen, daß Solange am Ende mein einziger und wahrer Name werden wird.
– Ihre Stunde?
– Dieselbe, zu welcher wir uns heute getroffen,hoben.
– Um zehn Uhr, wenn Sie wollen.
– Es sei, um zehn Uhr.
– Und wie werden wir uns begegnen?
– O! das ist nicht sehr schwierig. Sie werden um fünf Minuten vor zehn Uhr an der Thür sein; um zehn Uhr werde ich herabkommen.
– Also morgen um zehn Uhr, liebe Solange.
– Morgen um zehn Uhr, lieber Albert.
Ich wollte ihr die Hand küssen, sie bot mir die Stirn.
Am folgenden Abend war ich um halb zehn Uhr in der Straße.
Ein Viertel vor zehn Uhr machte Solange die Thür auf.
Jeder von uns war der Stunde zuvorkommen.
Ich that nur einen Sprung bis zu ihr.
– Ich sehe, daß Sie gute Nachrichten haben, sagte sie lächelnd.
– Vortreffliche; zuvörderst ist hier Ihre Karte.
– Zuvörderst mein Vater, und sie wies meine Hand zurück.
– Ihr Vater ist gerettet, wenn er es will.
– Wenn er es will, sagen Sie? was muß er thun?
– Er muß Vertrauen zu mir haben.
– Das ist eine abgemachte Sache.
– Sie haben ihn gesehen?
– Ja.
– Sie haben sich der Gefahr ausgesetzt?
– Das ist nicht zu ändern, es muß sein; aber Gott ist da!
– Und Sie haben Ihrem Vater Alles gesagt,?
– Ich habe ihm gesagt, daß Sie mir gestern das Leben gerettet hätten, und daß Sie ihm vielleicht morgen das Leben retten würden.
– Morgen, – ja, gerade morgen rette ich ihm das Leben, wenn er will.
– Wie das? sagen Sie, lassen Sie hören, sprechen Sie. Welche wundervolle Begegnung ich gemacht hätte, wenn Alles das gelänge!
– Nur, sagte ich zögernd zu ihr.
– Nun denn?
– Sie werden nicht mit ihm abreisen können.
– Was das anbetrifft, habe ich Ihnen nicht gesagt, daß mein Entschluß gefaßt wäre?
– Außerdem bin ich sicher, späterhin einen Paß für Sie zu erhalten.
– Sprechen wir zuvörderst von meinem Vater, wir werden nachher von mir sprechen.
– Wohlan! ich habe Ihnen gesagt, daß ich Freunde hätte, nicht wahr?
– Ja.
– Ich habe heute einen derselben besucht.
– Weiter?
– Einen Mann, dessen Namen Sie kennen, und dessen Name eine Bürgschaft des Muthes, der Rechtschaffenheit und der Ehre ist.
– Und dieser Name ist. . .
– Marceau.
– Der General Marceau?
– Ganz recht.
– Sie haben Recht, wenn dieser versprochen hat, so wird er Wort halten.
– Nun denn! er hat versprochen.
– Mein Gott! wie glücklich Sie mich machen! lassen Sie hören, was hat er versprochen? sagen Sie.
– Er hat versprochen uns zu dienen.
– Wie das?
– Ah! auf eine sehr einfache Weise. Kleber hat ihn zum kommandirenden General des Westens ernennen lassen. Er geht morgen Abend ab.
– Morgen Abend; aber wir werden nicht Zeit haben, irgend etwas vorzubereiten.
– Wir haben nichts vorzubereiten.
– Ich verstehe Sie nicht.
– Er nimmt Ihren Vater mit.
– Meinen Vater?
– Ja, als Secretär. In der Vendée angelangt, gibt Ihr Vater Morceau sein Wort, nicht gegen Frankreich zu dienen, und eines Nachts erreicht er das Vendéeische Lager; von der Vendée geht er nach der Bretagne, und von da nach England. Wenn er in London angekommen ist, läßt er Ihnen Nachrichten zukommen; ich verschaffe Ihnen einen Paß, und Sie gehen zu ihm nach London.
– Morgen! rief Solange aus. Mein Vater würde morgen abreisen!
– Aber es ist keine Zeit zu verlieren.
– Mein