Lache Bajazzo. Artur Landsberger

Lache Bajazzo - Artur Landsberger


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Werner?« sagte er und erwiderte den Druck seiner Hände. »Gut, daß du kamst. Meine Gedanken, die waren, scheint’s . . .« und dabei fuhr er sich mit der Hand über die Augen; »du meinst also, es wird . . .«

      »Es ist!« rief Werner. »Ja, Holten, du bist ja wieder in einer ganz anderen Welt! So wach doch auf! Du hast einen beispiellosen Erfolg gehabt.«

      »Das also war’s!« sagte Holten. »Ich hatte mich verloren. Der Lärm und die Menschen. Du verstehst, wenn man aus seinen Bergen kommt!«

      »Ich verstehe dich,« erwiderte Werner. »Aber du mußtest einmal aus deinen Bergen heraus. Dreißig Jahre kennt man nun den Dichter Holten, ohne etwas von dem Menschen zu wissen.«

      »Also ein Erfolg!« wiederholte Carl noch immer verträumt und schüttelte den Kopf. »Wie sonderbar!«

      »Ich habe das gewußt!« sagte Werner. »Ich hätte dich sonst nicht aus deiner Bergeinsamkeit gerissen, wo ich wußte, was für eine Ueberwindung dich das kostete!«

      »Mit dir, Werner, ist der gute Stern in mein Leben getreten!« sagte Carl und drückte ihm die Hand: »Ich hatte es im Gefühl, als du das erstemal bei uns da oben warst.«

      »Wenn es doch so wäre!« sagte Werner. »Ich wäre glücklich.«

      Und Carl, der sich nun ganz wieder in die Welt der Tatsachen zurückgefunden hatte, sagte nochmals:

      »Also ein Erfolg! Ich hätte es nicht geglaubt. Als ich zu Beginn des Abends all die aufgeputzten Menschen sah, da hätte ich mich am liebsten auf und davon gemacht. Ich hielt es nicht für möglich, daß es einen Zusammenhang zwischen ihnen und meinem Werke geben könne. – Und darauf, auf das Sich-einfühlen kommt ja am Ende alles an.«

      »Hallo! Kommt ihr endlich?« rief der alte Brand und polterte auf die Bühne. Er klopfte Carl auf die Schultern und sagte: »Alter Junge! Jetzt ist das Eis gebrochen. Von heute ab gibt’s nicht nur einen berühmten Romancier Carl Holten, sondern auch einen berühmten Dramatiker dieses Namens.«

      »Du glaubst das wirklich?« fragte Carl und sah ihn mit erstaunten Augen an.

      »Kind, das du bist!« erwiderte Brand. »Nach einem derartigen Erfolge würde jeder andere an deiner Stelle erwarten, daß alle Welt vor ihm auf die Knie fiele und Hosianna riefe. Statt dessen stehst du da, träumend und befangen, wie eine Kommunikantin nach dem Abendmahl.«

      »Es liegt in alledem auch etwas Wunderbares,« sagte Carl.

      Im selben Augenblick hörte man laut die Stimme des Direktors.

      »Also nicht vergessen, Fräulein von Pforten, mit Rücksicht auf den Abendschoppen und den Appetit des Publikums fällt von morgen ab die ganze zweite Szene des ohnehin zu langen dritten Aktes fort.«

      Und Fräulein Krüger erwiderte:

      »Dazu hat man sich nun wochenlang das dumme Zeug in den Schädel gequält.«

      Der alte Brand lachte laut auf, aber Werner sah das Entsetzen in Carls Gesicht.

      »Das redet die dumme Person ja nur so dahin, ohne sich was dabei zu denken,« sagte er teilnahmsvoll.

      Aber Carl war zumute wie einem Priester, der mit ansehen mußte, wie man das Allerheiligste entweihte. Und daß die Schändung von dem ausging, dessen Obhut es anvertraut war, vertiefte den Schmerz.

      »Helena!« sagte er traurig vor sich hin; und das schöne Bild, das er sich in seinem Geiste errichtet, das er Monate mit sich herumgetragen hatte und das hier zur Wirklichkeit erwacht war, brach zusammen.

      »In die Luft!« entschied der alte Brand – »unter fröhliche Menschen!«

      »Nur das nicht!« wehrte Carl ab. »Nur keine Menschen; ich habe genug!«

      »Glaubst du etwa,« fragte Brand, »wir werden dich in dieser Verfassung allein lassen?«

      »Ich will nach Haus!« erwiderte Carl.

      »Morgen mittag, wie vereinbart; nicht eine Stunde früher. Erstens gibt’s morgen noch tausenderlei Geschäftliches zu erledigen.«

      »Damit verschon’ mich!« bat Carl.

      »Gut, aber heute abend gehörst du der Welt und wirst dich feiern lassen.«

      »Unter gar keiner Bedingung!« erklärte Carl.

      »Du wirst es!« entschied Brand, »und zwar bitt’ ich mir aus, daß du zu allem, was man dir sagt, ein freundliches Gesicht machst; auch wenn dir manches übertrieben und unwahr erscheint.«

      Carl sah ihn hilflos an und seufzte.

      »Du bist das deinem Erfolge schuldig,« fuhr Brand fort. Und war seine Sprache auch bestimmt und ließ sie auch keinen Widerspruch aufkommen, so zeigte die Wärme seines Tons doch deutlich, daß aus ihm nichts anderes als Sorge und Interesse für den Dichter sprach.

      »So ein Erfolg hat auch seine unangenehmen Seiten,« vermittelte Werner.

      »Und das muß wirklich sein?« fragte Carl, als er an Brands Seite die kleine Treppe, die von der Bühne zur Garderobe führte, hinabstieg.

      »Ich kenne dich,« sagte der Alte, »und nehme auf deine Wesensart jede Rücksicht. Unbequemlichkeiten aber, die zur Ausnutzung deines Erfolges nötig sind, mußt du dich unterziehen.«

      Ein Theaterdiener kam ihnen entgegen.

      »Der Herr Direktor läßt sagen, daß er in seinem Auto am Bühnenausgang auf Herrn Holten wartet.«

      Carl, dem man ansah, wie ungern er dieser Aufforderung folgte, sagte:

      »Ich komme.«

      Vor dem Bühnenausgang hatte sich eine große Menschenmenge angesammelt. Als Holten an der Seite der beiden Brands, weniger in Gedanken an seinen Erfolg als voller Unbehagen vor der Feier, die ihm bevorstand, aus dem Theater trat, brach die Menge in lauten Jubel aus.

      »Hoch Holten! Bravo! Hoch!« riefen Hunderte von Stimmen, und alles drängte an ihn heran, schwenkte Hüte und Tücher und sperrte den Weg zu seinem Wagen.

      Auch Werner stimmte in den Jubel ein. Der alte Brand, der ein paar Schritte auf die Treppe hin zurücktrat, sah schmunzelnd auf die Menschen, die sich in immer größere Ekstase schrien.

      Carl stand erfreut da, nahm verlegen den Hut ab, nickte schüchtern wie ein Kind und hätte doch am liebsten jeden Einzelnen an sein Herz gedrückt.

      Plötzlich packten ihn ein paar junge Leute unter die Arme und hoben ihn zur Freude aller anderen in die Höhe.

      »Reden!«  rief eine kräftige Stimme, und der alte Brand schüttelte teilnahmsvoll den Kopf und dachte: Armer Holten.

      Der aber fühlte sich, obschon seine Lage reichlich unbequem war, wie in den Olymp gehoben.

      »Ruhe!« riefen viele Stimmen – der Lärm brach, wie durchschnitten, plötzlich ab – und Carl Holten sprach:

      »Ich bin zu bewegt, um viel zu sagen. Aber ich bin sehr glücklich – und danke Ihnen.«

      Wieder erhob sich lauter Jubel, und sie trugen ihn durch die Menschen hindurch zu dem Auto des Direktors, der gelangweilt in seinem Wagen lehnte und über eine zweite Besetzung des heutigen Stückes nachdachte.

      Als man Carl unter Hochrufen, die immer lauter wurden, in das Auto hob, gab es auf der Welt wohl kaum einen Menschen, der glücklicher war als er.

      Er saß kaum, da sagte der Direktor:

      »Vor dem Mumpitz hätte ich Sie ja gern bewahrt, lieber Holten; aber es macht sich ganz nett, wenn morgen in den Blättern eine Notiz darüber steht.«

      Carl fuhr zusammen.

      »Vor was für einem Mumpitz?« fragte er.

      »Na, vor den Ovationen! Oder glauben Sie etwa, meine Regie endet mit dem Schluß des letzten Aktes? Für die Straßenszene, die doch gewiß echt und lebendig war, zeichne ich ebenfalls verantwortlich.«

      Carl riß den Mund auf; seine Augen standen still.

      »Wie? – Sie haben . . . Sie !?«

      »Natürlich habe ich,« erwiderte


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