Das Mormonenmädchen Zweiter Band. Balduin Möllhausen

Das Mormonenmädchen Zweiter Band - Balduin Möllhausen


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für Euch durch’s Feuer. Entsprechen sie unseren Erwartungen nicht, wohlan, so hindert uns Niemand, sie jederzeit fallen zu lassen.«

      »Jedenfalls kann dieser Classe von Abenteurern persönlicher Muth nicht abgesprochen werden,« bemerkte Jansen.

      »Theuer genug werden sie uns zu stehen kommen, namentlich wenn wir genöthigt sein sollten, sie auf dem Seewege mitzunehmen,« fügte Rynolds bedächtig hinzu.

      »Die Dienste, welche sie uns heute leisteten, sind allein schon das Ueberfahrtsgeld werth,« versetzte Abraham; »verlieren wir aber keine Zeit, horchen wir sie über den Maler aus, entwerfen wir unsere Pläne und stellen wir die Beiden dahin, wo sie am vortheilhaftesten zu verwenden sind.«

      Jansen und Rynolds erklärten sich mit Allem einverstanden, und folgten Abraham die Treppe hinunter nach.

      Als sie in das Besuchszimmer eintraten, trafen sie den Grafen und den Baron ämsig damit beschäftigt, sich nach der angreifenden Tagesarbeit körperlich zu stärken. Sie hatten dem schweren Wein schon tapfer zugesprochen und befanden sich in einer Laune, das Mormonenthum für die allein seligmachende Religion zu erklären und, ihren noblen Freunden zu Liebe, die ganze Welt zu erstürmen.

      Abraham beglückwünschte sie zu ihrer heitern Gemüthsstimmung, was ihre günstige Meinung über das Mormonenthum noch bedeutend erhöhte; und mit der liebenswürdigsten Zuvorkommenheit und graziösesten Gewandtheit gaben sie alle Aufschlüsse, die man von ihnen verlangte und welche zu geben sie überhaupt im Stande waren.

      Sie ahnten nicht, daß sie zu willenlosen Werkzeugen, zu Sclaven ihrer neuen Gebieter erniedrigt werden sollten; sie träumten nur von hohen einflußreichen Stellen, von zarten Verhältnissen, gebrochenen Herzen, so wie von dem glänzenden Umschwung, den sie in die socialen Zustände am Salzsee hineinzubringen gedachten.

      2

      Der Abschied

      Vier Tage waren seit Weatherton’s Besuch bei dem Maler verstrichen, vier lange Tage, ohne daß es ihm geglückt wäre, auch nur die leiseste Spur von Hertha und ihrer Begleitung zu entdecken. Er selbst hatte nichts versäumt, was zu einer Aufklärung des geheimnißvollen Verschwindens der Gesellschaft hätte führen können, und in allen seinen Bemühungen war er auf das Treueste von Werner sowohl wie von Falk unterstützt worden. Sogar Raft, dem auf seine Verwendung der erforderliche Urlaub ertheilt worden war, hatte Tage lang in der Nachbarschaft vor Abraham’s Wohnung Ausguck halten müssen; doch Alles blieb vergeblich. Die Mormonen waren verschwunden, und obgleich keiner der beiden Forschungen Betheiligten bezweifelte, daß sie noch in der Stadt verborgen seien, so verloren sie doch allmälig die Hoffnung, jemals wieder mit ihnen zusammenzutreffen.

      Anfangs war Weatherton geneigt, anzunehmen, daß Falk wie Raft sich an jenem Abend getäuscht hätten; allein dies dauerte nur so lange, bis er Abraham einen Besuch abstattete, um sich, wie er vorgab, von dem Wohlbefinden seiner früheren Reisegefährten, zu überzeugen.

      Ganz wider sein Erwarten räumte der schlaue Agent ein, das die Gesuchten sich allerdings einen Tag und eine Nacht unter seinem Dache befunden hätten, daß es sich aber nur darum gehandelt habe, mehrere bedeutende auf ihn gezogene Wechsel flüssig zu machen, worauf sie schleunigst nach dem Missouri abgereist seien, um sich dort einer bestimmten, nach dem Salzsee aufbrechenden Karavane anzuschließen.

      Weatherton durchschaute die Täuschung und maß Abraham’s Worten nicht mehr Werth bei, als sie verdienten. Seine letzten Zweifel über Falk’s Mittheilungen wichen, dagegen gelangte er zu der Ueberzeugung, daß die Gesuchte nicht mehr in des Agenten Hause weile und man Alles aufbiete, das junge Mädchen weder mit ihm, noch mit Anderen, die auf dasselbe irgend welchen Einfluß gewinnen konnten, in Berührung kommen zu lassen.

      Auf seine Andeutungen, daß die Gerichtsbarkeit von New-York sich bewogen finden könne, in seinen Lagerräumen nach Kriegscontrebande zu forschen, hatte Abraham nur mit einem beleidigenden Lächeln geantwortet und ihm anheim gestellt, um sich jede weitere Mühe zu ersparen, sogleich selbst mit den Nachforschungen zu beginnen.

      »Ihr werdet vielleicht Manches entdecken, was Euch verdächtig erscheinen mag,« sagte ihm der Agent mit einem Anflug von Hohn, »allein die Regierung in Washington selber hat kein Recht, sich um Das zu kümmern, womit ich Handel treibe, es sei denn, daß ich Steuerdefraudationen beginge. Uebrigens steht mein Lagerhaus jedem mit rechtskräftiger Vollmacht versehenen Beamten offen, dagegen dürfte, nachdem der Verdacht sich als ungerechtfertigt erwiesen, ein kostspieliger Proceß gegen Denjenigen eingeleitet werden, der sich eine derartige Anklage gegen meine Firma erlaubte.«

      Weatherton ging, aber im Stillen bereute er den Schritt, welchen er bei Abraham gethan hatte. Er fühlte, er war im Eifer zu weit gegangen, und mit Bedauern gelangte er zu dem Schluß, daß Diejenigen, die ein Interesse dabei hatten, Hertha von der Außenwelt abzuschließen, in seinen Worten eine Warnung erblicken und fortan nur noch mehr auf ihrer Hut sein würden. —

      In demselben Grade nun, in welchem sich seinem Vorhaben immer größere Schwierigkeiten entgegenstellten, befestigte sich aber auch sein Wille, dasselbe dennoch durchzusetzen, und da Falk, theils aus Theilnahme für die Sache selbst, theils aus einem angeborenen Hange zum Außergewöhnlichen und Abenteuerlichen, ihm in jeder Beziehung beipflichtete und dadurch seiner leidenschaftlich erregten Phantasie immer neue Nahrung gewährte, so würde er schon jetzt nicht gezögert haben, eine Reise nach der Salzsee-Stadt zu unternehmen, wenn er nur die Gewißheit gehabt hätte, daß Hertha und ihre Begleitung wirklich dorthin aufgebrochen seien.

      Wie nun Weatherton und seine Freunde in das geheimnißvolle Treiben der Mormonen und ihrer Helfershelfer einzudringen trachteten, so wurde ihnen nicht minder von den Mormonen überall hin nachgespäht; nur mit dem Unterschiede, daß letztere erfolgreicher wirkten. Denn bei den bedeutenden Mitteln, über welche dieselben zu verfügen hatten, bei den Erfahrungen, welche sie in dergleichen Angelegenheiten gesammelt, und bei der großen Zahl feiler Menschen, die sie besoldeten und mit unglaublichem Scharfblick aus der Hefe der untersten Klasse der Bevölkerung herauszufinden verstanden, konnte man darauf rechnen, daß alle ihnen verdächtige Personen, oder solche, denen sie nur im Geringsten mißtrauten, eigentlich keine Stunde unbeobachtet und unbewacht blieben.

      So erhielten denn Abraham, Jansen und Rynolds stets die genauesten Mittheilungen über das von Weatherton und seinen Gefährten eingeschlagene Verfahren; weshalb es ihnen leicht wurde, jeder persönlichen Begegnung rechtzeitig auszuweichen und alle deren Pläne, noch ehe dieselben zur Reife gelangten, zu hintertreiben und die ihnen entsprechenden Vorkehrungen zu treffen.

      So war es ergangen, als Weatherton Abraham den längst vorhergesehenen Besuch abstattete, so erging es, als man in den Bureaux der Dampfschifffahrtsgesellschaften nach den Verschwundenen forschte. Ueberall stieß man entweder auf gar keine Nachrichten, oder auf solche, die absichtlich verworren und unbestimmt ertheilt wurden, um auf falsche Fährten zu leiten. —

      Es war also am vierten Tage nach dem, an welchem Weatherton mit Falk Freundschaft geschlossen hatte und durch diesen auch mit Werner in Dietz’s Hôtel bekannt gemacht worden war. Es mochte gegen acht Uhr des Abends sein; das Leben in dem hellerleuchteten Broadway hatte seinen höchsten Grad erreicht, die breiten Bürgersteige waren von Fußgängern bedeckt, die endlosen Reihen der Wagen rasselten hinauf und hinunter, und Gruppen von Menschen saßen vor den Hausthüren, sich des milden Herbstabends erfreuend, oder über die neuesten Tagesereignisse plaudernd.

      Die geräumige, mit vergoldeter Stuccatur und geschmackvoller Malerei reich ausgeschmückte Vorhalle in Dietz’s Hôtel hatte sich schon geleert, die Kostgänger und Gäste des Hauses waren ihrem Vergnügen nachgeeilt, oder ließen in der Trinkhalle bei vollen Gläsern und Cigarren die Zeit verstreichen, und nur einzelne Personen saßen noch auf den ringsum an den Wänden angebrachten weich gepolsterten Bänken, um die Ankunft eines Freundes oder Bekannten zu irgend einem verabredeten Spaziergange zu erwarten.

      Auch Weatherton und Falk schienen dort auf Jemanden zu harren, doch zogen sie es vor, wahrscheinlich um außer dem Bereich neugieriger Ohren zu bleiben, in der Halle auf und ab zu wandeln.

      Ihre Züge verriethen, wie ernst der Gegenstand sei, welchen ihre Unterhaltung betraf; außerdem standen sie von Zeit zu Zeit still, um irgend etwas genauer zu erörtern, worauf sie dann gewöhnlich nach der Uhr sahen,


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