Im Hause des Kommerzienrates. Eugenie Marlitt
heraus – sie strotzte von Goldstücken – und schüttete ihren Inhalt auf den Tisch.
Die alte Frau schlug stumm und in freudiger Überraschung die Hände zusammen über das rollende Gold auf ihrer einfachen Tischdecke.
»Es ist ein einziges Honorar, Tante«, sagte er mit hörbarer Genugtuung. »Die schwere Zeit ist vorüber.« Bei diesen Worten wandte er sich ab und trat auf die Schwelle des Eckzimmers.
Man sah, die Tante hatte manches auf dem Herzen, aber sie fragte mit keiner Silbe, welcher Kur und welchem Patienten er diese große Geldsumme verdanke.
Käthe benutzte den günstigen Moment, um die Leiter hinabzugleiten. Wie schlug ihr das Herz, wie brannten ihre Wangen vor Beschämung darüber, dass sie diese intimen Erörterungen mit angehört hatte! Dort die Tür führte direkt in den Flur. Da hinaus konnte sie unbemerkt entkommen; selbst die Tante Diakonus sollte glauben, sie habe längst das Schlafzimmer verlassen und kein Wort von allem gehört, was gesprochen worden. Verstohlen flog ihr Blick hinüber in das Eckzimmer, wo die beiden eben an den Schreibtisch traten. In diesem Augenblicke hörte sie den Doktor sagen: »Sieh da, die ersten Frühlingsblumen! Hast Du gewusst, dass ich die hübschen blauen Blümchen so gernhabe?«
Ein Ausruf des Staunens unterbrach ihn. »Ich nicht, Leo – Käthchen, Deine junge Schwägerin, hat die Blumen in das Glas gestellt. … Nein, bin ich zerstreut und vergesslich!« Die alte Dame eilte herüber, aber schon drückte Käthe draußen die Tür hinter sich zu und schlüpfte durch den Flur ins Freie.
Nun ging sie langsam und beruhigt unter den Fenstern hin. Durch die nächsten schimmerten schwach die bunten Bouquets der schief und unvollendet herabhängenden Bettgardine; dann kam sie zu den zwei Fenstern mit den hübschen Filetvorhängen im Zimmer der Tante. Ein Fensterflügel stand offen, und der Hyazinthen- und Narzissenduft wehte heraus. Plötzlich schob eine schöne kräftige Männerhand ein weißes Glas mit blauen Blumen auf den Sims, zwischen die Töpfe; es war ihr kleiner Frühlingsstrauß, den der Doktor von seinem Schreibtische entfernte und hierherbrachte.
Sie fuhr heftig zusammen. Flüchtig und unbedacht, wie sie war, hatte sie sich in ein sonderbares Licht gestellt. Dass sie die Blumen auf seinen Tisch gesetzt, musste er offenbar für die Taktlosigkeit, die Zudringlichkeit eines unbesonnenen jungen Mädchens halten. Sofort blieb sie stehen, und den feuchten Glanz unterdrückter Zornestränen in den Augen, streckte sie die Hand zum Fenster empor – diese Bewegung machte den Doktor aufsehen.
»Wollen Sie die Freundlichkeit haben, mir die Blumen herauszugeben, Herr Doktor? Sie gehören mir; ich hatte sie für einen Moment aus der Hand gelegt und dann vergessen«, sagte sie, mühsam ihre Aufregung unter angenommener Ruhe verbergend.
Im ersten Moment schien es, als erschrecke er leicht beim Klange der Stimme, die ihn so unerwartet ansprach, es war ihm doch wohl unlieb, dass Käthe ihn beobachtet hatte, aber er unterdrückte augenblicklich die unangenehme Empfindung und sagte freundlich: »Ich werde Ihnen die Blumen bringen.« Diese tiefe gelassene Stimme entwaffnete sie sofort – er hatte ihr nicht wehe tun wollen.
Gleich darauf kam er die Stufen herab. Mit dem prächtig niederwallenden Bart, der breiten Brust und den gemessen edlen Bewegungen war und blieb er eine Gestalt, die man sich eigentlich nur in Uniform denken mochte, und wenn auch nur im grünen Waidmannsrocke. Er reichte dem jungen Mädchen das Glas mit einer höflichen Verbeugung.
Sie nahm die Blumen heraus. »Es sind die ersten, kleinen, vorwitzigen Dinger, die nicht schnell genug in die scharfe Aprilluft herauskommen können«, sagte sie lächelnd. »Man muss sich vielmal bücken und sie mühsam zusammensuchen, freut sich dann aber auch mehr daran, als an einem ganzen Treibhaus voll Blumen.« – Nun erst war sie beruhigt; nun glaubte er ganz gewiss nicht mehr, dass sie auf die neue Verwandtschaft hin seinen Schreibtisch plump vertraulich attackiert habe.
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