Der Spieler. Федор Достоевский

Der Spieler - Федор Достоевский


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unähnlich ist, über den fällen sie sofort ein Verdammungsurteil. Also, wovon wir sprachen: ich ziehe es vor, auf russische Manier ein ausschweifendes Leben zu führen oder meine Vermögensverhältnisse beim Roulett aufzubessern; ich will nicht nach fünf Generationen Hoppe & Co. sein. Geld brauche ich für mich selbst; ich bin mir Selbstzweck und nicht nur ein zur Kapitalbeschaffung notwendiger Apparat. Ich weiß, daß ich viel törichtes Zeug zusammengeredet habe; aber wenn auch, das ist nun einmal meine Überzeugung.«

      »Ich weiß nicht, ob von dem, was Sie gesagt haben, viel richtig ist«, bemerkte der General nachdenklich. »Aber das weiß ich sicher, daß Sie sich sofort in einer unerträglichen Weise aufspielen, wenn man Ihnen auch nur im geringsten … «

      Nach seiner Gewohnheit brachte er den Satz nicht zu Ende. Wenn unser General von etwas zu sprechen anfängt, das einen auch nur ein klein wenig tieferen Inhalt hat als die gewöhnlichen, alltäglichen Gespräche, so redet er nie zu Ende. Der Franzose hatte, die Augen etwas aufreißend, nachlässig zugehört und von dem, was ich gesagt hatte, fast nichts verstanden. Polina blickte mit einer Art von hochmütiger Gleichgültigkeit vor sich hin. Es schien, als seien nicht nur meine Auseinandersetzungen, sondern überhaupt alles, was diesmal bei Tisch gesprochen war, ungehört an ihrem Ohr vorbeigegangen.

      Kapitel 5

      Sie war ungewöhnlich nachdenklich; aber unmittelbar nachdem wir vom Tisch aufgestanden waren, forderte sie mich auf, sie auf einem Spaziergang zu begleiten. Wir nahmen die Kinder mit und begaben uns in den Park zur Fontäne.

      Da ich mich in besonders erregter Stimmung befand, so platzte ich dumm und plump mit der Frage heraus, warum denn unser Marquis des Grieux, der kleine Franzose, sie jetzt auf ihren Ausgängen gar nicht mehr begleite, ja ganze Tage lang nicht mir ihr spreche.

      »Weil er ein Lump ist«, war ihre sonderbare Antwort.

      Ich hätte noch nie von ihr eine solche Äußerung über de Grieux gehört und schwieg dazu, weil ich mich davor fürchtete, den Grund dieser Gereiztheit zu erfahren.

      »Haben Sie wohl bemerkt«, fragte ich, »daß er sich heute mit dem General nicht in gutem Einvernehmen befand?«

      »Sie möchten gern wissen, was vorliegt«, erwiderte sie in trockenem, gereiztem Ton. »Sie wissen, daß der General bei ihm tief in Schulden steckt; das ganze Gut ist ihm verpfändet, und wenn die alte Tante nicht stirbt, so gelangt der Franzose in kürzester Zeit in den Besitz alles dessen, was ihm verpfändet ist.«

      »Also ist das wirklich wahr, daß alles verpfändet ist? Ich hatte so etwas gehört, wußte aber nicht, daß es sich dabei um das ganze Besitztum handelt.«

      »Allerdings.«

      »Unter diesen Umständen ist es dann wohl mit Mademoiselle Blanche nichts«, bemerkte ich. »Dann wird sie nicht Generalin werden. Wissen Sie, ich glaube, der General ist so verliebt, daß er sich am Ende gar erschießt, wenn Mademoiselle Blanche ihm den Laufpaß gibt. In seinen Jahren ist es gefährlich, sich so zu verlieben.«

      »Ich fürchte selbst, daß mit ihm noch etwas passiert«, erwiderte Polina Alexandrowna nachdenklich.

      »Und eigentlich«, rief ich, »ist es doch prachtvoll: einen handgreiflicheren Beweis dafür kann es ja gar nicht geben, daß sie nur das Geld heiraten wollte! Nicht einmal der Anstand ist hier gewahrt worden; alles ist ganz ungeniert vorgegangen. Erstaunlich! Aber was die Tante betrifft, was kann komischer und gemeiner sein als ein Telegramm nach dem anderen abzusenden und sich zu erkundigen: ›Ist sie gestorben, ist sie gestorben?‹ Wie gelallt Ihnen das, Polina Alexandrowna?«

      »Das ist ja alles dummes Zeug«, unterbrach sie mich verdrossen. »Ich wundere mich im Gegenteil darüber, daß Sie in so heiterer Stimmung sind. Worüber freuen Sie sich denn so? Etwa darüber, daß Sie mein Geld verspielt haben?«

      »Warum haben Sie es mir zum Verspielen gegeben? Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich für andere nicht spielen kann, und am allerwenigsten für Sie. Ich gehorche jedem Befehl, den Sie mir erteilen; aber das Resultat hängt nicht von mir ab. Ich habe Sie ja gewarnt und darauf hingewiesen, daß dabei nichts Gutes herauskommen werde. Sagen Sie, sind Sie sehr niedergeschlagen, weil Sie soviel Geld verloren haben? Wozu brauchen Sie denn so viel?«

      »Wozu diese Fragen?«

      »Aber Sie haben mir doch selbst versprochen, mir Aufklärung zu geben… Wissen Sie was: ich bin fest überzeugt, wenn ich für mich selbst zu spielen anfange (und ich habe zwölf Friedrichsdor), so werde ich gewinnen. Dann, bitte, nehmen Sie von mir an, soviel Sie brauchen!«

      Sie machte eine verächtliche Miene.

      »Nehmen Sie mir diesen Vorschlag nicht übel!« fuhr ich fort. »Ich bin völlig durchdrungen von dem Bewußtsein, daß ich in Ihren Augen eine Null bin; daher können Sie ruhig von mir Geld annehmen. Ein Geschenk von mir kann Sie nicht beleidigen. Überdies habe ich Ihnen ja Ihr Geld ver- spielt.«

      Sie richtete einen schnellen Blick auf mich, und da sie meinen gereizten, sarkastischen Gesichtsausdruck bemerkte, brach sie das Gespräch über diesen Punkt wieder ab.

      »An meinen Umständen kann Sie nichts interessieren. Wenn Sie es wissen wollen: ich habe einfach Schulden. Ich habe mir Geld geliehen und möchte es gern zurückgeben. Da kam ich auf den seltsamen, sinnlosen Gedanken, ich würde hier am Spieltisch sicher gewinnen. Woher ich das dachte, das begreife ich selbst nicht; aber ich glaubte es fest. Wer weiß, vielleicht glaubte ich es deshalb, weil mir keine andere Chance blieb.«

      »Oder weil bei Ihnen das Bedürfnis zu gewinnen schon zu groß war. Es ist dieselbe Geschichte wie mit dem Ertrinkenden, der nach einem Strohhalm greift. Sie werden zugeben: wenn er nicht nahe am Ertrinken wäre, würde er den Strohhalm nicht für einen Baumast halten.«

      Polina war erstaunt.

      »Aber sie selbst setzen doch auch Ihre Hoffnung darauf?« fragte sie. »Vor vierzehn Tagen haben Sie mir doch selbst lang und breit auseinandergesetzt, Sie seien vollständig davon überzeugt, hier am Roulett zu gewinnen, und haben mich inständig gebeten, ich möchte Sie nicht für einen Irrsinnigen ansehen. Oder haben Sie damals nur gescherzt? Aber ich erinnere mich, Sie sprachen so ernsthaft, daß es ganz unmöglich war, es für Scherz zu halten.«

      »Das ist wahr«, antwortete ich nachdenklich. »Ich bin bis auf diesen Augenblick völlig davon überzeugt, daß ich gewinnen werde. Ich will Ihnen sogar gestehen, Sie haben mich soeben veranlaßt, mir die Frage vorzulegen: wie geht es zu, daß mein heutiger sinnloser, häßlicher Verlust in mir keinen Zweifel hat rege werden lassen? Denn trotz alledem bin ich vollständig überzeugt, daß, sowie ich anfange für mich selbst zu spielen, ich unfehlbar gewinnen werde.«

      »Warum sind Sie denn davon so fest überzeugt?«

      »Die Wahrheit zu sagen – ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß ich gewinnen muß, daß dies auch für mich die einzige Rettung ist. Vielleicht ist das für mich der Grund zu glauben, daß mir ein guter Erfolg sicher ist.«

      »Also ist auch bei Ihnen die Notlage sehr arg, wenn Sie eine so fanatische Überzeugung hegen?«

      »Ich möchte wetten, Sie zweifeln daran, daß ich für eine ernstliche Notlage ein Empfindungsvermögen habe?«

      »Das ist mir ganz gleich«, antwortete Polina ruhig und in gleichgültigem Ton. »Wenn Sie es hören wollen: ja, ich zweifle, daß sie jemals eine ernsthafte Not gequält hat. Auch Sie mögen dies und das haben, was Sie quält, aber nicht ernsthaft. Sie sind ein unordentlicher, haltloser Mensch. Wozu haben Sie Geld nötig? Unter all den Gründen, die Sie mir damals anführten, habe ich keinen einzigen ernsthaften gefunden.«

      »Apropos«, unterbrach ich sie, »Sie sagten, Sie müßten eine Schuld zurückzahlen. Nun gut, also eine Schuld. Wem sind Sie denn schuldig? Dem Franzosen?«

      »Was sind das für Fragen? Sie sind heute besonders dreist. Sie sind doch wohl nicht betrunken?«

      »Sie wissen, daß ich mir erlaube, alles zu sagen, was mir in den Sinn kommt, und mitunter sehr offenherzig frage. Ich wiederhole es Ihnen, ich bin Ihr Sklave, und vor einem Sklaven schämt man sich nicht, und ein Sklave kann einen nicht beleidigen.«

      »Das ist lauter dummes


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