Chloes Geschichte. George Meredith
Adam,« sagte Beamish lustig. »Gabs da kein legitimes Hindernis für die Verbindung?«
»Leider nein. Aber Ihr dürft nicht glauben, daß ich es bedaure. Ein ganz wundervolles Geschöpf, lieber Beamish, ein wahrhaftes Himmelswesen! Und je besser ich sie kenne, um so mehr bete ich sie an. Und das ist das Unglück. In meinen Jahren, wenn die kleineren und größeren Organe sich verschwören, mir zu sagen, daß ich sterblich bin, muß die Leidenschaft der Liebe als eine Kalamität hingenommen werden, wenngleich man davon nicht frei sein möchte selbst um die Wiederkehr der Jugend. Ihr versteht: mit einem ganz leise wachsenden Geschmack am Vergnügen bleibt sie der unschuldvollste Engel. Bisher haben wir ein Leben geführt, das … Für sie war es eine neue Welt, die sich auftat. Aber sie fängt an, diese Welt eng zu finden. Ich bin ihr nicht mehr genug. Nein, nein, sie ist nicht etwa meiner Gesellschaft müde. Weit davon entfernt. Aber wie Dinge jetzt liegen, hat sie eine Neigung für solche Gesellschaften, wie Ihr sie hier zum Beispiel habt, – das faßt uns so wie etwa das Verlangen, spazieren zu gehen. Und die gesunde Lebensweise einer Herzogin kann sich an das Eingeschlossensein nicht gewöhnen. Und schließlich kommt dann eine Zeit, wo der Enthusiasmus, den ganzen Tag der Spielkamerad seiner Frau zu sein, um runde Tische zu haschen und hinter einem geknoteten Taschentuch durch Korridore zu fliegen, mächtig nachgelassen hat. Gleichwohl hat mich die Scheu vor einer Trennung von ihr all diese Zeit über ganz beträchtlich und über meinen Geschmack daran beschäftigt. Nicht als ob ich Müdigkeit verspürte. Aber ich habe, kommt mir vor, eine Neigung für das Nachdenkliche. Und habe gerade jetzt solche Lust am Lesen und zu meditieren, was ohne Ruhe nicht gut geht. Ich mache mirs also bequem. – bums bekomme ich einen Zwirnknäul ins Gesicht, und man erwartet, daß ich zurückwerfe. Ich bin höflich und werfe, und der Salon bietet den Anblick einer Kinderstube in Revolution. Aber ich ziehe das dem beklagenswerten Schauspiel einer gähnenden Frau vor.«
»Erdbeben und Pulver behandeln uns weniger schrecklich als solcher Anblick,« bemerkte Herr Beamish.
»Kurz, sie hat mir das Versprechen abgenommen, für diesen Sommer für einen Monat nach den Wells gehen zu dürfen, und ich fürchte, ich kann mein verpfändetes Wort nicht brechen … ich fürchte, ich kann nicht.«
»Und ich würde es an Ihrer Stelle auch nicht brechen, Durchlaucht.« sagte Herr Beamish.
Der Herzog tat einen Seufzer.
»Es sind Gründe da, Familiengründe, derentwegen ich ihr hier meine Gesellschaft und meinen Schutz versagen muß. Ich habe keinen Wunsch … ich möchte nicht … meine Reputation, für den Augenblick… Es handelt sich darum, daß die Herzogin ihren Aplomb finde. Und man erreicht dieses Gleichgewicht nicht ohne zu zahlen. Ah, mein lieber Beamish, ein Bild gehört uns, wenn wir es gekauft und aufgehängt haben, aber wer sichert uns den Besitz eines schönen Werkes der Natur? Ich habe mich in letzter Zeit auf vieles und ernsthaftes Nachdenken verlegt, und bin versucht, es mit der Meinung gelesener Theologen zu halten: das Fleisch ist die Wohnung eines widerspenstigen Teufels.«
»Den wir zu spüren bekommen, wenn wir von ihm befreit sind,« stimmte der Beau ein.
»Aber diese Manie der jungen Leute für das Vergnügen, ewiges Vergnügen, das ist mir ein Wunder. Es macht sie nie übersättigt. Sie sind einfach nicht satt zu kriegen.«
»Kommt vor, daß man am Rande eines Abgrundes hinrollt, aber man kann sich zuweilen halten. Wir sind unter Potentaten, Herzog. Solange Sie auf meinem Grund und Boden sind, natürlich. Auf meinem Weg zur Kirche kam ich einmal an einem Puritaner vorbei, der jammerte über einen Schmetterling, weil er zierlich seinen Weg flatterte in völliger Entheiligung des Ruhetages. Freund, sagte ich zu ihm, Ihr beweist mir nur, daß Ihr kein Schmetterling seid. Statt jeder Antwort gab mir der Sauersüße einen Blick geladen mit Anathemen.«
»Lieber Cousin Beamish, meine betrübte Klage über diese jungen Leute ist, daß sie ihr Vergnügen verfehlen, indem sie ihm nachjagen. Ich habe meine Herzogin durch einen Vortrag belehrt …«
»Oh!«
»Absurd, ich geb es zu,« sagte der Herzog, »aber angenommen nun, Ihr hättet Euren Schmetterling gefangen und Ihr könnt ihn nun weder loslassen, noch zustimmen, allen seinen Flattereien zu folgen. Da säßet Ihr schön in der Verlegenheit.«
»In diesem meinem armen Reiche, das ich beherrsche, habe ich Gelegenheit, so junge wie alte Leute zu beobachten. Ich finde, sie ähneln sich außerordentlich in ihrer Liebe für das Vergnügen und unterscheiden sich nur darin, daß die einen mehr, die andern weniger fähig sind, dieser Liebe zu genügen. Ich bin nicht der erste, der das beobachtet. Die Jungen haben Ecken und Schärfen, die abzustumpfen sind, die Alten das Gegenteil. Der Schrei der Jungen um Lust und Vergnügen ist eigentlich – ich habe ihre Sprache studiert – ein Schrei nach Lasten und Bürden, und die Alten stöhnen unter der Last auf ihren Schultern, was nicht erstaunlich ist. Und miteinander machen sie ein Konzert gar melodiös für die Ohren des Weisen und geeignet, die Schritte des Philosophen zu leiten, dessen Weisheit es ist, beider Wege zu meiden.«
»Sehr gut. Aber ich habe Euch um einen praktischen Rat gefragt. Cousin, und Ihr gebt mir eine Abhandlung.«
»Und solches, Herzog, weil Sie einen Fall vorbringen, der einen an das Hängen denken läßt. Sie bringen da zwei Dinge vor, die unmöglich unter eins zu bekommen sind. Es bleibt nur die Alternative: Strumpfband oder Bettpfosten. Wenn wir an einen Kreuzweg kommen und uns nicht entschließen können, nach rechts oder nach links zu gehen, weder vorwärts noch zurück, da zeigt die Hand des Wegweisers auf sich selber und sagt emphatisch: Galgen.«
»Aber was tun, Beamish! Was tun? Schlage ich ihr die Reise ab, so sehe ich Auseinandersetzungen voraus und Tränen und Ballspielen und närrisches Zeug und hab keinen ruhigen Tag für mich. Ich verstehe vollständig Euren Puritaner, ja ganz vollständig versteh ich ihn. Gestatte ich die Reise, dann wird so ein unschuldiges Wesen, das sie ist, in der Atmosphäre dieses Badeortes sicherlich etwas verdorben werden. Ihr dürftet wissen, daß der gesellschaftliche Rang, aus dem ich sie hob … ihre soziale Stellung war bescheiden. Ich pflückte eine güldene Knospe auf dem Felde. Sie hat verschiedentliche Lehrer gehabt. Sie tanzt … tanzt hübsch, sie tanzt bezaubernd, möchte ich sagen. Und so ist sie nun dafür, ihre Kenntnisse an die Luft zu bringen. Frauen sind so.«
»Haben Sie von Chloe sprechen hören?« fragte Herr Beamish. »Gibt das Beispiel einer jungen Dame, die von Wells nicht verdorben wurde, von welchem Orte ich nur bemerken möchte, daß es das beste ist, ihn nicht zu besuchen, besser aber, ihn zu versuchen, als sich nach ihm zu sehnen.«
»Chloe? Eine Dame, die ihr Vermögen verschleuderte, um ein übles Subjekt wieder flottzumachen, ja, ich erinnere mich, von ihr gehört zu haben. Ist sie noch hier? Und ruiniert natürlich.«
»Im Portemonnaie, ja.«
»Und die Reputation ging mit dem Gelde.«
»Chloes Beschützer gibt zu, daß sie allen Gefahren der Unklugheit ausgesetzt ist. Um so heller strahlt ihre angeborene Reinheit, ihre Herzensgüte, ihre Treue. Das ist eine Frau, deren große Seele in der Erniedrigung zu leuchten beginnt.«
»Ich glaube wohl, daß sie ihre Schönheit bewahrt hat,« bemerkte der Herzog mit einem Lächeln.
»Ja, bis auf die Rosen, die gingen, weil sie nicht ihres Herzens Geduld hatten. Nun blüht die Lilie. So soll Chloe der Herzogin Gesellschaft sein während ihres Aufenthaltes, und wenn nicht der Teufel selber dazwischen kommt, verbürge ich mich Ihrer Durchlaucht gegen jeden schlimmeren Schaden als Erfahrung. Und diese,« fügte der Beau hinzu, als der Herzog bei dem gefürchteten Wort Erfahrung die Arme in die Höhe hob. »und diese soll von der milden Art sein. Sie will natürlich spielen, das ist sicher. Setzen Euer Durchlaucht mit tausend Pfund eine Grenze. Wir entwerfen ihr eine Folge erlaubbarer Dummheiten, und sie spielt dann peu à peu die Tausend herunter, und ihr eheliches Gewissen wird sich so wohl befinden als nur möglich.«
»Tausend Pfund,« sagte der Herzog, »das ist ja nicht viel. Mir fällt nun eine Beschreibung dieser schönen Chloe ein, die mir ein Enthusiast gab. Eine Brünette, nicht? Mit eleganten Manieren, aus guter Familie und reicher. Hat es aber mit alldem für besser gehalten. Ihren Namen zu verschweigen … und das wird unsere Schwierigkeit sein, mein lieber Cousin Beamish.«
»Damals,