Chloes Geschichte. George Meredith

Chloes Geschichte - George Meredith


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Augen der hat und weit damit schaut! Ich muß Sie gleich fragen, was Sie von mir denken. Ich war nie zuvor auf den Wells. Herrgott! Die Kalesche ist weg! Sie müssen mir sagen, an welcher Wegstelle man die Glocken hört, die mich einläuten. Ich weiß, daß ich Glockengeläute bekomme. Herr Beamish, Herr Beamish, ich muß meinen Plausch mit einer Frau haben, und Sie machen mir angst, Sie erschrecken mich mit Ihren Augen. Ich brauche im Palais meines Herzogs nur den kleinen Finger zu heben, um Männer zu sehen, dutzendweise. Es ist ja wahr, es sind lauter alte Männer. Aber eine Frau, die eine Dame ist und so liebenswürdig, meine Jungfer zu sein, das begegnet mir zum erstenmal, seit ich eine Krone trage. Ich will also Chloe bei der Hand halten. Da! Und Sie müssen mir immer gleich sagen, Chloe, wenn ich nicht nach Ihrem Geschmack angezogen bin, nicht wahr? Und was mein vieles Reden betrifft, bei mir ist das ein Beweis, daß ich die Leute gern hab. Ich weiß oft nicht, was reden mit meinem Herzog. Ich denk oft nach und finde es so komisch, einen Herzog statt einen Gatten zu haben. Na, jetzt staunen Sie!«

      Und die Herzogin lachte, als sie Chloe lachen sah. Die sich dafür entschuldigte, aber von ihrer Herrin die Belehrung bekam, das sei es gerade, was sie liebe.

      »In den ersten zwei Jahren konnte ich kaum ein Wort reden. Ich stotterte, wurde rot, blieb auf meinem Zimmer, kämmte und bürstete mein Haar und war immer daran, vor jedem einen tiefen Knix zu machen. Jetzt fühl ich mich ja schon ganz sicher, denn ich habe mächtig Courage – außer vor dem Tod. Ich komme schlechter mit dem Gedanken des Sterbens aus als damals, wo ich noch ein armes Mädchen war, mit dem Herrjeses einer dummen Trine in den runden Augen und einem Mund grad nur gut zum Vollstopfen. Ich möchte wissen, warum das so ist. Ist das Sterben nicht eine schreckliche Sache? Und die Skelette!« Die Herzogin schüttelte es.

      »Das kommt auf das Skelett an,« meinte Beau Beamish. »Dem Ihren, Madame, möchte ich nicht begegnen, denn es würde mich zu klagevollem Bedauern über den Verlust des Fleisches veranlassen … Aber ich bin einmal meinem eigenen Skelett begegnet und kann sagen, ich bin ganz zufrieden mit der Entrevue.«

      »Ihrem eigenen Skelett?« fragte zweifelnd die Herzogin und wurde blaß.

      »Dem meinen, ganz unirrtümlich. Und ich will Sie zu Zeugen aufrufen, indem ich es beschreibe.«

      Die Herzogin machte große Augen und rief erst: .Nein, nein!« Aber sagte dann: »Es ist ja heller Tag und ich hab jemanden bei mir schlafen, wenns Nacht wird,« und sie lächelte zu Chloe. Diese gab die Versicherung, daß zu Angst gar kein Anlaß sei.

      »Ich begegnete dem Herrn, als ich mich in mein Schlafgemach begab. Durch einen engen Korridor, wo einer dem andern ausweichen mußte. Ich muß bekennen, nur die Knochen in Betracht gezogen, ähnelten wir uns auf so erstaunliche Weise, daß ich ihn bat mich vorbeizulassen. Denn dieses Individuum war durchaus ein Hindernis auf meinem Weg, und war mir beim ersten Anblick widerwärtig. Ich hielt es für das Skelett irgendeines, für das übliche Emblem des Todes mit Schädelgrimasse, zählbaren Rippen und den fächerartig verbreiteten Fußzehen, kurz für den wenig erfreulichen und anmutigen Polischinell, über den der Mensch gebaut ist, und den er heimsucht in den schwachen Stunden. Offen gesagt, kam ich von einem Souper, dem ein Ball gefolgt war mit schönen Frauen und witzigen Herrn. Hatte also ein gutes Rezept, Geister zu beschwören. Nun, mein Junge, sieh zu, daß du weiterkommst, und ohne zu grüßen ging ich weiter. Ich gebe Ihnen mein Wort, Madame, er betrug sich genau so, wie ich mich unter gleichen Umständen betragen hätte. Er weicht mit eingezogenen Gliedern einen Schritt zurück, verbeugt sich und beehrt mich mit einem Gruße, der bedeutete Gehorsamer Diener! Was auch gleichzeitig würdiges Selbstgefühl ausdrückte. Ich gehe weiter, er macht wieder einen Schritt zurück, grüßt wieder, und das alles auf die natürlichste und vornehmste Weise, gar nicht leichenbitterhaft. Das sind, dachte ich, in der Tat gar königliche Manieren. Ich war geneigt, ihn für den Monarchen der Unterwelt zu nehmen, ohne seinen Mantel. Ich gestehe, ich wurde vor Verlegenheit rot.«

      »Und das ist alles?« fragte die Herzogin und tat einen erleichterten Seufzer.

      »Aber merken Sie nicht, Madame, daß bloß mein eigenes Skelett sich so vornehm und mit solcher Grazie gegenüber der Insulte seines allernächsten Verwandten benehmen konnte? Als es mir vorausgehend die Türe öffnete, was ich diesmal durchaus billigte, da erkannte ich es, und ich verstand den Vorwurf, den es mir mit seiner Absicht machte. Vielleicht hätte ich mich mit dem Souper, den Weinen und dem Ball entschuldigen sollen. Ich muß gestehen, daß dieses letzte sichtbare Zeugnis einer feinen Erziehung, dieses Türöffnen und Vorangehen, für mich die schönste Eloge war, die je ein Mann bekommen hat. Es war mir die Sicherheit, daß ich einst, wenn dieses sterbliche Fleisch von mir gegangen, nicht weniger bemerklich sein würde durch meine Urbanität und meine Eleganz; und ich werde es in der Ewigkeit noch weit mehr sein als hier unten, da ich dort nicht solche Ekarts begehen werde, deren ich mich schuldig machte, als ich noch ein Weinschlauch war.«

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