Das Glück reich zu sein. Hendrik Conscience

Das Glück reich zu sein - Hendrik Conscience


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Mann zieht sie damit auf. Ich würde mich schämen, so hoch hinaus zu wollen, wenn ich die Frau eines Schornsteinfegers hieße.«

      Diese Ausfälle wollten Käthchen durchaus nicht gefallen, verdrießlich und mit Nachdruck erwiderte sie darauf:

      »Ich weiß nicht, was du an ihr auszusetzen haben kannst. Schornsteinfegersfrau oder nicht, sie wohnt in ihrem eigenen Hause und ist Niemand etwas schuldig; sie kann, was sie sich wünscht, bezahlen, und braucht sich an den Neid ihrer Nachbarn nicht zu kehren.«

      – »Es wäre zu verwundern, wenn du ihr nicht das Wort redetest,« scherzte eine andere, »ist sie nicht die Mutter des Pauw?«

      – »Laß dich’s nicht verdrießen,« sagte Annamarie; »es war von uns nicht böse gemeint. Es backt jeder seine Kuchen, wie er sie gern ißt, und verbrennt er sich die Finger an der Kachel, so ist’s für seine eigene Rechnung.«

      Nach einer Weile fragte in freundlicher Weise eines der Mädchen:

      »Aber sage doch, Käthchen, ich habe gestern im Laden etwas erzählen hören, das ich nicht glauben kann. Ist’s wahr, daß du bald heirathest?«

      Erröthend stammelte Käthchen:

      »O, die Nachbarn, wenn sie einen Daumen breit um etwas wissen, schicken sie gleich eine ganze Elle in die Welt.«

      – »Es ist also doch etwas daran?«

      – »Nein, sage ich. Baes Smet hat nur im Scherze vor meinem Vater etwas Derartiges verlauten lassen . . . «

      – »O dann ist der Wagen schon mehr als halbwegs vorgeschoben. Prosit, Käthchen!«

      Nun rief eine Andere mit verächtlich geschlossenen Lippen:

      »Ei, was muß man hören! Mit einem Kaminfeger? mit einem, der sechs Tage pechschwarz in den Straßen herumläuft! Und wäre er vom Kopf bis zum Fuße mit Gold beschlagen, ich möchte nichts von ihm wissen.«

      – »Wenn du ihn nur kriegen könntest,« schmunzelte Käthchen.

      – »Ich würde ihn doch nicht wollen, obgleich er der lustigste Junge des ganzen Viertels ist,« ließ eine Dritte vernehmen. »Des Sonntags, wenn er gewaschen ist, da gehts noch an, aber in der Woche kann man ihm ja nicht einmal die Hand geben oder man muß sofort zur Pumpe springen; und wenn man ihn anreden will, hat man beständig das schwarze Gesicht vor den Augen. Pfui! es ist zum Davonlaufen. Wenn er lacht und seine weißen Zähne blicken läßt, schneidet er ein Gesicht wie ein Hund, dem man spanischen Pfeffer zu fressen gegeben . . . «

      – »O die bösen Zungen,« fiel Annamarie der Klatscherin in die Rede . . . »Pauw ist der beste Junge von der Welt, er weiß die artigsten Lieder, tanzt, springt und versteht sich vortrefflich darauf, die ganze Straße zu belustigen. Wo er erscheint, verbreitet er Fröhlichkeit und verscheucht jeden Mißmuth. Und wenn er gar des Sonntags mit seinem blauen Frack einhergeht, den Kopf aufrecht und die Mütze auf der Seite – da muß man gestehen, daß er doch ein schöner Bursche ist, und der Käthe Recht geben, daß sie ihn gern sieht, zumal da ihre Eltern damit einverstanden sind.«

      In diesem Augenblick vernahm man aus der Ferne den Rus: »Ap, ap, ap«2 über die enge Straße erschallen.

      »Ho, da kommt der Pauw mit seinem Vater,« riefen sie sämmtlich unter fröhlichem Gelächter. »Hans-Spaß und Pauwken-Frohmuth!«

      An dem einen Ende der Straße, ziemlich weit von den Mädchen schritt ein Mann von etwa fünfzig Jahren, noch rüstig und kräftig, leichten Trittes und mit gerade emporgerichtetem Kopfe daher. Nach Schornsteinfegerart bestand seine Kleidung aus roher eng anschließender Leinwand: der ganze Körper, nebst Gesicht und Händen, war schwarz und mit Ruß überzogen.

      Es war aber der Alte ein Mann vom besten Humor, denn fortwährend sandte er seinen Nachbarn im Vorbeigehen einen flüchtigen Scherz nebst schelmischen Blicken zu.

      Fünf bis sechs Fuß hinter ihm kam sein Sohn, ein schmucker Jüngling, der eben in’s Mannesalter trat. Auf dem rabenschwarzen Gesichte löste sich wundersam das Weiße seiner Augen und Zähne, so wie das frische Roth seiner Lippen.

      Ueber der Schulter trug er einen Sack mit Ruß; mit der Rechten hielt er einen aus Ruthen zusammengebundenen Besen und daneben einen blühenden Zweig weißen Hagedorns, die Maiblume der Antwerpener.

      Als er so trillernd und hüpfend herbei lief, weckte sein drolliges Gebahren das Gelächter aller Nachbarn.

      »Possen-Breughel!«3 murmelte dieser.

      »Der beißt mit vollem Rechte Pauwken-Frohmuth,« bemerkte ein Anderer; »denn er ist ja aus lauter Freude zusammengesetzt!«

      »Wie die Alten singen, so piepen die Jungen. Er und sein Vater, die steigen gewiß einmal mit lachendem Gesicht in die Grube.«

      »So sind alle Antwerpensche Kaminfeger; das hängt enge mit dem Handwerk zusammen. Ein schwermüthiger Kaminfeger ist wohl noch seltener anzutreffen, als ein lustiger Leichenbitter.«

      – »Und was wäre auch daran auszusetzen,« sagte ein alter Stuhlmacher, »sie thun ihre Pflicht, versäumen nichts dabei und lassen Jedem das Seine. Recht handeln und fröhlich sein, wer will’s verargen?«

      Auf einmal sprang Annamarie von ihrem Stuhl auf und rief:

      »Hört, da hat er wieder ein neues Liedchen aufgeschnappt und ein gar schönes. Wo mag er sie doch alle herholen?«

      – »Ei, die macht er alle selber,« bemerkte Käthchen frohlockend.

      – »Ist er wirklich so gelehrt? das war mir ja noch ganz unbekannt.«

      – »O da ist nicht ein einziger Anschlag an der Brooikenskapelle, den er nicht am Schnürchen herunterzulesen vermag.«

      Inzwischen war der junge Kaminfegerbursche nahe genug herzugetreten, daß man die Worte, die er sang, deutlich verstehen konnte. Es war in der That ein recht artiges Liedchen, dessen springendes Versmaß mit Absicht gewählt worden, um dabei einige drollige Kapriolen anzubringen. Es lautete nämlich wie folgt:

      »Schouwvegers fyn van den A.B.

      Vrolyke gasten,

      Aerdige kwasten,

      Schouwvegers fyn van den A. B.

      Komt en zingt ous lièken meè!

      Schaowvegers zyn al vieze guiten

      Wit van binnen en zwart van buiten:

      Maer al is hun tronie zwart,

      Bly en moeding klopt hun hart.

      Zy klimmen en kruipen, zy vegen en krabben,

      Zy zingen en springen; zy drinken en slabben

      Vun elke schouw een goede pint.

      Aep, aep, aep!

      Vrolyk gezind

      En alleman‘s vriend!«4

      Und als er sich nun anstellte, als wollte er auf Käthchen losschreiten, da stießen ihre Arbeitsgenossinnen einen Schrei des Unwillens aus und hielten besorgt die Hände über ihre Rahmen ausgebreitet.

      »Weg, Pauw; bleibt uns vom Leibe, sonst beschmutzt ihr uns die Arbeit,« riefen sie einstimmig.

      Pauw hatte jedoch unter dem Einflusse des holden Lächelns, das ihm Käthchen beim Anblick der Blumen zugeworfen hatte, von seinem stürmischen Wesen etwas abgelassen. Wohl wußte nämlich diese, daß jener blühende Weißdornzweig, das erste Geschenk des lieben Mai, nur ihr zugedacht sein konnte, und so strahlte aus ihren blauen Augen eine so herzinnige Dankbarkeit, daß der junge Schornsteinfegergesell selbst von tiefer Rührung ergriffen wurde und ihm der Jodler auf den Lippen erlosch.

      Aber es dauerte nicht lange und die Heiterkeit verdrängte wieder den augenblicklichen Ernst. Lachend sagte er zu Käthchen:

      »Siehst du, Liebe, ich bin draußen auf den Feldern herumgestreift,


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<p>2</p>

Es sind dieß die in Antwerpen üblichen Töne, womit die Kaminfeger, über dem gefegten Schornstein hervorragend, die Beendigung ihrer Arbeit ankündigen.

<p>3</p>

Breughel ist der Name eines berühmten vlämischen Malers aus dem 16. Jahrhundert, der sich besonders auf derbe, fröhliche Stoffe verlegte und darum gemeiniglich mit dem Beinamen des Spaß-Breughel (vieze Breugel) bezeichnet wird.

<p>4</p>

Sowohl um den Lesern ein kleines Muster vlämischer Volkspoesie zu geben, als um durch freie Uebertragung nichts an dem Stücke zu verderben, haben wir es vorgezogen, das Original dem Texte einzufügen und lassen hier die wörtliche Uebersetzung nachfolgen:

Kaminfeger sein von der A. B. ZunftFröhliche KundenArt’ge Gesellen (Hanswürste),Kaminfeger sein von der A.B. ZunftKommt und singt mein Liedchen mit.Kaminfeger sind gar drollige Schelme,Weiß von innen und schwarz von außen;Doch ist wohl auch ihr Körper schwarz,Froh und kräftig klopft ihr Herz.Sie klettern und rutschen, sie fegen und kratzen,Sie singen und springen; sie trinken und schlappenVon jedem Kamin ’nen guten Schluck.Ap, ap, ap!Fröhlich gesinntUnd Jedermanns Freund!