Das Glück reich zu sein. Hendrik Conscience
unseres Bettes versteckte?«
– »Man sieht wohl, Smet, daß du an kein Geld gewöhnt bist. Meinst du, die reichen Leute stecken ihr Geld in ihre Matratzen? Leg’ es nur kühn in den Kasten; finden wir morgen eine passendere Stelle, nun, so können wir’s immer noch ändern.«
Indem er die andere Lampe vom Boden aufhob, sagte der Schornsteinfeger:
– »Trese, lade du das Geld in deinen Schurz, ich will unterdessen an der Thüre drunten den Riegel vorschieben, damit uns Niemand bei der Arbeit überrasche . . . trag aber recht Sorge, daß die Geldstücke nicht klirren.«
Während die Frau das Geld aufsammelte und mit der schweren Last die Stiege hinabging, verriegelte Smet die Hausthüre, musterte sodann noch Fenster, Hinterthüre, Kellertreppe und prüfte überall die Schlösser und Klappen.
Mittlerweile hatte seine Frau den ganzen Schatz im Kasten aufgeschichtet und saß nun vor dem Tisch, mit bewegter Brust vor sich hinstarrend und in seliges Nachsinnen über den ihr so unverhofft zugefallenen Reichtum vertieft.
Da trat Meister Smet herein, streckte die Hand aus und sagte trocken:
– »Den Schlüssel her!«
– »Den Schlüssel!« erwiderte seine Frau mit stolz abschlägiger Miene. »Das wäre schön, wenn in unsern alten Tagen du den Schlüssel in der Tasche tragen solltest, nachdem ich ihn fünf und zwanzig Jahre lang mit Ehren geführt habe? Ha, ich verstehe; es stünde dir wohl an, das Geld in Gesellschaft deiner Kaminfegergenossen zu verprassen? Aber holla, Freundchen, über den Kasten bin ich Herrin!«
Smet schüttelte ungeduldig den Kopf und murrte:
– »Du irrst dich gewaltig; es ist mir vielmehr darum zu thun, dich vor dem Vergeuden des Geldes zu bewahren. Als wir wenig besaßen, da schien mir das Sparen zu nichts zu führen und ich hielt nicht viel darauf, aber setzt ist mir daran gelegen, daß etwas für unsere schlimmen Tage übrig bleibe und wir nicht bei all unserem Gelde noch in Noth und Elend gerathen, ehe wir zur ewigen Ruhe uns niederlegen.
– »Ich sehe schon, Smet, liebes Männchen, das Geld bekommt dir nicht gut,« spottete die Frau etwas verdrießlich; »du sprichst ja wie ein Filz und schneidest Gesichter wie ein Leichensager.«
– »Noch einmal, Trese, gieb mir den Schlüssel.«
– »Den Schlüssel? Und müßt’ ich Haar und Federn dabei lassen, den Schlüssel geb’ ich nicht aus der Hand.«
– »Willst du mir aber auch versprechen, nichts aus dem Kasten ohne meine Zustimmung herauszunehmen?«
– »Das heißt, ich will mich wohl anheischig machen, das Geld nicht in den Tag hinein zu verschleudern; aber daß ich mir eine Erlaubniß ausbitten soll, wenn ich mir ein neues Kleid anschaffen und meine abgetragenen Ohrringe für bessere austauschen will – da laß ich mich nicht draus ein? So lautet es nicht in unserm Ehekontrakt. Denn wollte ich mich nach deinem Willen richten, wären wir am Ende noch ärmer als zuvor. Wenn du vom Gelde nicht mehr Genuß ziehen magst, dann kannst du ebenso gut einen Haufen Zehnguldenstücke an die Wand malen: der Schein bleibt derselbe und du hast weniger schwer daran zu tragen.«
– »Du willst mich auch gar nicht verstehen, Trese; ich meine nämlich, daß, wenn du auf einmal durch prächtige Kleider, die gar nicht zu unserem Stande passen, merken lässest, daß wir viel Geld besitzen, die Nachbarn natürlich darüber klatschen und sich gegenseitig fragen werden, wo wir es hergeholt haben.«
– »Nun, was liegt auch daran? das Geld gehört ja uns rechtmäßig zu; meine Ahnen wohnen wohl schon über hundert Jahre in diesem Hause, und jetzt erklärt es sich endlich, warum sich beim plötzlichen Absterben meines Vaters kein Geld vorgefunden hat. Er hatte nicht mehr die Zeit, den Ort anzugeben, oder es vergraben hatte. Was hätte es also auf sich, wenn die Leute erführen, aß ich endlich zu meinem Erbtheil gelangt bin?«
– »Was es auf sich hätte, Unvorsichtige? Wüßten die Diebe von dem Gelde, das wir verwahren, so würden sie sich bald in den Besitz desselben zu setzen wissen und dabei unser eigenes Leben nicht verschonen.«
– »Was, das Geld hat dich schon zu einem Hasenfuß umgewandelt! Smet, ich erkenne dich nicht mehr . . . «
– »Ja, bedenke noch dazu, daß die Leute es nicht so schlechtweg auf Treu und Glauben annehmen werden, wir hätten das Geld gefunden und Gott weiß, bis wir nicht gar den Polizeikommissär auf den Hals kriegen und eines Diebstahls verdächtigt werden. Dann bringen sie den Schatz zur Untersuchung nach dem Gericht, und wenn er einmal in diese Hände gerathen, da kann einer lange warten, bis er es wieder herauskriegt! So kämen wir nicht nur um das Gold, sondern geriethen noch obendrein in Schande und Noth.«
– »Wahrhaftig!« sagte nachdenklich die Frau, »ich glaube, Mann, du hast Recht.«
– »Ja, ja, liebe Trese, sei nur recht behutsam; laß ja Niemand von unserem glücklichen Funde was merken.«
– »Am Wollen soll’s nicht fehlen,« bemerkte die Frau die Achseln zuckend; »aber das Plaudern ist ein Fehler, den mir meine gute Mutter vererbt hat, die auch nicht immer ihre Zunge in der Gewalt hatte . . . «
– »Himmel, das wird noch schlecht ausfallen, sehe ich.«
– »Wenn einer nach deiner Weise reich sein müßte, da – wäre es freilich ein Unglück, reich zu werden, und so magst du mit Recht jammern und seufzen . . . Aber können wir denn den Nachbarn nicht weißmachen, daß wir geerbt haben? Ich habe ja lange genug mit ihnen vom Erben gesprochen.«
Dieser Gedanke erheiterte plötzlich des Schornsteinfegers Gesicht-, nach kurzem Nachdenken aber sagte er bedenklich:
– »Daß wir geerbt haben? Aber dann erfahren auch die Leute, daß hier viel Geld liegt.«
– »Was thut’s?«
– »Und die Diebe?«
– »Smet, du verlierst den Verstand.«
– »Nein, weißt du, was wir sagen? Daß wir nächstens erben werden, daß die günstigsten Berichte von deinem Onkel in Holland eingelaufen seien . . . «
– »Sage lieber, von meiner Tante; und wenn ich jetzt schon mir ein neues Kleid oder sonst was anderes kaufe, so können doch die fürwitzigen Nachbarn sich die Sache leicht erklären . . . nämlich als einen vorläufigen Anschnitt des erwarteten Erbes.«
– »So laß ich mir’s gefallen; es erfährt wenigstens Niemand, daß viel Geld bei uns liegt und Jedermann muß endlich anerkennen, daß du von guter Familie stammst. Aber immerhin, Trese, wirst du vernünftig thun, und mit unserem Gelde etwas haushälterisch umgehen?«
– »Mit unserem Gelde? du meinst wohl, mit meinem Gelde. Nun, ich werde damit schalten, wie es unserem Stande geziemt.«
– »Aber auch dem Pauw müssen wir dasselbe wie der Nachbarschaft weißmachen; damit zuletzt der Junge nicht auch sich einfallen lasse, die Nase höher zu tragen und ein Verschwender zu werden . . . «
– »Da höre ich ihn eben kommen!« rief die Frau, »geh schnell und mach den Riegel los; sonst frägt er uns aus, was hier vorgefallen sei.«
»Der Kaminfeger that, wie seine Frau gesagt, und setzte sich sodann wieder ruhig an den Tisch, als ob gar nichts geschehen wäre.
Trillernd und hüpfend trat Pauw in die Stube. Sogleich begann er im fröhlichsten Tone und hastig mit seinen Eltern zu plaudern.
– »Seit langer Zeit hab’ ich nicht so gelacht, wie diesen Abend; auch kratzt mich’s noch in der Kehle. Denkt euch, sie haben mich in unserer Meisenfang-Gesellschaft5 zum Hauptmann gemacht.«
– »Nun, mache doch nicht so viel Wesens daraus,« murrte der Vater.
– »Um den neuen Titel ist mir’s nicht zu thun,« fuhr Pauw mit derselben Heiterkeit fort. »Du weißt aber, Vater, daß wir eine Summe Geldes zusammengelegt haben, um eine neue Gesellschaftsfahne machen zu lassen, und der Kunstmaler in der Winkelstraße – dem sie,
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Es bestehen in Antwerpen unter der geringeren Bürgerklasse besondere Vereine, die das ganze Jahr über einiges Geld zusammenbringen, um im Spätjahr mit einer Eule auf die Meisenjagd zu gehen.