Deportiert auf Lebenszeit. Marcus Andrew Hislop Clarke
ganz allein. Das zähmt sie merkwürdig.«
»So,« sagte Frere. »Bei Gott, das ist ein guter Gedanke, Ich wünschte, ich hätte solchen Platz auf Maria Island.«
»Ich habe jetzt einen Kerl da,« sagte Vickers. »Dawes, Sie erinnern sich natürlich seiner. Er war der Anführer bei der Meuterei auf dem Malabar. Ein fürchterlicher Mensch. Das erste Jahr hier war er sehr wild. Barton pflegte fürchterlich peitschen zu lassen und Dawes hatte eine kindische Furcht vor der Katze. Als ich hier ankam, wann war es – 29 – ja da bat er, daß man ihn in die Ansiedlung nähme. Er sagte, daß er unschuldig an der Meuterei gewesen und daß die Anklage falsch war.«
»Der alte Streich,« sagte Frere wieder. »Ein Streichholz bitte.«
»Natürlich konnte ich ihn nicht fortlassen, aber ich setzte ihn auf den Osprey. Sie sahen ihn im Deck als Sie herein kamen. Da arbeitete er eine Zeit lang sehr gut und dann versuchte er wieder, zu entfliehen.«
»Ha, ha, der alte Streich! Das wußte ich vorher,« sagte Frere und blies eine fürchterliche Rauchwolke in die Luft, womit er jedenfalls eine übernatürliche Weisheit ausdrücken wollte.
»Nun, wir griffen ihn und er bekam fünfzig Hiebe. Dann wurde er unter die Kettensträflinge geschickt, die Holz fällen. Dann brachten wir ihn in die Boote, aber er hatte Streit mit dem Bootsmann und wir brachten ihn wieder zur Arbeit beim Fällen. Vor sechs Wochen entfloh er mit Gabbett, dem Mann, der Sie beinahe getödtet hätte damals – aber sein Bein war von der Kette wund geworden und er wurde gefaßt. Gabbett und drei Andere entkamen.«
»Und Sie haben sie nicht gefunden?« fragte Frere, Wolken aus seiner Pfeife blasend.
»Nein, aber sie werden dasselbe Schicksal haben als alle Uebrigen, denke ich, »sagte Vickers mit einer Art von traurigem Stolz. »Noch nie entkam ein Mann aus Macquarie Harbour.«
Frere lachte: »Nun, es wird schlimm für sie sein, wenn sie nicht vor Ablauf des Monats kommen.«
»O,« sagte Vickers, »sie kommen sicher; doch wenn sich Jemand ein Mal im Busch verirrt hat, so hat er nicht mehr viel Hoffnung, länger zu leben.«
»Wann denken Sie bereit zu sein, abzugehen?« fragte Frere.
»So bald Sie es wünschen. Ich mag keinen Augen- blick länger hier bleiben, als ich muß. Es ist ein schreckliches Leben hier.«
»Finden Sie?« fragte sein Gefährte mit ungeheucheltem Erstaunen. »Ich mag es leiden. Freilich langweilig. Als ich zuerst nach Maria Island kam, langweilte ich mich fürchterlich, aber man gewöhnt sich bald daran. Ich finde eine Art Genugthuung darin, die Kerls in Ordnung zu halten. Ich mag gern die Augen der Burschen auf mich schielen sehen, wenn ich vorbei komme. Sie möchten mich in Stücke reißen, wenn sie könnten.« Er lachte wild, als ob er auf den Haß, den er einflößte, stolz war.
»Wie sollen wir die Reife machen? Sind darüber Bestimmungen getroffen?« fragte Vickers.
»Nein,« sagte Frere. Das ist Ihnen ganz überlassen. Bringen Sie sie so gut Sie können fort, sagte Arthur und schleppen Sie sie nach der neuen Halbinsel. Er meint Sie seien hier zu weit ab, – er will Sie in der Nähe haben.«
»Es ist sehr gefährlich, so Viele auf ein Mal zu transportieren,« meinte Vickers.
»Durchaus nicht. Schmieden Sie sie zusammen, stellen Sie Wachen genug hin und sie werden nichts unternehmen.«
»Aber Mrs. Vickers und das Kind?«
»Daran habe ich auch gedacht. Sie nehmen den Ladybird und die Gefangenen und ich komme mit Mrs. Vickers und Sylvia nach im Osprey.«
»Ja, das könnten wir thun. Das ist das Beste. Ich mag nicht, daß Sylvia unter den Schurken ist und doch mag ich sie nicht zurücklassen.«
»Gut,« sagte Frere, voller Vertrauen in seine eigene Geschicklichkeit. »Dann will ich den Ladybird nehmen und Sie kommen im Osprey mit Mrs. Vickers nach.«
»Nein, nein,« zagte Vickers mit seinem alten pomphaften Ton. »Nach den königlichen Anordnungen —«
»Ja, ja, ganz Recht,« unterbrach ihn Frere. »Sie brauchen sie nicht anzuführen.«
»Der kommandierende Offizier ist verpflichtet sich – — «
»Ganz Recht, lieber gern Ich habe nichts dagegen.«
»Ich achte nur an Sylvia dabei,« sagte Vickers.
»Gut,« rief der Andere, als die Thür, die in’s Zimmer führte, sich öffnete und eine kleine, weiße Figur auf die Veranda trat.
»Da ist sie selbst; fragen Sie sie selbst. Nun, Miß Sylvia, wollen Sie einem alten Freunde die Hand eben?« Das blonde Kind von Malabar war ein blondes Mädchen von etwa elf Jahren geworden und als es so dastand im weißen Kleidchen, im röthlichen Schimmer des Lampenlichtes, war selbst das unästhetische Gemüth Frere’s von ihrer Schönheit betroffen. Ihre hellen blauen Augen waren blauer und strahlender denn je. Ihre kleine Gestalt war gerade und biegsam wie eine Weidenruthe und ihr süßes, unschuldiges Gesicht war in den Glorienschein des goldenen Haares eingehüllt, das so fein und elektrisch war und von dem jedes einzelne Haar einen goldenen Glanz hatte. Mit solchem Haar malten die Maler des Mittelalters ihre Engel.
»Kommen Sie und geben Sie mir einen Kuß, Fräulein Sylvia!« rief Frere. »Sie haben mich doch nicht vergessen, he?«
Aber das Kind, das eine Hand leicht aus das Knie des Vaters stützte betrachtete Frere von Kopf bis zu Füßen mit der reizenden Unverschämtheit der Kinder. Dann schüttelte Sylvia den Kopf und sagte: »Wer ist’s, Papa?«
»Mr. Frere, mein Liebling. Erinnerst u Dich nicht an Mr. Frere, der mit Dir aus dem Schiffe Ball spielte und der so gütig gegen Dich war, als Du wieder wohl wurdest? schäme Dich, Sylvia.«
Der Ton, in dem diese Scheltworte gesagt wurden, enthielt so viel Zärtlichkeit, daß Sylvia nicht sehr bekümmert darum war. »Ich erinnere mich an Sie,« sagte Sylvia, die Haare zurückwerfend, aber damals sahen Sie besser aus als jetzt. Ich mag Sie gar nicht.«
»Sie erinnern sich nicht mehr an mich,« sagte Frere etwas in Verlegenheit und doch eine völlige Gleichgültigkeit heuchelnd. »Gewiß nicht. Wie heiße ich denn?«
»Leutnant Frere. Sie schlugen einen Gefangenen zu Boden, weil er meinen Ball aufhob. Ich mag Sie nicht leiden.«
»Sie sind eine sehr dreiste, kleine Dame, das muß wahr sein,« sagte Frere lachend. »Ha, ha, ja, das that ich, jetzt weiß ich’s auch. Was für ein Gedächtniß sie hat!«
»Er ist jetzt hier, Papa, nicht wahr?« fuhr Sylvia fort, ohne sich an die Unterbrechung zu kehren. »Rufus Dawes ist sein Name und er ist so sehr unglücklich. Der arme Mann, er thut mir so leid. Danny sagt, er wäre ein wenig sonderbar.«
»Und wer ist Danny?« fragte Frere unter erneutem Lachen.
»Der Koch,« sagte Vickers. »Ein alter Mann, den ich aus dem Hospital nahm. Sylvia, Du sprichst zu viel mit den Gefangenen. Ich habe es Dir schon einige Male verboten.«
»Aber Danny ist kein Gefangener, Danny ist ein Koch,« sagte Sylvia, um nichts eingeschüchtert. »Er ist ein sehr kluger Mann. Er hat mir Alles von London erzählt, wo der Lord Mayor in einer Glaskutsche fährt und alle Arbeit von freien Leuten gethan wird. Er sagt, dort sähe man nie Ketten! Ich möchte London sehen, Papa.«
»Das möchte Mr. Danny gewiß auch,« sagte Frere.
»O nein, das hat er nicht gesagt. Aber er möchte gern seine alte Mutter wiedersehen, sagte er! Denkt nur, Danny’s alte Mutter! Was für eine häßliche alte Frau sie sein muß. Er sagt, er wird sie im Himmel wiedersehen. Wird er das Papa?«
»Ich hoffe es, mein Kind.«
»Papa.«
»Ja.«
»Wird Danny im Himmel seine gelbe Jacke tragen oder wird er als ein freier Mann dort sein?«
Frere brach in ein schallendes Gelächter aus.
»Sie sind unverschämt, mein Herr,« rief Sylvia mit blitzenden Augen. »Wie können Sie so über mich lachen? Wenn ich Papa wäre, würde ich Ihnen