Sommerspiel. Sven Lange

Sommerspiel - Sven Lange


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könnte; dann sollte es ganz allmählich bis an den Hochwald dahinter ansteigen, wie ein Hügel aus lauter Laub. Und der Graben dahinten müßte ganz gereinigt und umgegraben werden, – ich würde ihn in freien Windungen sich schlängeln lassen wie einen Bach. Und am Strandwege müßte ein schöner Epheuhügel angelegt werden. Und dann diese schmutzigen Mannspersonen ringsumher, – sieh doch nur den da einmal an!«

      Sie blieben vor einer alten, geschwärzten Gypsstatue stehen, die man soeben noch in der Dunkelheit erkennen konnte.

      Frau Ingeborg lachte: »Wer das wohl eigentlich sein soll?«

      »Das ist Methusalem!« sagte Hartwig.

      »Aber ich würde sie waschen lassen, und dann müßte ein Gipser ihnen Nasen und Bärte ansetzen. Dann nennen wir sie Bernstorf oder Reverdil oder Schimmelmann. Darin wäre doch Sinn!«

      »Ja, das ist eine gute Idee,« meinte Vedel.

      Frau Ingeborg sah vergnügt von dem einen zu dem andern hinüber. »Wie nett und friedfertig ihr jetzt mit einander plaudert,« sagte sie, »so sollte es immer sein!«

      Hartwig lächelte. »Ich habe keinen größeren Wunsch, als in stetem Frieden mit dem Herrn Baron zu leben!« sagte er mit einem leichten Anflug von Spott in der Betonung.

      »Das ist recht: Und du, Hans?«

      »Ja, gewiß,« sagte Vedel höflich, »ich —«

      »Also Friede!« sie preßte ihre Arme fest an sich und sah glücklich vor sich hin. Plötzlich wurde sie ernsthaft:

      »Ihr müßt nämlich wissen,« sagte sie, »sonst wird es mir schwer hier mitten zwischen euch, – denn du bist mein Mann – und du bist mein Freund, – und ich habe euch beide so schrecklich lieb!«

      »Sagen Sie mir doch, Vedel, wie wohnt es sich eigentlich im Winter hier?« fragte Hartwig plötzlich mit einem ungeduldigen Klang in der Stimme.

      Vedel räusperte sich. »Ich kann mich nicht beklagen!« sagte er.

      »Kann man etwas zu essen bekommen?«

      »Ja, ich hungere wenigstens nicht,« antwortete er lächelnd. »Im übrigen sorgt ja meine Haushälterin für alles erforderliche.«

      »Ist es hier nicht wahnsinnig langweilig?«

      »Ich kann ja natürlich nur nach mir selber urteilen. Aber ich habe ja auch mein Boot.«

      »Sie können doch nicht immer auf dem Wasser liegen!«

      »Ja, fast immer!«

      »Aber das Eis, Mensch!«

      »Freilich, das kann das Boot ja wegschneien. Aber das währt niemals lange. Ich habe jetzt seit fünf Jahren hier gewohnt, und ich kann wohl sagen, daß mich das Eis durchschnittlich nur drei Wochen im Jahr am Segeln gehindert hat. Und dann habe ich ja meine Briefmarkensammlung. – Nein, die Zeit vergeht schnell genug, finde ich.«

      Frau Ingeborg drückte seinen Arm. »Hans du bist reizend! Es liegt etwas so Treues und Aufrichtiges in allem, was du sagst. Und so bist du immer gewesen.«

      Vedel sah zu Boden. »Ja, du hast meine geringen Verdienste immer anerkannt« sagte er.

      Hartwig pfiff leise vor sich hin, und ohne zu sprechen gingen sie auf die Pforte zu, die nach dem Strandwege hinausführte. Dort blieben sie eine Weile stehen und sahen den Leuten nach, wie sie vorbeikamen.

      An den Rädern waren jetzt die Laternen angezündet, – und in lauter Unterhaltung flogen ganze Scharen von Radlern unaufhörlich vorüber. Oft begrüßte Vedel eine lustwandelnde Gesellschaft höflich; Hartwigs kannten nur wenige.

      »Sind das nicht unsere Matadore, die da kommen?« fragte Hartwig plötzlich und deutete auf einen Herrn und eine Dame, die sich langsam näherten.

      »Großhändler Thomsen und Frau, ja,« sagte Vedel.

      Sie sahen alle drei nach der Richtung hin.

      Thomsen war eine korpulente Erscheinung mit kurzgeschnittenem, blonden Vollbart. Er trug einen dunkelblauen, enganschließenden Sportsanzug, der die runden, fleischigen Partien seines Körpers stark hervorhob. Neben ihm glänzte seine Frau in einer lila Toilette, einem losen Empiregewand, das ihren weißen Hals frei ließ. Sie trug dies sehr intime Gesellschaftskostüm mit einer eigenen freien und überlegenen Sorglosigkeit, – ohne die geringste Rücksicht auf das Starren und Flüstern der Vorübergehenden zu nehmen.

      Ihr rotblondes Haar war unter dem mächtigen, weißen Hut stramm aufgesteckt, und in der Hand schwang sie leicht einen hellen Sonnenschirm, während sie langsam und sorglos dahinschlenderte.

      »Er sieht doch eigentümlich störrisch und unzufrieden aus, dieser Thomsen,« sagte Hartwig gedämpft.

      »Er ist ein sehr tüchtiger Mann,« bemerkte Vedel.

      »Aber die Frau ist ja entzückend!«

      Sie waren jetzt vor die Pforte gekommen. Die Herren grüßten. Frau Ingeborg hatte sich ein wenig zurückgezogen.

      »Ein schöner Abend, Herr Thomsen!« rief ihnen Hartwig zu.

      Sie standen still. Thomsen öffnete den Mund, um zu antworten, – man hörte aber schon die helltönende, lächelnde Stimme seiner Frau.

      »Ja, wir haben eben einige Gäste an die Bahn gebracht, und es ist doch reichlich früh, um nach Hause zu gehen, – folglich genießt man den Abend!«

      Thomsen wollte mit einem Gruß weiter gehen, seine Frau blieb aber stehen und sah zu den großen Bäumen empor, die sich vom Garten über den Weg neigten.

      »Wie ich Sie doch um den Garten beneide, den Sie haben, Herr Hartwig,« sagte sie, – »Thomsen und ich können buchstäblich kein einziges Mal vorüber gehen, ohne verstohlene Blicke zu ihnen hineinzuwerfen, und dann müssen wir an den kahlen Hügel denken, den wir daheim in unserem »Strandheim« haben.«

      Hartwig öffnete schnell die Pforte.

      »Aber wollen Sie denn nicht näher treten, gnädige Frau? – Herr Thomsen, treten Sie doch ein!«

      Thomsen sah zu seiner Frau hinüber, – sie aber ging bereits auf die Pforte zu.

      »Danke, lieber Herr Hartwig,« sagte sie vergnügt und reichte ihm die Hand, »einen kleinen Augenblick, wenn wir nicht stören? – — Guten Tag, lieber Baron!« fuhr sie, zu Vedel gewendet fort, »wir sind ja alte Bekannte. Aber —« sie sah lächelnd Ingeborg an, die eine kleine Strecke von ihnen entfernt stand, – »wollen Sie nicht die Güte haben, uns Ihrer Frau Gemahlin vorzustellen, – ich habe noch nicht das Vergnügen gehabt —«

      »Ach, ich bitte tausendmal um Verzeihung!« rief Hartwig aus, »ich glaubte ja —«

      Ingeborg wurde mit den Fremden bekannt gemacht, sie begrüßte sie freundlich aber mit einem etwas kühlen, beobachtenden Lächeln.

      Sie standen einen Augenblick still, – eine schweigende, schnelle Musterung.

      »Ja, wollen wir uns denn aber nicht setzen!« rief Hartwig aus und ging mit den andern auf die Taube zu. »Trinken Sie einen Whisky mit Vedel und mir, Herr Thomsen?«

      »Besten Dank, – was Sie gerade haben,« lautete die trockene Antwort.

      »Und die gnädige Frau ein Gläschen Madeira? – Ach liebste Inga, möchtest du nicht im Hause Bescheid sagen?«

      »Nein, unter keinen Umständen!« rief Frau Thomsen aus, »liebe Frau Hartwig, Sie dürfen wirklich nicht —«

      »Das macht nichts.« Sie war bereits fort.

      Sie setzten sich.

      »Eine bezaubernde kleine Frau!« sagte Frau Thomsen zu Hartwig, der sich auf einen Stuhl neben sie gesetzt hatte. »So leicht und fein und blond und – lieblich!«

      »Ja, sie ist reizend. – Eine Cigarre, Herr Thomsen?«

      »Danke, ich habe Feuer.« Er zeigte auf eine kurze Shagpfeife, die er, seit er gekommen, nicht aus dem Munde genommen hatte.

      Frau Thomsen zog ihre langen Handschuhe aus.

      »Sie sind doch


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