Der Schutzgeist des Kaisers von Birma. Ugo Mioni

Der Schutzgeist des Kaisers von Birma - Ugo Mioni


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gar nicht weit. Es befindet sich in der Nähe des Tempels des Herrn.«

      »Bürgst du mir wirklich dafür, daß das Gasthaus ›Zur Wohnung des Herrn‹ imstande ist, einen vornehmen Fremden aufzunehmen?« fragte ich ihn.

      »Ich sagte dir ja, daß es das beste ist, welches die Stadt am Seebesitzt.«

      »So führe mich dorthin.«

      Wie ich vorausgesehen hatte, war die Nacht bereits hereingebrochen, als wir den Landungsplatz erreichten. Sie war von echt südlicher Schönheit.

      Der Landungsplatz war voll Leute, die in größeren und kleineren Gruppen eifrig redend beisammen standen.

      Ich lohnte die Fährleute ab und folgte dem Steuermann zur Stadt. Dabei mußten wir an einer solchen Gruppe vorüber, die andächtig einem Manne lauschte, der auf sie einsprach:

      »Gautama rief alle Tiere vor sein heiliges Antlitz, um eines auszuwählen, das ihm geeignet schien, der Schutzgeist des Kaisers zu werden. Da kam der Leopard und bewarb sich um diese Ehre, doch Gautama wies ihn ab, weil er zu grausam sei. Aus demselben Grunde verwarf er auch den Tiger. ›Der Kaiser,‹ sagte er, ›muß milden Sinnes und ein Feind des Blutvergießens sein.‹ Nun erschien das Pferd. Gautama betrachtete es mit Wohlgefallen. Es war schön, edel und klug, auch ein Freund des Menschen, aber – es war feige. Es läßt sich von dem Menschen unterjochen, der Kaiser aber soll durch innere Hoheit herrschen. So wurde auch das Pferd verworfen. Da kam endlich der Elefant, der von allen Tieren, die auf der Erde wohnen, das größte und stärkste ist. Gautama erkannte ihn als würdig der Ehre, der Schutzgeist des Kaisers zu sein. Aber damit dies die Erde auch erfahre, ließ er unter den tausend und aber tausend Elefanten dunkler Farbe einen weißen geboren werden, der also von dem großen Buddha abstammt.«

      Ich war stehen geblieben. »Warum erhebt dieser Mann den weißen Elefanten so?« wandte ich mich an einen der mir Zunächststehenden.

      »Weißt du nicht, daß der Senmeng gestorben ist?« gab der Gefragte erstaunt zurück.

      Ich stellte mich sehr erschreckt über diese Nachricht: »Tot?«

      »Ja, tot! Schweres Unglück droht über unser Land hereinzubrechen.«

      Der Redner mochte diese Worte vernommen haben und flocht sie sofort in seinen Vortrag ein: »Ja, schweres Unglück bedroht uns. Wir müssen suchen, dem drohenden Schlage vorzubeugen. Vor allem muß der Tod des Herrn an seinem Urheber gerächt werden.«

      »Rache! Rache!« brüllten viele Stimmen.

      »Das Haus des Wongy muß dem Erdboden gleich gemacht, seine Güter eingezogen, seine Sklaven verkauft werden. Seine Frau wird mit Schmach und Schande von ihrer Familie ausgestoßen werden, aber das genügt nicht. Noch lebt der Wongy. Wohlan, Leben für Leben! Das Leben des Wongy für das Leben des Senmeng!«

      »Tod dem Wongy!« schrie wieder der Chor.

      »Wir müssen dann einen neuen weißen Elefanten suchen . . .«

      Mir war bei diesen Worten, als zuckte ein blendender Blitzstrahl vor mir nieder und zeigte mir den Weg, den ich fortan gehen mußte. Ja, nun wußte ich, was ich zu tun hatte, um den armen Wongy zu retten.

      Wir legten mehrere lange Straßen zurück und gelangten endlich auf einen schönen großen Platz.

      »Ist dies nicht der Tempel des Herrn?« fragte ich meinen Führer, auf ein großes Gebäude im Hintergrunde deutend.

      Er bejahte.

      Wie ich an den Fenstern sah, war der Tempel innen beleuchtet. Die Soldaten hielten noch Wacht vor ihm. Ich blickte nach dem Palaste des Wongy, aber es war zu dunkel, als daß ich hätte unterscheiden können, ob die Zerstörung bereits begonnen hatte oder nicht. Näher zu treten verboten mir die Vorsicht und – die Soldaten.

      Eine Seitenstraße nahm uns auf und aus dieser gelangten wir auf einen zweiten, etwas kleineren Platz.

      »Hier ist das Gasthaus,« sagte der Steuermann und deutete auf die linke Seite der Straße.

      »Und was für ein Haus ist dies hier?« fragte ich, mich rechts wendend und ihm ein langes, niedriges Holzgebäude bezeichnend.

      »Dies ist das Gefängnis.«

      »Es sind gewiß viele Gefangene darin?«

      »Nicht so viele, daß es nicht mehr als genügend Raum für sie hätte. Und ist es einmal voll, so schafft man schnell Platz für die neuen Ankömmlinge.«

      Diese Worte hatten eine eigene Bedeutung. Mir fiel die Festung Amedia in den türkischen Bergen ein. Eine Festung ersten Ranges, bildet Amedia den Schlüssel zu Kurdistan und besitzt unter anderem auch ein großes Gefängnis, das ich in Gesellschaft des Gouverneurs besichtigte.

      »Das Gefängnis ist überfüllt und für morgen sind schon wieder neue Gefangene aus Mossul angemeldet,« sagte er zu mir. »Ich muß daran denken, Platz zu machen.«

      »Und wie machen Sie das?« erkundigte ich mich in aller Unschuld.

      »Das werden Sie morgen sehen,« lautete die Antwort.

      Ja, ich sah es!

      Am nächsten Morgen knallten auf dem Hauptplatze der Stadt Flintenschüsse. Dieselbe Art war wahrscheinlich auch im Kaiserreiche Birma beliebt.

      »Dies also soll das gerühmte Gasthaus sein?« fragte ich, als mein Führer vor der Türe Halt machte.

      »Ja!« Er klopfte an die Türe, aber niemand zeigte sich.

      »Mir scheint, das Haus ist gar nicht bewohnt,« bemerkte ich.

      »Siehst du nicht an dem Fenster, daß drinnen Licht ist?« entgegnete der Steuermann und klopfte ein zweites Mal – aber wieder vergebens. Er klopfte zum dritten Male – doch mit keinem besseren Erfolge.

      Nun verlor er die Geduld und begann zu schreien:

      »Wirt, fauler Wirt! Buddha hat sich gewiß geirrt und eine Schnecke aus dir machen wollen. Öffne!«

      Jetzt tat sich ein Fensterchen auf und hinter dem Gitter wurde das Antlitz eines Mannes sichtbar.

      »Was willst du?«

      »Öffne, große Schnecke! Ich bringe einen Fremden zu dir, einen Edelmann, einen Wongy!«

      »Was will er von mir?«

      »Du mußt dich geirrt haben. Dies ist gewiß kein Gasthaus,« sagte ich zu dem Steuermann.

      »Dies ist das Gasthaus ›Zur Wohnung des Herrn‹,« und sich wieder nach dem Gitter wendend, rief er: »Er will bei dir wohnen, große Schnecke! Mach auf! Ich bin es, der Steuermann vom See.«

      »Ach du bist es Bruder! Warum sagtest du das nicht gleich? Ist der Fremde, welchen du mir zuführst, vornehm?«

      »Sehr vornehm,« antwortete ich an Stelle des Steuermannes.

      »Nicht alle Vornehmen sind reich.«

      »Ich bin sehr reich.«

      »Nicht alle Reichen zahlen.«

      »Ich zahle immer.«

      »Auch gleich?«

      »Auch gleich, wenn es sein muß.«

      »Gut?«

      »Sehr gut.«

      »Und wie steht es mit den Trinkgeldern?«

      »Wenn du nicht sofort aufmachst, werde ich dir sogleich ein solches in Form einer Ohrfeige verabreichen,« entgegnete ich.

      »Du bist ein sehr merkwürdiger Herr, aber ich will dir doch gehorchen,« sagte der Gasthausbesitzer. »Ich öffne!« Und der Kopf verschwand vom Gitter.

      Ein Schlüssel drehte sich klirrend und die Türe öffnete sich. In der Öffnung erschien eine seltsame Figur. Sie war sehr klein, wurde von zwei kurzen Beinen und unverhältnismäßig großen, zur Zeit nackten Füßen getragen und war in einen schmutzigen, oftmals geflickten Talar aus weißem Baumwollenstoff gehüllt. Aus dem nicht minder schmutzigen Turban blickte ein langes, hageres Gesicht mit spitzem Kinn und gebogener Nase. Brust und Rücken des Männchens war


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