Blinde Liebe. Уилки Коллинз

Blinde Liebe - Уилки Коллинз


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Rotwein des Wirtshauses, nachdem Sie ihn gekostet haben?« fragte Mountjoy.

      »Für was halten Sie mich denn eigentlich?« rief Mr. Vimpany. »Nach allem, was ich von diesem Rotwein gehört habe, bin ich wirklich nicht so dumm, ihn selbst noch zu versuchen, das können Sie mir glauben.«

      Mountjoy nahm diese Antwort stillschweigend hin. Die Unkenntnis des Doktors und sein Vorurteil in Sachen des Weines hatte ihn auf eine Reihe ganz neuer Gedanken gebracht, welche für Mr. Vimpany selbst sehr bedenkliche Folgen haben sollten. Es war eine Pause am Tisch entstanden; niemand sprach ein Wort. Der Doktor las in dem Gesicht seiner Frau Mißbilligung über sein unfeines Benehmen, er versuchte daher in sehr ungeschickter Weise, sich bei Mountjoy, der immer noch mit seinen Gedanken beschäftigt dasaß, zu entschuldigen.

      »Ich hoffe, Sie haben mir meine Worte nicht übel genommen. Es liegt in meiner Natur, meine Meinung offen auszusprechen. Wenn ich es verstünde, zu schmeicheln und schön zu thun, so würde es mir entschieden in meinem Beruf besser gehen. Ich bin, wie man sagt, ein ungeschliffener Diamant. Bitte, nicht beleidigt sein!«

      »O, gewiß nicht, Mr. Vimpany!« beruhigte ihn Mountjoy.

      »Das ist recht! Jetzt trinken Sie aber noch ein Glas Sherry!«

      Mountjoy trank schweigend sein Glas aus.

      Iris blickte ihn verwundert an. Es sah Hugh so vollständig unähnlich, daß er die übliche Artigkeit so ganz außer acht ließ, um unbekümmert seinen Gedanken nachzuhängen, während andere Leute neben ihm am Tische saßen. War er krank? Sein Aussehen bezeugte vollkommenes Wohlbefinden. Was hatte denn sein seltsames Benehmen zu bedeuten?

      Da Mr. Vimpany bemerkte, daß Mountjoy nicht auf seine Reden hörte, wendete er sich an Iris.

      »Ich habe einen scharfen Ritt gemacht. Miß Henley,« sagte er, »um zur rechten Zeit zum Mittagessen nach Hause zu kommen. Ich muß Ihnen gestehen, es gibt Patienten, welche nach dem Doktor schicken, und dann in der Meinung sind, sie wüßten mehr von ihrem Leiden als derjenige, den sie haben holen lassen, damit er sie kurire. Er ist es nicht, der ihnen sagt, welche Krankheit sie haben, sondern sie sind es, die es ihm sagen. Ein Gespräch über die ärztliche Behandlung, das ist das Beste für sie, und das einzige, was sie nie müde werden zu thun, ist, daß sie über die Erscheinungen ihres Leidens sprechen. Heute hat mich ein alter Mann so lange aufgehalten; indessen der gnädige Herr, wie sie ihn in seiner Gegend zu nennen pflegen, hat einen großen Geldbeutel, und da muß ich geduldig sein.«

      »Es ist ein Edelmann aus der alten Schule, Miß Henley,« erklärte Mrs. Vimpany – »ungeheuer reich! Geht es ihm jetzt wieder besser?« fragte sie dann, sich an ihren Gatten wendend.

      »Besser?« rief der Doktor, der noch ganz außer Atem war. »Ach was, der hat kein anderes Leiden, als daß er zu gut und zu viel ißt und trinkt. Er ist vor kurzem in London gewesen und hat einen berühmten Arzt um Rat gefragt, natürlich einen Schwindler mit großem Namen. Dieser vortreffliche Heilkünstler wußte aber nichts mit ihm anzufangen und schickte ihn in auswärtige Bäder, damit er sich dort gehörig auskochen lassen sollte. Er kam wieder nach Hause zurück, schlechter als jemals, und wandte sich nun an mich Armen. Als ich zu ihm kam, fand ich ihn bei Tische sitzen, – ein wahres Festmahl, ich gebe Ihnen mein Ehrenwort – und der alte Narr stopfte sich voll, bis er ganz blau im Gesicht wurde. Ich hätte eigentlich besser sagen sollen, sein Wein war von sehr schlechter Sorte, es fehlte ihm der Gehalt und die Blume, Sie verstehen mich schon, Mr. Mountjoy. Ah, das scheint Sie zu interessiren! Nicht wahr, Sie denken an den Wein der Wirtin? Ist es nicht so? Nun, Sir, wie glauben Sie wohl, daß ich den gnädigen Herrn behandelt habe? – Durch ein ordentliches, kräftiges Brechmittel reinigte ich sein altes, abgenütztes Inneres und brachte ihn so auf die Beine. Sobald er wieder einmal zu viel gegessen hat, schickt er sofort nach mir, und er bezahlt sehr anständig. Ich muß ihm dankbar sein, und ich bin es auch. Bei meiner Seele, ich glaube, ich hätte schon längst Bankerott gemacht, wenn der Magen des alten Esels nicht wäre. Haha, sehen Sie sich einmal meine Frau an, sie stößt mich immer unter dem Tisch. Nicht wahr, mein Herz, wir sollten den Schein aufrecht erhalten? Aber ich thue es nicht! Wenn ich arm bin, so gestehe ich auch ein, daß ich arm bin. Wenn ich einen Patienten kurire, so mache ich kein Geheimnis daraus. Jeder Mann ist mir willkommen, der hören will, wie ich es gemacht habe. Sei nur nicht gleich so böse, Arabella; die Natur hat mich nun einmal nicht zum Arzt bestimmt, und so mag es eben gehen, wie es gehen will. Noch ein Glas Sherry gefällig, Mr. Mountjoy?«

      Alle gesellschaftlichen Formen – mit Einschluß der eigentümlichen englischen Gewohnheit, daß die Damen nach dem Essen vom Tisch weggehen und die Herren sich selbst überlassen – fanden an Mrs. Vimpany eine begeisterte und ergebene Anhängerin. Sie stand auf, als wenn sie bei einem großen und feierlichen Gastmahl den Vorsitz geführt hätte, und geleitete Miß Henley in der liebenswürdigsten Weise in das Empfangszimmer. Iris blickte nach Hugh hin, aber sein Geist war noch mit anderen Dingen beschäftigt, denn sein Gesicht hatte noch nicht den nachdenklichen Ausdruck verloren.

      In der aufgeräumtesten Laune schob Mr. Vimpany jetzt die Flasche seinem Gast über den Tisch zu und hielt ihm eine Hand voll dicker schwarzer Cigarren hin.

      »Hier ist etwas, was zu dem Traubensaft paßt!« rief er. »Das ist die beste Cigarre in ganz England!«

      Er hatte gerade sein Glas von neuem gefüllt und wollte sich eben seine Cigarre anzünden, als das Dienstmädchen hereintrat mit einem Zettel in der Hand. Manche Leute machen ihrem Unwillen in dieser, andere in jener Weise Luft. Bei dem Doktor geschah es durch Schelten.

      »Nun soll mir einmal einer nicht von Sklaverei reden! Suchen Sie einmal einen Sklaven in ganz Afrika, wie ein Mann meines Berufes einer ist! Für uns gibt es keine Stunde, weder bei Tag noch bei Nacht, die wir zu unserer freien Verfügung haben. Da, hier ist eine so dumme, alte Frau, die an Asthma leidet; sie hat wieder einmal einen Krampfanfall gehabt, und deshalb muß ich jetzt meinen Mittagstisch verlassen und meinen Freund, gerade wo wir erst jetzt recht vergnügt sein wollen. Ich hätte beinahe Lust, nicht hinzugehen.«

      Der unaufmerksame Gast rehabilitirte sich plötzlich in den Augen seines Wirtes. Hugh machte lebhafte Einwendungen gegen die zuletzt laut gewordene Absicht Mr. Vimpanys, so daß es den Anschein hatte, als ob ihn der Fall interessire. Der Doktor faßte es als ein Kompliment auf, als Mountjoy sagte:

      »Aber Mr. Vimpany, wo bleibt dann die Menschenfreundlichkeit?«

      »Sie meinen wohl das Geld, Mr. Mountjoy,« antwortete der witzige Doktor. »Die alte Dame ist die Mutter unseres Bürgermeisters, Sir. Sie scheinen mir keinen Spaß zu verstehen; ich werde natürlich hingehen, um das Honorar in meine Tasche stecken zu können.«

      Sobald er die Thür geschlossen hatte, atmete Hugh Mountjoy wie erlöst auf und brach in den aufrichtigen Freudenruf aus: »Gott sei Dank, daß er fort ist!« Dann wanderte er in dem Zimmer auf und ab und ließ ungestört seinen Gedanken freien Lauf.

      Der Gegenstand seines Nachdenkens war der Einfluß der geistigen Getränke, welcher die verborgenen Schwächen und Fehler in dem Charakter eines Mannes verrät, indem er sie genau so zu Tage treten läßt, wie sie in Wirklichkeit sind, vollkommen aller Bande ledig, welche der nüchterne Mensch sich auferlegt. Daß hier die schwache Seite Mr. Vimpanys lag, war außer Zweifel. Wenn man so schlau war, ihn trinken zu lassen, so viel er wollte, so konnte man ihn ohne viel Mühe der Fähigkeit, seine Gedanken zu verbergen, berauben und die Natur der Verbindung, welche zwischen Lord Harry und Mrs. Vimpany bestand, mußte auf diese Art und Weise früher oder später klar werden – vielleicht in einem Gespräch nach dem Essen bei geschicktem Verhalten. Die Unfähigkeit des Doktors, einen Unterschied zwischen gutem und schlechtem Wein zu machen, kam dabei ebenso gelegen wie Mountjoys Kenntnis von der vortrefflichen Qualität des französischen Rotweins der Gastwirtin. Er hatte sofort, als er ihn gekostet, erkannt, daß er aus einem der besten Weinberge von Bordeaux stammte und seine wahre Güte und Stärke dem gewöhnlichen und unerfahrenen Geschmack unter jener Blume verbarg, die dem echten Bordeaux eigen ist. Man brauchte ja nur Mr. Vimpany aufzufordern, – etwa durch eine Einladung zum Mittagessen in den Gasthof – seine Meinung als ein Mann, dessen Urteile in Weinsachen vollständiges Vertrauen geschenkt werden dürfte, über diese Sorte abzugeben; man brauchte ihn nur auf diese Art und Weise entdecken zu lassen, daß Hugh reich genug war, um sich einen solchen Wein kaufen


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